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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2003 — 2004

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I. Das Geschäftsjahr 2003
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Antrittsreden
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Esser, Hartmut: Antrittsrede vom 13. Dezember 2003
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https://doi.org/10.11588/diglit.67592#0142
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ANTRITTSREDEN

licht hatte, kam wohl der Gedanke auf, an mich als Nachfolger von Hans Albert auf
dessen Lehrstuhl für Soziologie und Wissenschaftslehre zu denken. Mir war das zuvor
immer als em eigentlich undenkbarer Traum erschienen: die Kombination von
Methodologie, Soziologie und empirischen Methoden, konkret angewandt auf spe-
zielle Anwendungsfelder, und das in einer akademischen Umgebung, die, so dachte
ich damals und auch noch heute, zu den Schlechtesten nicht zählt, sowie als Nach-
folger von Hans Albert, in dem ich immer einen der Hauptrepräsentanten jener als
„physique social“ verstandenen kritisch-rationalen Soziologie gesehen habe, dessen
Geist die inzwischen verstreute und teilweise nach Mannheim verlagerte Kölner
Schule durchzog und der mir dort wenigstens gelegentlich auch in linguistischer
Hinsicht Heimatgefühle vermitteln konnte.
Seit 1991 habe ich nunmehr den Lehrstuhl für Soziologie und Wissenschafts-
lehre an der Fakultät für Sozialwissenschaften in Mannheim inne, und das trotz eini-
ger z.T. nachdrücklicher Versuche von außen, dies zu ändern, und an der Einschät-
zung hat sich im Grundsatz auch nicht viel geändert. Das hat auch damit zu tun, dass
das anfangs immer nur vage angedachte Vorhaben der Codifizierung einer soziolo-
gischen Methodologie, die die verschiedenen Ansätze in ein übergreifendes Modell
integriert und dabei, so weit das geht, die üblichen Einseitigkeiten vermeidet, inzwi-
schen für mich als Projekt abgeschlossen, wenngleich als Problem sicher nicht been-
det ist. In Köln musste ich zum ersten Mal eine Einführungsveranstaltung in die
Allgemeine Soziologie geben, und von dort aus begann die Konkretisierung des
Unternehmens. 1993 erschien ein erster Band mit dem Titel „Soziologie. Allgemei-
ne Grundlagen“ und dann, nach längeren Vorarbeiten, zwischen 1999 bis 2001 wei-
tere sechs Bände unter dem Titel „Soziologie. Spezielle Grundlagen“. Herausge-
kommen ist ein Konzept, das ich inzwischen mit anderen als „Erklärende Soziolo-
gie“ bezeichne und das, auf den Schultern einiger wirklicher Riesen stehend, an
Vorstellungen einer verstehend-erklärenden Situationslogik anschließt, wie sie etwa
bei Alexis de Tocqueville, Karl Marx, Max Weber oder Karl R. Popper zu finden sind.
Aktuell ist das Konzept mit Namen wie Raymond Boudon oder John Goldthorpe
verbunden, und der kürzlich verstorbene Robert K. Merton hat sich mit ihm sehr
identifiziert. Ein solches Unternehmen kann man natürlich nicht planen, und ich
weiß jetzt ziemlich genau, was „Pfadabhängigkeit“ bedeutet. Was nach außen als
langer Atem erschienen sein mag, war nichts weiter als ein so nicht intendiertes
Nebenprodukt einer Reihe von eher unkontrollierbaren Umständen, die einerseits
eine allzu hastige Herausgabe von Teilen verhinderten und es andererseits aber
erlaubten, immer wieder die Einzelheiten in den gedachten Rahmen einzuordnen,
noch einmal zu überdenken und die erst nach und nach erkennbaren Neben-
und Umwege auch wirklich zu gehen. Ich verrate hier nicht, was das für Gelegen-
heiten waren, jedenfalls Freisemester oder dergleichen waren es nicht. Ganz im
Gegenteil.
Die ehrenvolle Berufung in die Heidelberger Akademie sehe ich auch als eine
Gelegenheit, diese Konzeption einer integrativen Sozialwissenschaft in einem sicher
auch herausfordernden Rahmen anderer Ansichten zu erproben, an Beispielen zu
erläutern und zur Diskussion zu stellen. Und darauf freue ich mich schon.
 
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