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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Dörner, Gerald [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 2. Halbband, 2. Teil): Grafschaft Schaumburg, Goslar, Bremen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.30840#0066
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Grafschaft Schaumburg

Zur Stabilisierung der ökonomischen Situation des Stifts sah die Ordnung eine jährliche Rechnungsle-
gung der Priorin vor einem Rat des Grafen, einem Mitglied der Landstände und dem Prior von Möllenbeck
vor. Wie die Protokolle der gräflichen Beamten zeigen, fand in den folgenden Jahren die Rechnungslegung
auch in der vorgeschriebenen Form statt196. Um die Entfremdung von Propsteigut zu verhindern, bestellte
Graf Ernst 1604 die Meier auf die Kanzlei nach Bückeburg, weil sie das ausgegebene Pachtland an Dritte
weiterverpachtet hatten. Der Graf drohte den Meiern mit dem Entzug ihrer Höfe, wenn sie das Land nicht
innerhalb eines Jahres wieder an sich brächten197.
Im Januar 1621, ein Jahr vor seinem Tod, erließ Ernst eine umfassende „Gottesdienst-, Kleider- und
Hausordnung“ für die beiden Frauenstifte Fischbeck und Obernkirchen198. Darin wurden nun die lateini-
schen Kirchengesänge vollständig abgeschafft. Der Pfarrer Johann Ebeling erhielt vom Fürsten den Auf-
trag, eine Liste anzulegen, in der alle von den Konventualinnen deutsch zu singenden Psalmen und Gesänge
aufgeführt waren199. Die Zahl der Stiftsdamen wurde auf zehn Frauen pro Konvent festgeschrieben. Die
Aufnahme einer Bewerberin bedurfte der Zustimmung des Landesherrn. Vor ihrer Aufnahme hatte sie einen
Adelsnachweis (16 adelige Vorfahren) zu erbringen. Die Konventualinnen erhielten ein jährliches Deputat
aus den Einkünften ihres Stifts. Wollten sie heiraten, durften sie das Stift verlassen und empfingen eine
Aussteuer aus der Kammerkasse des Grafen200.
Beide Stifte, Fischbeck und Obernkirchen, waren von den Wirren des Dreißigjährigen Krieges stark
betroffen. Nach der Niederlage der Protestanten wurde unter dem Druck der Truppen Tillys 1529 das
Restitutionsedikt durchgeführt. Das Stift Fischbeck wurde von den Jesuiten in Besitz genommen und
rekatholisiert, das Stift Obernkirchen von den Augustinern. 1633 mußten die Orden das Feld aber wieder
räumen201. Aufgrund der Teilung der Grafschaft Schaumburg nach dem Aussterben des Grafenhauses
kamen Fischbeck und Obernkirchen unter hessische Landeshoheit. Beide Frauenstifte haben noch heute
Bestand202.
18. Mandat zu den Kirchenstühlen, 1603 (Text S. 91)
In den protestantischen Gebieten kam es im Laufe des 16. Jh. zu einer weitgehend flächendeckenden Aus-
stattung der Kirchenräume mit Kirchenstühlen203. Nicht zuletzt die langen Predigten machten die Schaf-
fung von Sitzgelegenheiten für die Gottesdienstbesucher dringend erforderlich. Bei den Kirchenstühlen
handelte es sich meist um Bänke mit mehreren Sitzplätzen. In der Regel wurde zwischen Männer- und
Frauenstühlen unterschieden204. Für die Schüler gab es transportable Bänke, die vor der Predigt aufgestellt
und nach ihr wieder weggeräumt werden konnten. Damit sollte verhindert werden, daß die Knaben wie die
schweine auf der erden und in den winkeln liegen und schlaffen205.

196 Ebd., S. 173.
197 Ebd., S. 171.
198 NLA Bückeburg L 1, Nr. 3153.
199 Der Plan Ebelings (zu ihm vgl. Pastoren der Landeskir-
chen 1, S. 287) führt für jeden Sonntag jeweils zwei bis
vier Lieder und Psalmen auf sowie für die einzelnen
Wochentage vier Gesänge für den Morgen und Nachmit-
tag. Ein Druckexemplar dieser Liste findet sich im NLA
Bückeburg L 0 (Capaunsche Sammlung), Nr. 662. Vgl.
Oldermann, Stift Fischbeck, S. 127f.
200 Vgl. die Darstellung der Ordnung bei Oldermann, Stift
Fischbeck, S. 125-129 und Brosius, Stift Obernkirchen,
S.174-176.
201 Vgl. Niedersächsisches Klosterbuch 1, S. 412 und 3,
S.1111.

202 Vgl. die Seiten der beiden Stifte im Internet.
203 Vgl. RGG4 4, Sp. 1196.
204 Zu dieser Verteilung s. Iso Müller, Frauen rechts,
Männer links. Historische Platzverteilung in der Kirche,
in: Schweizerisches Archiv für Volkskunde 57 (1961),
S. 65-81; Claudia Ulbrich, Zankapfel „Weiber-Ge-
stühl“, in: Historie und Eigensinn. Festschrift für Jan
Peters zum 65. Geburtstag, hrsg. von Axel Lubinsky
u.a., Weimar 1997, S. 107-114.
205 Zitat aus der Kirchenordnung der Grafschaften Hoya und
Bruchhausen von 1581 (Sehling, EKO VI,2, S. 1179);
ähnlich in der Kirchenordnung für die Grafschaft Olden-
burg von 1573 (Sehling, EKO, VII,2,2,1, S. 1119).

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