130
SITZUNGEN
seiner selbst, als es sich nicht in der Gestalt eines unhintergehbar anderen seinesglei-
chen (einer Person gleichen Ranges) aus den Details seines Wahrnehmungsfeldes
entgegentritt, und dies sogar, wenn Hegel recht hat, in einem Kampf um Anerken-
nung auf Leben und Tod. Erst wenn Aspekte meines Wahrnehmungsfeldes mich in
dieser Härte um Anerkennung als meinesgleichen angehen und ich die Anerkennung
sowohl gewähre wie auch im Gegenzug meinerseits erhalte, gewinne ich angemes-
sene Begriffe von Subjektivität, Intersubjektivität und Objektivität, und zwar in
einem Zuge. (Es versteht sich, daß noch vieles darüber zu sagen wäre. Insbesondere
müßte die Defizienz der schwachen Objektivität — sowie die Weise der Abhilfe durch
starke, unhintergehbare Alterität und Intersubjektivität - präzise gefaßt und sorgfäl-
tig ausgewiesen werden.)
Die begriffliche Verflechtung von Objektivität und Intersubjektivität spiegelt
sich im Verhältnis des Handelns überhaupt zum kommunikativen Handeln. Im Han-
deln überhaupt hantiere ich zweckrational mit Objekten, darunter solchen „Objek-
ten“, die meinesgleichen, also Personen sind, und bemühe mich in zugeordneter
theoretischer Aktivität um Erklärungen und Prognosen ihres Verhaltens. In kommu-
nikativem Handeln erkenne ich Personen, mich über alle unaufhebbaren Differen-
zen der Perspektive hinweg in ihre jeweilige Lage versetzend, als meinesgleichen an
und bemühe mich in zugeordneter theoretischer Aktivität, ihre Äußerungen und
Mitteilungen zu verstehen — was im häuslichen Fall meiner lokalen Sprachgemein-
schaft trivial und im Fall der Urübersetzung einer bis dato unbekannten Sprache
mühsam sein wird.
Kommunikatives Handeln fundiert insofern die Faustregeln, mittels deren wir,
da exakte Transformationsgleichungen hier prinzipiell nicht zu haben sind, verschie-
dene personale Perspektiven aufeinander abbilden und uns ungefähr an die Stelle
einer anderen Person versetzen können. Im kommunikativen Handeln liegt der
Grund der Nichtreduzierbarkeit der besonderen theoretischen Tätigkeit des Über-
setzens und Interpretierens — deren raison d’etre gerade das Verstehen, die Kommu-
nikation ist — auf die allgemeine theoretische Tätigkeit des Erklärens und Vorhersa-
gens, die als eine Form rein zweckrationalen Handelns aufgefaßt werden mag.1
Kommunikatives Handeln ist die Basis aller Vergesellschaftungen, sowohl der nicht
1 Vorjahrzehnten habenWillardVan Orman Quine und Donald Davidson den Sondercharakter
des Übersetzens bzw. Interpretierens scharf akzentuiert durch ihre Thesen von der Unbestimmt-
heit der Übersetzung und der Bezugnahme bzw. von der Anomalie des Mentalen, vgl. Quine,
„Ontologische Relativität“, bzw. Davidson, „Mentale Ereignisse“. Diese Lehren wurden von
hartnäckigen Freunden einer reduktionistischen Philosophie des Geistes als ähnlich lästig emp-
funden wie die Lehren der Quantenmechanik von den Freunden des klassischen Vorurteils, daß
Gott nicht würfle, und von den Gegnern des Reduktionismus wurden ihre emanzipatorischen
Potentiale nicht erkannt; in der gegenwärtigen Philosophie des Mentalen spielen sie, zu deren
Schaden, faktisch keine Rolle mehr. (Allenfalls Wilfrid Sellars’ viel weniger weit reichendes Insi-
stieren auf der Irreduzibilität und Wahrheitsfähigkeit des Normativen findet noch, so bei Robert
Brandom und John McDowell, einen leisen Nachhall. Der laute Rest ist Reduktionismus.)
SITZUNGEN
seiner selbst, als es sich nicht in der Gestalt eines unhintergehbar anderen seinesglei-
chen (einer Person gleichen Ranges) aus den Details seines Wahrnehmungsfeldes
entgegentritt, und dies sogar, wenn Hegel recht hat, in einem Kampf um Anerken-
nung auf Leben und Tod. Erst wenn Aspekte meines Wahrnehmungsfeldes mich in
dieser Härte um Anerkennung als meinesgleichen angehen und ich die Anerkennung
sowohl gewähre wie auch im Gegenzug meinerseits erhalte, gewinne ich angemes-
sene Begriffe von Subjektivität, Intersubjektivität und Objektivität, und zwar in
einem Zuge. (Es versteht sich, daß noch vieles darüber zu sagen wäre. Insbesondere
müßte die Defizienz der schwachen Objektivität — sowie die Weise der Abhilfe durch
starke, unhintergehbare Alterität und Intersubjektivität - präzise gefaßt und sorgfäl-
tig ausgewiesen werden.)
Die begriffliche Verflechtung von Objektivität und Intersubjektivität spiegelt
sich im Verhältnis des Handelns überhaupt zum kommunikativen Handeln. Im Han-
deln überhaupt hantiere ich zweckrational mit Objekten, darunter solchen „Objek-
ten“, die meinesgleichen, also Personen sind, und bemühe mich in zugeordneter
theoretischer Aktivität um Erklärungen und Prognosen ihres Verhaltens. In kommu-
nikativem Handeln erkenne ich Personen, mich über alle unaufhebbaren Differen-
zen der Perspektive hinweg in ihre jeweilige Lage versetzend, als meinesgleichen an
und bemühe mich in zugeordneter theoretischer Aktivität, ihre Äußerungen und
Mitteilungen zu verstehen — was im häuslichen Fall meiner lokalen Sprachgemein-
schaft trivial und im Fall der Urübersetzung einer bis dato unbekannten Sprache
mühsam sein wird.
Kommunikatives Handeln fundiert insofern die Faustregeln, mittels deren wir,
da exakte Transformationsgleichungen hier prinzipiell nicht zu haben sind, verschie-
dene personale Perspektiven aufeinander abbilden und uns ungefähr an die Stelle
einer anderen Person versetzen können. Im kommunikativen Handeln liegt der
Grund der Nichtreduzierbarkeit der besonderen theoretischen Tätigkeit des Über-
setzens und Interpretierens — deren raison d’etre gerade das Verstehen, die Kommu-
nikation ist — auf die allgemeine theoretische Tätigkeit des Erklärens und Vorhersa-
gens, die als eine Form rein zweckrationalen Handelns aufgefaßt werden mag.1
Kommunikatives Handeln ist die Basis aller Vergesellschaftungen, sowohl der nicht
1 Vorjahrzehnten habenWillardVan Orman Quine und Donald Davidson den Sondercharakter
des Übersetzens bzw. Interpretierens scharf akzentuiert durch ihre Thesen von der Unbestimmt-
heit der Übersetzung und der Bezugnahme bzw. von der Anomalie des Mentalen, vgl. Quine,
„Ontologische Relativität“, bzw. Davidson, „Mentale Ereignisse“. Diese Lehren wurden von
hartnäckigen Freunden einer reduktionistischen Philosophie des Geistes als ähnlich lästig emp-
funden wie die Lehren der Quantenmechanik von den Freunden des klassischen Vorurteils, daß
Gott nicht würfle, und von den Gegnern des Reduktionismus wurden ihre emanzipatorischen
Potentiale nicht erkannt; in der gegenwärtigen Philosophie des Mentalen spielen sie, zu deren
Schaden, faktisch keine Rolle mehr. (Allenfalls Wilfrid Sellars’ viel weniger weit reichendes Insi-
stieren auf der Irreduzibilität und Wahrheitsfähigkeit des Normativen findet noch, so bei Robert
Brandom und John McDowell, einen leisen Nachhall. Der laute Rest ist Reduktionismus.)