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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2009 — 2010

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I. Das Geschäftsjahr 2009
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Antrittsreden
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Kräusslich, Hans-Georg: Antrittsrede vom 24. Januar 2009
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https://doi.org/10.11588/diglit.66333#0130
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ANTRITTSREDEN

anstaltung erzielen kann und dadurch Zeit gewinnt, um die Veranstaltungen zu besu-
chen, die einen wirklich interessieren. Eine Erfahrung, die ich übrigens manchem
Studenten von Heicumed auch wünschen würde — natürlich ohne körperliche
Schäden. So besuchte ich schon in den ersten Semestern Kleinveranstaltungen zur
Molekularen Virologie mit 2 Dozenten und 6—8 Studenten und begann — angeregt
und fasziniert von den zugrundeliegenden Fragen und deren experimenteller
Zugänglichkeit — 1980 eine Dissertation zu Retroviren von Primaten am Max von
Pettenkofer Institut der Universität München. Dies war 1 Jahr vor der erstmaligen
Beschreibung von AIDS; 1983, im Jahr der Beendigung meiner Arbeit, wurde dann
HIV entdeckt. Auch wenn ich molekulare Zusammenhänge verstehen wollte, bot
das damalige Institut praktisch wenig Gelegenheit dazu und ich erhielt vor allem
eine intensive und später sehr hilfreiche Ausbildung in klassischerVirologie und Bio-
chemie.
Nach dem Medizinstudium, das ich für zwei mehrmonatige Studienaufenthal-
te in Kalifornien und Boston unterbrach, verbrachte ich ein gutes Jahr als Schiffsarzt
auf einer Fregatte der Bundesmarine. Wegen Arztemangels bei der Bundeswehr war
ich vor dem Studium zurückgestellt worden und kurvte nunmehr mit knapp 200
Mann, im Wesentlichen junge Wehrpflichtige, gefühlte 20 x um die englische Insel.
Ich habe dabei gelernt, dass ich nicht seekrank werde und kleinere Operationen
inklusive dem Annähen eines bei einer Schlägerei eingerissenen Ohrläppchens —
angesichts des Alkoholpegels des betroffenen Soldaten mit sehr wenig Anästhesie —
zustande bringe. Vor allem hatte ich aber viel Zeit, um über Pläne für die Zukunft
nachzudenken und diese auf den Weg zu bringen. Ich bewarb mich dann bei weni-
gen Arbeitsgruppen in den USA, die mir besonders gute Möglichkeiten in der mole-
kularen Virologie versprachen. Eckard Wimmer von der State University of New
York und einer der bekanntesten Poliovirusforscher antwortete sofort und mit
großem Enthusiasmus. So kam es, das ich 1986 mit einem DFG Stipendium im
Gepäck und ohne Ort, Labor oder zukünftigen Chef je gesehen zu haben, nach
Stony Brook zog, etwa in der Mitte von Long Island und ca. 2 Autostunden von
Manhattan entfernt. Ein derart naives Vorgehen würde ich heute sicher niemandem
empfehlen, für mich war es ein seltener Glücksfall und Eckard Wimmer wurde ohne
jeden Zweifel die prägende Person für meine weitere Entwicklung und bis heute ein
enger persönlicher Freund.
Die wichtigste Erkenntnis, die ich mir von dieser Postdoc-Zeit versprach, war
herauszufinden, ob Molekulare Virologie auch in der praktischen Tätigkeit für mich
faszinierend ist und vor allem, ob ich überhaupt dafür geeignet bin. So wollte ich als
unerfahrener junger Arzt unbedingt in ein Labor von hohem wissenschaftlichem
Standard gehen, beantragte mein Stipendium aber zunächst nur für ein Jahr, auch
wenn zwei Jahre möglich gewesen wären. Vor Verlängerung wollte ich die Frage dis-
kutieren, ob dies der richtige Weg für mich ist. Nach wenigen Wochen erledigte sich
die Frage, ich hatte großes Glück mit meinem Projekt, zu dem ein anderer Postdoc
viele Vorarbeiten gemacht hatte und bereits nach 6 Monaten konnte ich mein erstes
Manuskript zur Publikation einreichen. Die Frage, ob Molekulare Virologie etwas für
mich ist und ob ich für die wissenschaftliche Laufbahn geeignet bin, kam insofern
 
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