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FESTAKT
Erstens sollten wir nochmals über Freiheit als eine Grundbedingung akademi-
schen Daseins eines Studenten wie eines Hochschullehrers nachdenken. Natürlich
machen sie — beide wohlgemerkt! — nicht immer nur besten Gebrauch von ihr.
Natürlich bedeutet akademische Freiheit nicht, zu spät zur Vorlesung zu kommen.
Natürlich kommt bei manchen nur viel heiße Luft, wo neue Forschungsergebnisse
erwartet werden dürfen. Aber machen wir uns nichts vor: daß es dies auch gibt
(wogegen der Präsident jeder Einrichtung deshalb immer ankämpfen muss!) ist der
Preis für die Mehrzahl derer, denen erst die Luft der Freiheit den Geist atmen lässt,
der Wissenschaft wirklich durchdringen sollte. Wer aus Angst vor Missbrauch alle
einsperren möchte, wird eben auch die Vorteile der Freiheit nicht ernten können.
Freiheit des Suchens nach neuen Erklärungen (also des Forschens) gehört genauso
dazu, wie jene des Sagens, des öffentlichen Bekanntmachens seiner Erkenntnisse
durch deren rückhaltlose, ungeschminkte Publikation. Dies kann mancher privati-
sierbaren, patentierbaren, lizenzierbaren, oft militärischen, selbst urheberrechtlichen
Nutzung entgegenstehen — sei’s drum: eine Hochschule wäre keine, ein Max-
Planck-Institut wäre keines, das auf den Anspruch an Freiheit — des schnöden
Gewinnes wegen — verzichtete. Das mag den — privaten — Nutzen der Wissenschaft
einschränken, es ist aber die Voraussetzung größeren öffentlichen Nutzens für das all-
gemeine Wohl!
Zweitens müssen wir noch einmal genau ins Auge fassen, was wissenschaftliche
Lehre wirklich im Kern bedeutet. Es muss forschende Lehre sein, wie ich schon
sagte, die den Geist, den Horizont zu Neuem öffnet, während sie das bekannte Wis-
sen vermittelt (was sie selbstverständlich auch tun muß!). Sie lehrt kritisch zu den-
ken, begründet zu zweifeln, durch Argumente und Tatsachen überzeugt zu bejahen
und dabei sorgfältig, methodisch — mit den besten verfügbaren Methoden — vorzu-
gehen. Die Bildung, die dadurch bewirkt wird, ist kein Anspruch einer Generation
an die vorhergehende, sondern eine ertüchtigende Anstrengung jedes Einzelnen.
Nicht die Produktion von etwas ist ihr Ziel, nicht die Begründung eines Unterneh-
mens ihr Leitstern: sondern sie lehrt, frei zu denken — so nützlich oder unnütz das
auch sein mag. Sie macht junge (und ältere!) Menschen nicht zuerst besser manipu-
lierbar, also handhabbar, sondern nachdenklicher, nicht immer fügsamer, sondern
manchmal auch sperriger, aber nicht nur vorübergehend nützlich, sondern auf Dauer
notwendig. Ist das wirklich jedem Firmenchef und Behördenleiter immer genehm
und bequem? Aber kann eine Gesellschaft anders erfolgreich sein?
Drittens muss ein akademisches System in Lehre und Forschung nach interna-
tionaler, heute wirklich globaler Exzellenz streben; tut es das nicht, können sie es ver-
gessen. Aber vergessen Sie nie, was schon Aristoteles dazu gesagt hat: Exzellenz ist
keine einmalige Tat, es ist eine Gewohnheit — also eine Haltung! Das erfordert welt-
weite Offenheit und bedeutende, auch finanzielle Anstrengungen. Freilich kostet
einem das auch manchen guten Kopf, um den man sich sehr bemüht hat. Aber
anders ist Elite einmal nicht zu haben, allenfalls eine scheinbare Elite, die zuhause
schnell versauert. Auch dies treibt das frische Wasser nicht immer auf jene Mühlen,
die man gerne klappern lassen möchte: jede Nation muss dabei um ihren Vorteil rin-
gen, eine Planwirtschaft der Talente führt nicht zum Erfolg.
FESTAKT
Erstens sollten wir nochmals über Freiheit als eine Grundbedingung akademi-
schen Daseins eines Studenten wie eines Hochschullehrers nachdenken. Natürlich
machen sie — beide wohlgemerkt! — nicht immer nur besten Gebrauch von ihr.
Natürlich bedeutet akademische Freiheit nicht, zu spät zur Vorlesung zu kommen.
Natürlich kommt bei manchen nur viel heiße Luft, wo neue Forschungsergebnisse
erwartet werden dürfen. Aber machen wir uns nichts vor: daß es dies auch gibt
(wogegen der Präsident jeder Einrichtung deshalb immer ankämpfen muss!) ist der
Preis für die Mehrzahl derer, denen erst die Luft der Freiheit den Geist atmen lässt,
der Wissenschaft wirklich durchdringen sollte. Wer aus Angst vor Missbrauch alle
einsperren möchte, wird eben auch die Vorteile der Freiheit nicht ernten können.
Freiheit des Suchens nach neuen Erklärungen (also des Forschens) gehört genauso
dazu, wie jene des Sagens, des öffentlichen Bekanntmachens seiner Erkenntnisse
durch deren rückhaltlose, ungeschminkte Publikation. Dies kann mancher privati-
sierbaren, patentierbaren, lizenzierbaren, oft militärischen, selbst urheberrechtlichen
Nutzung entgegenstehen — sei’s drum: eine Hochschule wäre keine, ein Max-
Planck-Institut wäre keines, das auf den Anspruch an Freiheit — des schnöden
Gewinnes wegen — verzichtete. Das mag den — privaten — Nutzen der Wissenschaft
einschränken, es ist aber die Voraussetzung größeren öffentlichen Nutzens für das all-
gemeine Wohl!
Zweitens müssen wir noch einmal genau ins Auge fassen, was wissenschaftliche
Lehre wirklich im Kern bedeutet. Es muss forschende Lehre sein, wie ich schon
sagte, die den Geist, den Horizont zu Neuem öffnet, während sie das bekannte Wis-
sen vermittelt (was sie selbstverständlich auch tun muß!). Sie lehrt kritisch zu den-
ken, begründet zu zweifeln, durch Argumente und Tatsachen überzeugt zu bejahen
und dabei sorgfältig, methodisch — mit den besten verfügbaren Methoden — vorzu-
gehen. Die Bildung, die dadurch bewirkt wird, ist kein Anspruch einer Generation
an die vorhergehende, sondern eine ertüchtigende Anstrengung jedes Einzelnen.
Nicht die Produktion von etwas ist ihr Ziel, nicht die Begründung eines Unterneh-
mens ihr Leitstern: sondern sie lehrt, frei zu denken — so nützlich oder unnütz das
auch sein mag. Sie macht junge (und ältere!) Menschen nicht zuerst besser manipu-
lierbar, also handhabbar, sondern nachdenklicher, nicht immer fügsamer, sondern
manchmal auch sperriger, aber nicht nur vorübergehend nützlich, sondern auf Dauer
notwendig. Ist das wirklich jedem Firmenchef und Behördenleiter immer genehm
und bequem? Aber kann eine Gesellschaft anders erfolgreich sein?
Drittens muss ein akademisches System in Lehre und Forschung nach interna-
tionaler, heute wirklich globaler Exzellenz streben; tut es das nicht, können sie es ver-
gessen. Aber vergessen Sie nie, was schon Aristoteles dazu gesagt hat: Exzellenz ist
keine einmalige Tat, es ist eine Gewohnheit — also eine Haltung! Das erfordert welt-
weite Offenheit und bedeutende, auch finanzielle Anstrengungen. Freilich kostet
einem das auch manchen guten Kopf, um den man sich sehr bemüht hat. Aber
anders ist Elite einmal nicht zu haben, allenfalls eine scheinbare Elite, die zuhause
schnell versauert. Auch dies treibt das frische Wasser nicht immer auf jene Mühlen,
die man gerne klappern lassen möchte: jede Nation muss dabei um ihren Vorteil rin-
gen, eine Planwirtschaft der Talente führt nicht zum Erfolg.