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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Dörner, Gerald [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 2. Halbband, 2. Teil): Grafschaft Schaumburg, Goslar, Bremen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.30840#0334
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Goslar

Von weglauffen und nicht beywohnen der eheleute61

Gott, der herr, sprach: Laßt uns dem menschen ein
gehülff machen62, durch welche worte die eheleute
nicht allein die leibliche ehepflicht zu leisten, son-
dern auch in allen andern einander treulich beyzu-
stehen, zu rathen und zu helffen schuldig seyn, also
das glück und unglück gemeine seyn und eins dem
andern alle last tragen helffen soll63. Darum thuen
wieder Gott und entziehen ihrem ehegemahlen die
schuldige hülffe alle die jenigen, die ohne alle redli-
che ursach, wenn die ochsen zui berge stehen64 oder
sonst, weglauffen, weib und kind oder den mann mit
den kindern im elend und jammer sitzen laßen. Und
das ist der einsetzung Gottes und ehelicher pflicht
und verwandnuß gestracks und eben so wol zuwie-
der als der leibliche ehebruch.
Und solchs wird auch ge-| 46| meinet von denen, die
einander ehelich und offentlich verlobet und ihr eins
vorj dem ehelichen beylager ohne redliche ursach
hinweg laufft, lange zeit außen bleibet, sein vertrau-
et gemahl in die ehepflicht nicht nimmt und nie-
mand nicht weiß, wo er sey. Und wird durch die
treflichste gelerten dieser zeit in der heil. schrifft
darvor gehalten, daß die obrigkeit nach erwegung
der gelegenheit und ursachen des abwesens und weg-
lauffens, des alters und schickligkeit der verlaßenen
personen und anderer umstende, nicht ohne fug und
grund dem heimverlaßenen erleuben mögen, ein an-
der ehegemal zu nehmen, doch auf vorgehende ci-
tation und erforderung, auch fleißige nachfor-
schung, ob der abtrünnige irgends anzutreffen und
zum ehelichen beywohnen oder aber zu gebürlicher

i C und D: am.
j C und D: ehe.
k-k B: allewege billig zu recht.
l Fehlt in C und D.
m C und D: do je.
n-n C und D: do aber.
o C und D: abwesend were.

61 Vgl. den entsprechenden Abschnitt im Ehe-Bedenken
(Sehling, EKO I, S. 296f.) und in der Mecklenburger
Konsistorialordnung (Sehling, EKO V, S. 239f.).
62 1Mos 2,18.

straffe gebracht möcht werden. Dan do das ver-
laßene in dem seinen fleiß nicht gethan, soll es mit
seiner bitte nicht gehortt werden.
Und nachdem die kayserliche rechte hierin die ur-
sach des abwesens, wie denn auch in kallewege zu
thun rechtk und gut ist, unterscheiden65, wiewol sich
auch nach gelegenheit solcher ursachen dem heim-
verlaßenen frist und zeit benennen, so sind doch die-
selbe beide, in mannes- und weibespersonen, auch
das anliegen, angst und noht der heimverlaßenen
ungleich, daß es schwer ist, die dinge also gestracks
ohne gewiße zeit zu binden. Und sol der-| 47| wegen
zeitl zu ermeßung des richterlichen ampts gesetzet
werden in dem fall, do das eine muhtwillig weg-
gelauffen, nach gelegenheit der felle, lenger und
kurtzer zeit zu halten und hierin, so viel immer
müglich und ohne verletzung der gewißen geschehen
kan, das heimverlaßene zu trösten und ufzuhal-
ten66, und dom die noht, wiederum zu verheyrathen,
erfindlich, daß solch mit gnugsamer erwegung und
rahtt des consistorii, auch obs nach der gelerten zu
Wittenbergk geschehe.
Und in allen fellen, do die andere ehe erleubet, sol
die wirthschafft67 ohn alle offentliche geprenge ge-
halten werden.
nAber don einer aus ehehafften und ehrlichen ur-
sachen abwesendo, als in gefengnis des reichs oder
wieder den türken krieg sachen und dergleichen, do
soll das ehemal also bleiben und keinem gestattet

63 Vgl. Gal 6,2.
64 Vgl. Wander, Sprichwörter-Lexicon, Ochs, Nr. 282:
Wenn die Ochsen am Berg stehen und aller Menschen
Hilff auss ist, so hilfft Gott; Nr. 342: Da stehen die Och-
sen am Berge, und Nr. 345: Dar stân de Ossen an ’n
Bârg.
65 Dig. XXIV, 2, 1: Dirimitur matrimonium divortio, mor-
te, captivitate vel alia contingente servitute utrius eo-
rum (= ClCiv, ed. Krüger 1, S. 355).
66 Zu unterhalten, versorgen, s. FWb 2, Sp. 453.
67 Hochzeit, s. Grimm, DWb 30, Sp. 661 und 664.

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