Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Dörner, Gerald [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 2. Halbband, 2. Teil): Grafschaft Schaumburg, Goslar, Bremen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2016

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30840#0065
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Einleitung

Recht des Widerspruchs ein. Dem Grafen gegenüber war der Amtmann zur Huldigung verpflichtet. In der
Person des Amtmans nahm das Stift an den Landtagen der Grafschaft teil. Die dort gefaßten Beschlüsse
waren auch für Fischbeck bindend186.
16. Anweisungen für die Visitation des Stifts Obernkirchen, 28. Januar 1603 (Text S. 84) / 17. Ordnung für
das Stift Obernkirchen, 6. August 1603 (Text S. 87)
Nach dem Rückzug von Anton Minsche als Propst und dem Ende des Prozesses vor dem Reichskammer-
gericht (vgl. die Einleitung zu Nr. 7 und 8) erlahmte der Widerstand der Obernkirchener Konventualinnen.
Anscheinend fanden sie sich mit der Loslösung der Propstei vom Stift ab187. Unter der nach Ottos IV. Tod
(1576) eingesetzten landständischen Regierung kam es zu einer strikten Trennung der Wirtschaftsführung
der Propstei und des Konvents. Bis dahin waren jährlich erhebliche Gelder aus der Propstei in die Unter-
haltung des Stifts geflossen188.
Die Zahl der Stiftsdamen scheint im Laufe der Zeit zurückgegangen zu sein: Gehörten dem Obernkir-
chener Konvent bei Einführung der Reformation noch etwa zehn bis zwölf stiftsjungfern an, finden bei der
Wahl der neuen Priorin Gertrud von Münchhausen189 im Jahr 1580 nurmehr fünf Erwähnung. Hinzu kamen
aber einige Laienschwestern und virgines iuniores190. Verschiedentlich baten Adelige den Grafen um die
Aufnahme von weiblichen Familienmitgliedern in das Stift. Auch sonst scheint sich der Graf nicht gescheut
zu haben, in die Angelegenheiten des Konvents einzugreifen. So wurde auf Drängen Adolfs XIV. im
November 1596 Margaretha von Winninghausen191 aus einem Kloster im Braunschweigischen als haupt und
scheffersche nach Obernkirchen geholt, um dort für Ordnung zu sorgen. Im Unterschied zum Stift Fischbeck
gab es gegen das Vorgehen des Landesherren bei den Obernkirchener Konventualinnen keinen Protest192.
Die Bemühungen Adolfs XIV. waren aber anscheinend erfolglos; sein Nachfolger Graf Ernst sah sich
jedenfalls veranlaßt, kurz nach Antritt seiner Regentschaft wegen der in Obernkirchen eingerissenen unord-
nung eine Visitation des Stifts zu befehlen. Die entsprechende Instruktion verfaßte der neue Kanzler Eber-
hard von Weyhe193. Sie enthält einen Katalog von zehn Fragen, anhand dessen die Mitglieder des Konvents
verhört werden sollten. Nach der Überlieferung der Textvorlage B war Weyhe selbst Mitglied der Visita-
tionskommission; neben Weyhe gehörten ihr die Drosten Dietrich von Brinck und Klaus von Münchhausen,
der Prior von Möllenbeck Hermann Wedemhoff und der Stadthagener Pfarrer Johann Heinecke an. Die
Visitation fand am 3. Februar 1603 in Obernkirchen statt194.
Aus der Visitation ging die im August 1603 von Graf Ernst erlassene Stiftsordnung hervor. Darin wurde
dem Konvent die Abhaltung gemeinsamer Mahlzeiten im Refektorium statt in der Stube der Priorin vor-
geschrieben. Bei den Mahlzeiten sollten Lesungen aus der deutschen Bibel gehalten werden, am Mittag aus
dem Neuen Testament und am Abend aus dem Alten Testament. Für die drei Andachten am Tag (Mette,
None, Vesper) wurden die entsprechenden Lesetexte, Gebete und Gesänge festgelegt. Dabei wurde auf die
Verwendung der deutschen Sprache gedrungen; nur für das Benedictus und das Benedicamus durfte noch
das Latein verwendet werden. Ungehorsamen Frauen drohte die Ordnung mit dem Ausschluß aus der
Gemeinschaft. Zwar wollte man keine Abschottung der Konventualinnen von der Welt; Kontakte zu Män-
nern wurden aber auf das Refektorium und die gemeinsame Stube beschränkt195.

186 Vgl. die Paraphrasierung des Inhalts und die Bewertung
des Vertrags ebd., S. 119f.
187 Vgl. Brosius, Stift Obernkirchen, S. 167.
188 Ebd., S. 168f.
189 Zu ihr vgl. Niedersächsisches Klosterbuch 3, S. 1114.
190 Vgl. Brosius, Stift Obernkirchen, S. 169.
191 Zu dieser Schaumburger Adelsfamilie vgl. Heutger,
Niedersächsische Ordenshäuser, S. 161.

192 Vgl. Brosius, Stift Obernkirchen, S. 170. Zu den Ausein-
andersetzungen in Fischbeck s. die Einleitung zu Nr. 15.
193 Zu Eberhard von Weyhe vgl. das Biogramm unter Nr. 15,
Anm. 22.
194 Zur Visitation vgl. Brosius, Stift Obernkirchen, S. 172.
195 Zur Stiftsordnung vgl. ebd., S. 172f.

45
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften