110 | ÖFFENTLICHE VERANSTALTUNGEN
Beratung ihre Entscheidungsautonomie behält, wie umgekehrt sicherzustellen bleibt,
daß die Wissenschaft vor einer Instrumentalisierung durch die Interessen der Politik
geschützt wird.
Das Diskurs-Spektrum der Konferenz war breit angelegt. Am ersten Tag wur-
den folgende Vorträge diskutiert: „Was erwartet die Politik von der Wissenschaft?“
(Kurt Biedenkopf) „Möglichkeiten und Grenzen naturwissenschaftlicher Politikbe-
ratung“ (Klaus Pinkau) sowie korrespondierend „Möglichkeiten und Grenzen
sozialwissenschaftlicher Politikberatung“ (Ortwin Renn). Am zweiten Tag folgten
die Plenen und Foren: „Wissen und Entscheidung“ (Moderation Peter Weingart),
„Die Organisation wissenschaftlicher Politikberatung in Deutschland“ (Moderation
Renate Mayntz), „Beratung und Interesse“ (Moderation Helmut Hesse), „Das Drei-
eck Politik — Wissenschaft — Öffentlichkeit“ (Moderation: Friedhelm Neidhardt),
„Erfahrungen aus der Praxis wissenschaftlicher Politikberatung: Beispiel Energiever-
sorgung und Energiewirtschaft“ (Moderation: Alfred Voß). Den Abschluß der Kon-
ferenz bildete der Vortrag „Funding pnonties and external advice — a perspective on
U.S. Science and technology“ (Neal F. Lane) sowie die Podiumsdiskussion „Die
Zukunft der Politikberatung in Deutschland“ (Leitung Peter Graf Kielmansegg).
In seinem die Konferenz eröffnenden Grußwort wies Gisbert Freiherr zu Put-
litz, Präsident der gastgebenden Heidelberger Akademie, darauf hm, daß die gegen-
wärtige Organisation der deutschen Politikberatung im Vergleich zu anderen Indu-
strienationen augenfällig defizitär sei: „In Deutschland steht es mit der Politikbera-
tung durch Wissenschaft nicht zum Besten. Gründe hierfür mögen in der föderalen
Struktur und Kulturhoheit der Länder liegen, möglicherweise aber auch im Fehlen
einer entsprechenden Organisation auf Bundesebene. Was wir brauchen, ist eine
unabhängige Politikberatung, unabhängig vom Parteiensystem, wie sie beispielswei-
se in den USA über den National Research Council und die überaus mächtige und
kompetente National Academy of Sciences praktiziert wird.“
Daß mit dieser Diskussion gleichwohl ein weites und allzumal heikles Feld
betreten ist, machte Gastreferent Kurt Biedenkopf deutlich. Der Professor der
Rechtswissenschaften und frühere Geschäftsführer der Henkel GmbH war lange
Jahre auf der politischen Bühne aktiv. Als ehemaliger Ministerpräsident des Freistaa-
tes Sachsen ist er mit den problematischen Entscheidungsprozessen der vielfältigen
Gremien intensiv vertraut, kennt damit das Problem der Politikberatung von beiden
Seiten des Zauns. Unverblümt stellte er jenen altbekannten Konflikt von Erkennt-
nisneutralität und Machtstruktur heraus: „Es herrscht eine globale Erkenntnisresi-
stenz immer dann vor, wenn das Ergebnis der wissenschaftlichen Beratung die Basis
Macht ausübender Strukturen gefährdet. Die Politik läßt ihren Entscheidungen hier
nicht ohne weiteres von außen einen Legitimationszwang aufbürden.“
Doch sei es ebenso wenig legitim, als politisch Verantwortliche allein die
öffentlichen Entscheidungsträger im engeren Sinne zu benennen. Nicht nur Beruf-
spolitiker und Bürokratien wären ins Auge zu fassen, sondern auch große gesell-
schaftliche Organisationen seien mittlerweile so intensiv mit der Politik vermengt,
dass klare Verantwortungsstrukturen längst nicht mehr geortet werden könnten. So
wie der Wissenschaft aus ihrer sachlichen Unabhängigkeit geradezu politische Bera-
Beratung ihre Entscheidungsautonomie behält, wie umgekehrt sicherzustellen bleibt,
daß die Wissenschaft vor einer Instrumentalisierung durch die Interessen der Politik
geschützt wird.
Das Diskurs-Spektrum der Konferenz war breit angelegt. Am ersten Tag wur-
den folgende Vorträge diskutiert: „Was erwartet die Politik von der Wissenschaft?“
(Kurt Biedenkopf) „Möglichkeiten und Grenzen naturwissenschaftlicher Politikbe-
ratung“ (Klaus Pinkau) sowie korrespondierend „Möglichkeiten und Grenzen
sozialwissenschaftlicher Politikberatung“ (Ortwin Renn). Am zweiten Tag folgten
die Plenen und Foren: „Wissen und Entscheidung“ (Moderation Peter Weingart),
„Die Organisation wissenschaftlicher Politikberatung in Deutschland“ (Moderation
Renate Mayntz), „Beratung und Interesse“ (Moderation Helmut Hesse), „Das Drei-
eck Politik — Wissenschaft — Öffentlichkeit“ (Moderation: Friedhelm Neidhardt),
„Erfahrungen aus der Praxis wissenschaftlicher Politikberatung: Beispiel Energiever-
sorgung und Energiewirtschaft“ (Moderation: Alfred Voß). Den Abschluß der Kon-
ferenz bildete der Vortrag „Funding pnonties and external advice — a perspective on
U.S. Science and technology“ (Neal F. Lane) sowie die Podiumsdiskussion „Die
Zukunft der Politikberatung in Deutschland“ (Leitung Peter Graf Kielmansegg).
In seinem die Konferenz eröffnenden Grußwort wies Gisbert Freiherr zu Put-
litz, Präsident der gastgebenden Heidelberger Akademie, darauf hm, daß die gegen-
wärtige Organisation der deutschen Politikberatung im Vergleich zu anderen Indu-
strienationen augenfällig defizitär sei: „In Deutschland steht es mit der Politikbera-
tung durch Wissenschaft nicht zum Besten. Gründe hierfür mögen in der föderalen
Struktur und Kulturhoheit der Länder liegen, möglicherweise aber auch im Fehlen
einer entsprechenden Organisation auf Bundesebene. Was wir brauchen, ist eine
unabhängige Politikberatung, unabhängig vom Parteiensystem, wie sie beispielswei-
se in den USA über den National Research Council und die überaus mächtige und
kompetente National Academy of Sciences praktiziert wird.“
Daß mit dieser Diskussion gleichwohl ein weites und allzumal heikles Feld
betreten ist, machte Gastreferent Kurt Biedenkopf deutlich. Der Professor der
Rechtswissenschaften und frühere Geschäftsführer der Henkel GmbH war lange
Jahre auf der politischen Bühne aktiv. Als ehemaliger Ministerpräsident des Freistaa-
tes Sachsen ist er mit den problematischen Entscheidungsprozessen der vielfältigen
Gremien intensiv vertraut, kennt damit das Problem der Politikberatung von beiden
Seiten des Zauns. Unverblümt stellte er jenen altbekannten Konflikt von Erkennt-
nisneutralität und Machtstruktur heraus: „Es herrscht eine globale Erkenntnisresi-
stenz immer dann vor, wenn das Ergebnis der wissenschaftlichen Beratung die Basis
Macht ausübender Strukturen gefährdet. Die Politik läßt ihren Entscheidungen hier
nicht ohne weiteres von außen einen Legitimationszwang aufbürden.“
Doch sei es ebenso wenig legitim, als politisch Verantwortliche allein die
öffentlichen Entscheidungsträger im engeren Sinne zu benennen. Nicht nur Beruf-
spolitiker und Bürokratien wären ins Auge zu fassen, sondern auch große gesell-
schaftliche Organisationen seien mittlerweile so intensiv mit der Politik vermengt,
dass klare Verantwortungsstrukturen längst nicht mehr geortet werden könnten. So
wie der Wissenschaft aus ihrer sachlichen Unabhängigkeit geradezu politische Bera-