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Telekleides

wie folgt wiederhergestellt: γνώμας εύριπιδοσωκρατογόμφους „sententias
Euripidei Socratis clavo compactas“).155
Interpretation Sowohl die Euripides-Vita (Eur. test. AI 1A 9-12 Kn.) als auch
die Sokrates-Biographie des Diogenes Laertios (gleich zu Beginn) leiten aus
dem Telekleides-Fragment den Gedanken ab, Sokrates und Mnesilochos hätten
bei der Komposition seiner Tragödien mitgewirkt (das Verb für diese nicht
präziser definierbare Zusammenarbeit ist συμποιεϊν, zu dem vgl. hier unten).
Plagiatsvorwürfe begegnen in der Archaia häufig (über die Vorwürfe unter
Komikern - etwa Kratinos und Eupolis an den jungen Aristophanes - vgl.
Sonnino 1998 und, speziell zum Begriff der Zusammenarbeit“, Kyriakidi 2007,
154-71). So bezichtigt Kratinos den jüngeren Aristophanes der Euripides-
Imitation (wenn εύριπιδαριστοφανίζων in Cratin. fr. 342,2 darauf andeutet);
in Ar. Nub. 553-4 (Εύπολις μεν τον Μαρικάν πρώτιστον παρείλκυσεν /
έκστρέψας τούς ήμετέρους Ιππέας κακός κακώς) zeigt sich Aristophanes
ungehalten darüber, daß Eupolis im Marikas seine Ritter (schlecht) plagiiert
habe, worauf dieser einen ähnlichen Vorwurf erwidert (Eup. fr. 89 [Baptai] j"
κάκεϊνος j" τούς Ιππέας / ξυνεποίησα τώ φαλακρώ κάδωρησάμην; vgl. den
Zitatträger schol. Ar. Nub. 554a Εύπολις έν τοϊς Βάπταις τούναντίον φησίν,
δτι συνεποίησεν Άριστοφάνει τούς Ιππείς). Kaum ein bedeutender Name
unter den Komikern der Archaia wird nicht in eine Plagiatsaffäre involviert
(z.B. Ekphantides, Phrynichos, Hermippos). In Ar. Ran. 78-9 wird der Tragiker
lophon der Beihilfe durch seinen Vater Sophokles beschuldigt.
Ein erstes implizites Indiz für eine Affinität zwischen Sokrates und Euripides
läßt sich in Ar. Nub. 1371-8 erkennen: Strepsiades, einem Bewunderer des
Aischylos, der die Vorliebe seines Sohnes Pheidippides kritisiert, entgegnet der
sophistisch-sokratisch geschulte Sohn, Euripides sei der Beste (1377-8 ούκουν
δικαίως, δστις ούκ Εύριπίδην έπαινεϊς, / σοφώτατον;). In Ar. Ran. 1491-9
findet der Chor die ausführlichste Formulierung für das Verhältnis zwischen
Sokrates und Euripides, wobei das λαλεϊν (v. 1492; hier zu Ungunsten der
großen tragischen Kunst, bei der die Musik eine wesentliche Rolle spielt) das
unmittelbarste Kennzeichen ist (vgl. Arrighetti 1994). Die Bezeugungen über
dieses Verhältnis reichen vom Euripides-βίος des Satyros von Kallatis (Satyr.
Vit. Eur. F 6 fr. 38 col. IV. fr. 39 col. I, II Schorn) über Ailian, nach welchem des
Sokrates Theaterbesuche auf Euripides-Aufführungen beschränkt gewesen
seien, dessen σοφία und έν τοϊς μέτροις αρετή ,Tugend in Versmaßen“ ihn

155 Ernüchternd das Urteil über die ganze Frage in Kock 1219: „mihi haec quaestio non
videtur ad liquidum perduci posse“; Storey 1977, 266: „in an intriguing, if obscure,
reference (frr. 39-40), Euripides and Sokrates are linked in the writing of Euripides’
tragedies“.
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