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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]; Dörner, Gerald [Oth.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 2. Halbband, 2. Teil): Grafschaft Schaumburg, Goslar, Bremen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.30840#0419
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Einleitung

lichen Änderungen zeigt das Ringen des Ministeriums um einen angemessenen Ton gegenüber den Rats-
herren. Die Eingabe umfaßt sechs Punkte.
Ein Gravamen betraf die Abhaltung von Abendmahlsfeiern in Privathäusern in der Stadt und die
Teilnahme von Bürgern am Abendmahl in Gemeinden außerhalb Bremens. Dabei dürfte es sich wohl über-
wiegend um die Familien gehandelt haben, die 1562 aus der Stadt ausgezogen waren und nach ihrer Rück-
kehr weiterhin am Luthertum festgehalten hatten355. Mit der Entlassung von Jodokus Glaneus im Januar
1582 hatten sie den letzten geistlichen Rückhalt in der städtischen Pfarrerschaft verloren356 und befriedig-
ten ihre kirchlichen Bedürfnisse nun durch das „Auslaufen“ zu Geistlichen außerhalb des Stadt- und Land-
gebiets wie dem Pfarrer von Seehausen.
Die Entwicklung der Schulen war ein anderer Beschwerdepunkt. Nach Ansicht der Prediger wurden
Schule und Kirche mehr und mehr auseinandergerissen. Kritik übte das Ministerium zum einen an der
Personalpolitik des Rates beim Gymnasium und zum anderen an den Unterrichtsinhalten und den verwen-
deten Lehrbüchern357. Konkret ging es um die Berufung des Rektors ohne vorherige Konsultation des
Ministeriums und um die Stellung des Rektors innerhalb der Schule sowie um die nach Auffassung des
Ministeriums ungerechtfertigte Entlassung von Lehrern. Anlaß zur Klage bot dem Ministerium auch die
starke Zunahme privater Deutscher Schulen in Konkurrenz zu den Kirchspielschulen. Ebenfalls kritisiert
wurde der Gebrauch der Katechismen: War es beim Gymnasium die Befreiung einzelner Schüler vom
Erlernen des Heidelberger Katechismus, die das Mißfallen der Prediger erregte, ging es bei den Deutschen
Schulen um die Verwendung anderer Katechismen neben dem Pezelschen von 1582/83 (Nr. 20).
Weitere Gravamina betrafen die noch immer nicht abgeschlossene Säuberung der Pfarrkirchen von
Bildern und Altären358, das um sich greifende Fluchen und Gotteslästern und die Zunahme des Ehebruchs.
Das Hauptanliegen der Beschwerdeschrift betraf aber die voracht des Ministeriums und seiner Mitglieder.
Nicht umsonst nimmt dieser Punkt den breitesten Raum in der Schrift ein. Die Prediger meinten eine
zunehmende Geringschätzung des Ministeriums und der Geistlichen von seiten des Rates und der Bürger
beobachten zu können. Sie machten das u.a. an ihrem Ausschluß von Entscheidungen wie der Bestellung
der Kirchen- und Schuldiener, an der fehlenden Beteiligung bei der Prüfung der Gemeinden des Landge-
bietes359, aber auch an der Zurücksetzung bei öffentlichen Zusammenkünften wie Taufen, Hochzeiten und
Beerdigungen oder bei den Prozessionen des Rates fest. Das Ministerium hatte sogar den Eindruck gewon-
nen, daß die Ratsherren die Gesellschaft der Prediger scheuten.
Der Rat reagierte erst nach zwei Monaten auf die Beschwerdeschrift der Geistlichen. Am 24. März
bestellte er die Mitglieder des Ministeriums auf das Rathaus. In ihrer Antwort wiesen die Ratsherren in
einem teils brüsken Ton die Beschwerden des Ministeriums zurück. Den Mitgliedern des Ministeriums
hielten sie vor, in etzlichen sachen den privat afjecten etwas indulgieret, in etzlichen [...] dem erbarn rahde und
rahtspersonen dasjenige beygemeßen und widder sie geklaget, damit sie billich zu verschonen gewesen. Auch
gingen die Ratsherren nur auf einen Teil der Gravamina ein: Die Frage der Deutschen Schulen, die der
Säuberung der Kirchen und der Stipendien für die Gewinnung von kirchlichem Nachwuchs klammerten sie
aus. Lediglich in der Frage der privaten Abendmahlsfeiern zeigten sie ein gewisses Entgegenkommen und
versprachen, diese Feiern in Zukunft zu unterbinden. Den Vorwurf der Prediger, eine Trennung von Schule
und Kirche anzustreben, wies der Rat scharf zurück. Eine Mitwirkung des Ministeriums bei der Berufung
bzw. Entlassung von Lehrern lehnte er ab. Auch für eine Beteiligung der Geistlichen bei der Prüfung der
Kirchenrechnungen der Landpfarreien sah er keine Notwendigkeit.

355 Vgl. die Einleitungen zu Nr. 14 und 15.
356 Vgl. die Einleitung zu Nr. 18.
357 Zur Entwicklung des Bremer Gymnasiums Ende des

16. Jh. s. Entholt, Gymnasium, S. 7 und 15f.; Janse,
Gymnasium illustre, S. 36-39.
358 Vgl. Veeck, Geschichte der Reformierten Kirche, S. 34f.
359 Vgl. die Einleitungen zu Nr. 8 und Nr. 22.

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