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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2003 — 2004

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I. Das Geschäftsjahr 2003
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Wissenschaftliche Sitzungen
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Öffentliche Gesamtsitzung am 18. Oktober 2003 in Mannheim
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Grusswort des Präsidenten Peter Graf Kielmansegg
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https://doi.org/10.11588/diglit.67592#0073
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18. Oktober 2003

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hundertjährigen Interim in Heidelberg wieder zum Leben erweckt wurde. Mann-
heim kommt übrigens auch bei der Gründung der Heidelberger Akademie der Wis-
senschaften noch einmal ms Spiel, denn es war bekanntlich der Mannheimer Indu-
strielle und Mäzen Heinrich Lanz, dessen Stiftung die Gründung möglich machte.
Die kurpfälzische Akademie war in erster Lime dem Praktischen zugewandt,
das Stichwort Meteorologie etwa signalisiert es. Heute stehen die Akademien eher
in dem Ruf, die letzten Elfenbeintürme zu sein, sich auf Forschungen verlegt zu
haben, deren Nutzen niemandem außerhalb des engen Kreises der interessierten
Zünfte mehr einsichtig sei. Das zielt auf die geisteswissenschaftlichen Langzeitpro-
jekte. Sie werfen in der Tat keine Rendite ab. Aber wenn sie sich als wissenschaftlich
sinnvoll ausweisen können und die notwendigen Qualitätsprüfungen bestehen, dann
haben wir das Recht und die Pflicht, sie offensiv zu verteidigen. So gesehen sind die
Akademien der Wissenschaften geradezu Bastionen der Forschung, die nicht dem
Diktat der Verwertbarkeit unterstellt werden kann und darf.
Die Akademien sind freilich nicht nur das. Heute haben wir es mit einem
Sitzungsthema zu tun, dessen praktische Bedeutsamkeit leicht zu erkennen ist. Und
dieses Sitzungsthema ist nicht beliebig gegriffen, mit ihm wird eines der naturwis-
senschaftlichen Projekte der Akademie vorgestellt. In Karlsruhe ist eine Arbeitgrup-
pe der Akademie unter der Leitung von Herrn Wenzel mit der Erarbeitung der
World Stress Map, einer Spannungskarte der Erde, beschäftigt. Worum es dabei
genauer geht und worin die Bedeutsamkeit des Unternehmens liegt, werden Sie
gleich hören.
Aber bevor ich das Rednerpult an Herrn Wenzel abtrete, will ich eines noch
sagen: Es ist leider keine Selbstverständlichkeit mehr, daß auch die Naturwissen-
schaften an der Forschungsarbeit der Akademien beteiligt sind. Der Wissenschaftsrat
wird sich in absehbarer Zeit zu dieser Frage äußern. Wir sind auf sein Votum
gespannt. Natürlich kann man argumentieren, in einer dichten Landschaft großer
außeruniversitärer naturwissenschaftlicher Forschungseinrichtungen (die es in der
Geisteswissenschaft ähnlich nicht gibt) seien ein paar höchst bescheiden dimensio-
nierte naturwissenschaftliche Arbeitsstellen der Akademien bedeutungslos. Für die
Akademien sind sie es nicht. Die Präsenz aller Wissenschaften, das Gespräch zwischen
allen Wissenschaften ist die konstitutive Idee der Akademie. Akademien werden in
ihrem Kern beschädigt, wenn Naturwissenschaftler das Interesse an der Mitarbeit in
ihnen verlieren. Dieses Interesse speist sich, zumal bei den Jüngeren, gewiß nicht nur,
aber doch auch daraus, daß es jedenfalls Zellen naturwissenschaftlicher Forschung an
den Akademien gibt.
Ich habe in meinem ersten Satz vom Kirchenjahr und seinen großen Festen
gesprochen. In meinem letzten gestehe ich em, daß ich damit, was die heutige Ver-
anstaltung angeht, vielleicht etwas zu hoch gegriffen habe. Aber was immer von die-
sem Vergleich übrig bleibt: Feste werden erst dadurch festlich, daß Gäste erscheinen.
Ich möchte deshalb unsere Gäste, zumal meine Mannheimer Kolleginnen und Kol-
legen, noch einmal sehr herzlich willkommen heißen, ohne zu vergessen, daß wir
heute nicht nur Gäste haben, sondern — das ist die andere Seite der Besonderheit die-
ses Tages — auch Gäste sind.
 
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