Hermann Hahn
125
Antrittsrede von Herrn HERMANN HAHN
an der Heidelberger Akademie der Wissenschaften vom 10. Mai 2003.
Beginnen möchte ich mit einem knappen, aber nach-
drücklichen Dank an Sie, dass Sie mich in Ihre Runde
aufgenommen haben. Ich freue mich auf die sicherlich
herausfordernden Vorlesungen und Diskussionen und
hoffe, dass auch ich ein wenig beitragen kann zu einer
„Pflege der Wissenschaft, zu einer Erweiterung der
Wissenschaft und zu einer Anregung wissenschaftlicher
Unternehmungen“ (Satzungszitat!).
Bei der Aufforderung sich kurz vorzustellen
kommt man auch nicht darum herum,Vollbrachtes und
Nichtgetanes anzusprechen. Um die sich dann viel-
leicht einstellende Ernsthaftigkeit em wenig zu relati-
vieren, möchte ich folgende Anekdote erzählen: Ein von mir sehr geschätzter Kolle-
ge feierte einen wichtigen Geburtstag und ich erlebte seine Begrüßungsworte, weil
ich zu spät kam, nur stehend im Treppenhaus. Die Worte, die ich mitbekam, erstaun-
ten mich, denn der sonst so selbstkritische Mann sprach von großen juristischen
Entscheidungen, an denen er beteiligt war, alles sehr wichtige Ereignisse unserer
jüngsten Geschichte. Und ich dachte bei mir, dass er nun wirklich alt geworden sei
und begonnen habe sich selbst zu zelebrieren. Und erst am Schluss kam’s: „Liebe
Freunde, alle diese großen Prozesse (er war nämlich Rechtsanwalt) habe ich verlo-
ren“. Mit diesem Hinweis möchte ich alles, was möglicherweise zu großartig klingt,
mit einem Fragezeichen versehen.
Was Sie interessieren könnte, möchte ich in drei knappen Abschnitten berich-
ten: wo ich herkomme, falls man das nicht schon hört {also meine Herkunft'), warum
ich em Bauingenieur oder genauer gesagt em Umweltingenieur wurde {also mein
Werdegang) und schließlich, was mich heute umtreibt {also meine gegenwärtige Tätig-
keit).
Mit diesem Dialektausdruck „umtreiben“ sind wir schon beim ersten
Abschnitt, meiner Herkunft. Ich bin im südwestlichsten Teil Bayerns, in Immenstadt
im Allgäu, geboren, dem Allgäu, das erst durch Napoleon von Vorarlberg zu Bayern
kam und von diesem lange nicht registriert wurde. Beide Eltern sind nicht von dort,
der Vater aus Dresden, die Mutter aus Berlin. Sie haben sich beide als Jugendliche von
ihrem Zuhause sehr entschieden verabschiedet, trafen sich durch Zufall im Allgäu
und definierten sich von da an als Allgäuer. Warum ich dies erzähle? Weil ich in der
Nachkriegszeit, als es Dresden fast nicht mehr gab und Berlin unerreichbar schien,
froh war, mich als Allgäuer bezeichnen zu können1. Bis heute habe ich allerdings für
Erst sehr viel später habe ich von den Vorfahren mütterlicherseits etwas mehr erfahren; von den-
jenigen der Vaterseite hörte ich kaum etwas, da der Vater sehr früh im Krieg gefallen war und von
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Antrittsrede von Herrn HERMANN HAHN
an der Heidelberger Akademie der Wissenschaften vom 10. Mai 2003.
Beginnen möchte ich mit einem knappen, aber nach-
drücklichen Dank an Sie, dass Sie mich in Ihre Runde
aufgenommen haben. Ich freue mich auf die sicherlich
herausfordernden Vorlesungen und Diskussionen und
hoffe, dass auch ich ein wenig beitragen kann zu einer
„Pflege der Wissenschaft, zu einer Erweiterung der
Wissenschaft und zu einer Anregung wissenschaftlicher
Unternehmungen“ (Satzungszitat!).
Bei der Aufforderung sich kurz vorzustellen
kommt man auch nicht darum herum,Vollbrachtes und
Nichtgetanes anzusprechen. Um die sich dann viel-
leicht einstellende Ernsthaftigkeit em wenig zu relati-
vieren, möchte ich folgende Anekdote erzählen: Ein von mir sehr geschätzter Kolle-
ge feierte einen wichtigen Geburtstag und ich erlebte seine Begrüßungsworte, weil
ich zu spät kam, nur stehend im Treppenhaus. Die Worte, die ich mitbekam, erstaun-
ten mich, denn der sonst so selbstkritische Mann sprach von großen juristischen
Entscheidungen, an denen er beteiligt war, alles sehr wichtige Ereignisse unserer
jüngsten Geschichte. Und ich dachte bei mir, dass er nun wirklich alt geworden sei
und begonnen habe sich selbst zu zelebrieren. Und erst am Schluss kam’s: „Liebe
Freunde, alle diese großen Prozesse (er war nämlich Rechtsanwalt) habe ich verlo-
ren“. Mit diesem Hinweis möchte ich alles, was möglicherweise zu großartig klingt,
mit einem Fragezeichen versehen.
Was Sie interessieren könnte, möchte ich in drei knappen Abschnitten berich-
ten: wo ich herkomme, falls man das nicht schon hört {also meine Herkunft'), warum
ich em Bauingenieur oder genauer gesagt em Umweltingenieur wurde {also mein
Werdegang) und schließlich, was mich heute umtreibt {also meine gegenwärtige Tätig-
keit).
Mit diesem Dialektausdruck „umtreiben“ sind wir schon beim ersten
Abschnitt, meiner Herkunft. Ich bin im südwestlichsten Teil Bayerns, in Immenstadt
im Allgäu, geboren, dem Allgäu, das erst durch Napoleon von Vorarlberg zu Bayern
kam und von diesem lange nicht registriert wurde. Beide Eltern sind nicht von dort,
der Vater aus Dresden, die Mutter aus Berlin. Sie haben sich beide als Jugendliche von
ihrem Zuhause sehr entschieden verabschiedet, trafen sich durch Zufall im Allgäu
und definierten sich von da an als Allgäuer. Warum ich dies erzähle? Weil ich in der
Nachkriegszeit, als es Dresden fast nicht mehr gab und Berlin unerreichbar schien,
froh war, mich als Allgäuer bezeichnen zu können1. Bis heute habe ich allerdings für
Erst sehr viel später habe ich von den Vorfahren mütterlicherseits etwas mehr erfahren; von den-
jenigen der Vaterseite hörte ich kaum etwas, da der Vater sehr früh im Krieg gefallen war und von