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Άμφικτύονες (fr. 2)

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aus einem haploun stammenden Fragmente, die eine Anrede an das Publikum
enthalten: Eup. fr. 42,1 [Astrateutoi e Androgynoi] (ανδρες εταίροι, δεϋρ’ ήδη
τήν γνώμην προσίσχετε); wohl auch Philon. fr. 5 [Kothornoi] (hier werden
die Zuschauer u.a. als ,Megarier“ beschimpft) und Plat. fr. 184 [Hyperbolos]
(Metrum - eup oder 3ia - und entsprechende Zugehörigkeit zur Parabase
sind jedoch umstritten).
Die Alternative bildete ein epirrhematischer Agon, wobei die hierfür vor-
gebrachten Argumente deutlich schwächer ausfallen: weder die vermeint-
liche Ablösung der guten alten Erziehung durch die gegenwärtige (wie in Ar.
Nub. 1002-8) noch der zeitgenössische gerichtliche Kannibalismus‘ stellen
ein wirkliches Gegenbild zu den in fr. 1 geschilderten besseren Zeiten der
Vergangenheit dar (so hingegen Geizer 1960, 186, der an denselben epirrhe-
matischen Agon wie für fr. 1 denkt). Von noch größerer Inkonsistenz geriert
sich das zusätzliche Argument für die Zugehörigkeit von fr. 1 und fr. 2 zum
epirrhematischen Agon (jeweils am Anfang und am Ende desselben), es be-
stehe eine Analogie zwischen den dikai allelophagai des Telekleides und dem
hesiodischen Bild der,geschenkfressenden Könige“ (Hes. Op. 38-9 βασιλήας /
δωροφάγους, οϊ τήνδε δίκην έθέλουσι δικάσσαι) sowie der Sektion (225-37),
wo der Wohlstand bzw. der Ruin eines Staats von der Gerechtigkeit der Könige
abhängig ist (so Ceccarelli 1996,122, mit dieser Schlußfolgerung: „le theme de
l’abondance des biens doit etre mis en relation avec la description hesiodique
de la eite juste et ne represente pas une evasion hors de la eite“). Eine ähnlich
zweideutige Anrede ist in fr. 4 zu lesen, die ebenfalls aus der Parabase und
wohl aus unmittelbarer Nähe (Kommation) stammen dürfte.
Das Fragment reiht sich in diejenigen Aussagen ein, welche die φιλοδικία
der Athener brandmarken (der locus classicus ist Thuc. 177,1 παρ’ ήμϊν αύτοϊς
έν τοϊς όμοίοις νόμοις ποιήσαντες τάς κρίσεις φιλοδικεϊν δοκοϋμεν; zu den
streitsüchtigen Athenern vgl. Cataldi 1984, 77-113, Hornblower 1991, 122-3,
Todd 1993, 147-54, MacDowell 1995, 150-4, Christ 1998, 14-47. 72-117 und
Pellegrino 2010, 14-9). Daß die forensische Eifrigkeit der Athener etwas
Außerordentliches sei, behauptet auch der ,Alte Oligarch“ ([Xen.] Ath. pol.
3,2; vgl. Aristot. Ath. pol. 41,2). Etwa in Ar. Vesp. 650-1 bedauert Bdelykleon
die offenkundige Unmöglichkeit, diese alte, eingeborene Krankheit seiner
Mitbürger - die Prozeßsucht - heilen zu können (vgl. auch vv. 518. 619; in
Pac. 505 tun die Athener nichts anderes als zu Gericht zu sitzen); in Equ.
1317 empfindet die Stadt ,Freude“ über die Gerichtshöfe; in Nub. 206-8 ist
die Präsenz von Richtern gar auf einer geographischen Karte als wichtigstes
Kennzeichen der Stadt erkennbar; auf der Visitenkarte“ der Athener steht die
Prozeßsucht noch in Av. 39-41 (vgl. auch 108-10).
 
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