98 | SITZUNGEN
gen eine Hinwendung zur Fläche, zum Linearen und Einfachen. Im Jugendstil wird
der Illusionswert ähnlich zurückgesetzt, wie in den ravennatischen Mosaiken, in
denen jetzt Gustav Klimt eine antike Vorläuferschaft findet. Die Nachträglichkeit
ließe sich als kunstgeschichtlicher Mechanismus verallgemeinern. Jeder neue Stil ist
„Renaissance“; er bestätigt sich dadurch, dass sich in ihm em alter Stil wiederent-
deckt. In Gestalt eines „deja vu“ wird das Neue verarbeitet als Glied einer Kette von
Bildreferenzen.
4. Das System Kunst als Bedingung für Bildwissenschaft
Em Bild referiert ein Bild: Diese Tauthologie hat bildwissenschafthche Konsequen-
zen. Dass ein Bild eine Person, einen Sachverhalt, eine Idee „repräsentiert“, ist immer
nur die eine, die bildpragmatische Seite der Wahrnehmung. Daneben ist das Bild
eikon, ein in sich geschlossenes Konstrukt, das in erster Lime sich selber gleicht. Dies
fuhrt abschließend zu einem kleinen Exkurs in die Systemtheorie nach Niklas Luh-
mann, sowie zum Begriff der Autopoiesis, übernommen vom Biochemiker und Zel-
lenforscher Humberto Maturana. Autopoietische Systeme der „Selbsterzeugung“
haben stets eine Vorentwicklung, bevor sie zur Selbstreferenz sich schließen, das heißt
autonom werden. Dabei hat das System die Tendenz, seine Vorgeschichte als eigene
Geschichte anzunehmen: etwa wenn wir Kunsthistoriker von der „Kunst der Roma-
nik“ sprechen, obwohl unser Kunstbegriff, den wir konventionellerweise gebrau-
chen, kaum 200 Jahre alt ist. Bildwissenschaft ist nur möglich vor dem wissensge-
schichtlichen Hintergrund eines voll ausgebildeten autopoietischen Kunstsystems.
Gesamtsitzung am 13. Dezember 2003
GESCHÄFTSSITZUNG
1. Der Präsident berichtet:
— Eine Empfehlung des Wissenschaftsrates zum Thema Nationalakademie werde
voraussichtlich in der Januarsitzung des Wissenschaftsrates verabschiedet. Es sei
damit zu rechnen, daß der Wissenschaftsrat die Einrichtung einer nationalen
Akademie der Wissenschaften vorschlagen werde. Die bestehenden Akademien
würden in diesem Konzept voraussichthch keine konstitutive Rolle spielen.
- Gleichzeitig erweitere sich die Leopoldina durch die Gründung einer kultur-
wissenschaftlichen Klasse. Vier Gründungsmitglieder seien bereits berufen.
Die Akademienlandschaft werde also eine andere werden. Der Präsident betont,
daß die Heidelberger Akademie sich in dieser anderen Landschaft nur werde
behaupten können, wenn sich mehr Mitglieder mit der Akademie sichtbar
identifizierten und gelegentlich auch Aufgaben für sie übernähmen.
gen eine Hinwendung zur Fläche, zum Linearen und Einfachen. Im Jugendstil wird
der Illusionswert ähnlich zurückgesetzt, wie in den ravennatischen Mosaiken, in
denen jetzt Gustav Klimt eine antike Vorläuferschaft findet. Die Nachträglichkeit
ließe sich als kunstgeschichtlicher Mechanismus verallgemeinern. Jeder neue Stil ist
„Renaissance“; er bestätigt sich dadurch, dass sich in ihm em alter Stil wiederent-
deckt. In Gestalt eines „deja vu“ wird das Neue verarbeitet als Glied einer Kette von
Bildreferenzen.
4. Das System Kunst als Bedingung für Bildwissenschaft
Em Bild referiert ein Bild: Diese Tauthologie hat bildwissenschafthche Konsequen-
zen. Dass ein Bild eine Person, einen Sachverhalt, eine Idee „repräsentiert“, ist immer
nur die eine, die bildpragmatische Seite der Wahrnehmung. Daneben ist das Bild
eikon, ein in sich geschlossenes Konstrukt, das in erster Lime sich selber gleicht. Dies
fuhrt abschließend zu einem kleinen Exkurs in die Systemtheorie nach Niklas Luh-
mann, sowie zum Begriff der Autopoiesis, übernommen vom Biochemiker und Zel-
lenforscher Humberto Maturana. Autopoietische Systeme der „Selbsterzeugung“
haben stets eine Vorentwicklung, bevor sie zur Selbstreferenz sich schließen, das heißt
autonom werden. Dabei hat das System die Tendenz, seine Vorgeschichte als eigene
Geschichte anzunehmen: etwa wenn wir Kunsthistoriker von der „Kunst der Roma-
nik“ sprechen, obwohl unser Kunstbegriff, den wir konventionellerweise gebrau-
chen, kaum 200 Jahre alt ist. Bildwissenschaft ist nur möglich vor dem wissensge-
schichtlichen Hintergrund eines voll ausgebildeten autopoietischen Kunstsystems.
Gesamtsitzung am 13. Dezember 2003
GESCHÄFTSSITZUNG
1. Der Präsident berichtet:
— Eine Empfehlung des Wissenschaftsrates zum Thema Nationalakademie werde
voraussichtlich in der Januarsitzung des Wissenschaftsrates verabschiedet. Es sei
damit zu rechnen, daß der Wissenschaftsrat die Einrichtung einer nationalen
Akademie der Wissenschaften vorschlagen werde. Die bestehenden Akademien
würden in diesem Konzept voraussichthch keine konstitutive Rolle spielen.
- Gleichzeitig erweitere sich die Leopoldina durch die Gründung einer kultur-
wissenschaftlichen Klasse. Vier Gründungsmitglieder seien bereits berufen.
Die Akademienlandschaft werde also eine andere werden. Der Präsident betont,
daß die Heidelberger Akademie sich in dieser anderen Landschaft nur werde
behaupten können, wenn sich mehr Mitglieder mit der Akademie sichtbar
identifizierten und gelegentlich auch Aufgaben für sie übernähmen.