Christoph Strohm
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auch mit den Fragen der Theologie zu beschäftigen begonnen. So begann ich in
München Geschichte zu studieren, mit Nebenfach Germanistik und schließlich auch
Evangelische Theologie, auf die ich mich dann konzentrierte. Weitere Studienorte
waren die kirchliche Hochschule Neuendettelsau und Heidelberg. Die Studienstif-
tung des deutschen Volkes ermöglichte mir ein Studien- bzw. Forschungsjahr an der
University of Chicago.
Ich hatte das Glück und Privileg, fähige und engagierte Lehrer gefunden zu
haben. Bei dem Kirchenhistoriker Gottfried Seebaß konnte ich bereits früh als stu-
dentische Hilfskraft wertvolle Einblicke in das Handwerk kirchenhistorischen Arbei-
tens erhalten. Seit dem Jahre 2006 bin ich nun dessen Nachfolger auf dem Lehrstuhl
für Kirchengeschichte (Schwerpunkt Reformationsgeschichte).Wie man ordentlich
biblische Texte auslegt, habe ich unter anderem bei dem hier anwesenden Gerd
Theißen gelernt. Aufgrund einer Seminararbeit (über Dietrich Bonhoeffers Stellung
zur Weimarer Republik) bekam ich die Chance, bereits vor meinem Examen im
Rahmen eines von der Volkswagen-Stiftung geforderten und von Heinz Eduard
Tödt geleiteten Forschungsprojekts eine Dissertation zu schreiben. In dieser Arbeit
habe ich zu zeigen versucht, dass man zur Erklärung der frühen hellsichtigen Bewer-
tung des Nationalsozialismus durch den Theologen Bonhoeffer einen spezifischen
Gesprächskontext berücksichtigen muss. Bonhoeffer hatte in seinem Brüder- und
Schwagerkreis mehrere kompetente Juristen, von deren Einschätzungen er in erheb-
lichem Maße profitieren konnte. Neben dem als persönlichen Referenten des
Reichsjustizministers tätigen Hans von Dohnanyi ist hier vor allem der Staatsrecht-
ler und spätere Bundesverfassungsrichter Gerhard Leibholz zu nennen. Die Lektüre
von dessen Schriften aus der Weimarer Zeit hat mir Zugänge zu der faszinierenden
staatsrechtlichen Diskussion der zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts eröffnet. Und
auch für die spätere Arbeit an der Habilitationsschrift in einem ganz anderen Bereich
habe ich hier wertvolle Anregungen erhalten.
Viel gelernt, gerade auch im Blick auf das, was die Universität nicht bieten
kann, habe ich während meines zweieinhalbjährigen Vikariats in einem Eisen-
bahnerviertel hinter dem Würzburger Hauptbahnhof. Nach dieser Tätigkeit, die nur
wenig Muße zur konzentrierten Arbeit am Schreibtisch ließ, bot mir ein Stipendi-
um der Fritz-Thyssen-Stiftung die Chance, mich zu habilitieren. Ziel sollte sein,
einen Beitrag zur Beantwortung der von Ernst Troeltsch formulierten Frage nach
Unterschieden in den Soziallehren der Konfessionen zu leisten. Dazu habe ich -
unter anderem während eines einjährigen Forschungsaufenthaltes am Institut d’hi-
stoire de la Reformation der Universität Genf 1992/93 - die ethischen Schriften
und Traktate der Nachfolger Calvins in Genf und Frankreich untersucht und man-
che der von Max Weber und Ernst Troeltsch behaupteten Zusammenhänge infrage
stellen können. Der vielbeschriebene „Syllogismus practicus“ - die Schlussfolgerung
aus den Zeichen wirtschaftlichen Erfolgs auf das eigene Erwähltsein - spielt im
frühen Calvinismus keine besondere Rolle. Die Eigenart der calvinistischen Ethik
lässt sich außer aus bestimmten theologischen Grundentscheidungen aus der Rezep-
tion stoischer Ethik, einer verstärkten Krisenwahrnehmung am Ende des 16. Jahr-
hunderts und nicht zuletzt aus der Schulung am römischen Recht erklären, denn ein
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auch mit den Fragen der Theologie zu beschäftigen begonnen. So begann ich in
München Geschichte zu studieren, mit Nebenfach Germanistik und schließlich auch
Evangelische Theologie, auf die ich mich dann konzentrierte. Weitere Studienorte
waren die kirchliche Hochschule Neuendettelsau und Heidelberg. Die Studienstif-
tung des deutschen Volkes ermöglichte mir ein Studien- bzw. Forschungsjahr an der
University of Chicago.
Ich hatte das Glück und Privileg, fähige und engagierte Lehrer gefunden zu
haben. Bei dem Kirchenhistoriker Gottfried Seebaß konnte ich bereits früh als stu-
dentische Hilfskraft wertvolle Einblicke in das Handwerk kirchenhistorischen Arbei-
tens erhalten. Seit dem Jahre 2006 bin ich nun dessen Nachfolger auf dem Lehrstuhl
für Kirchengeschichte (Schwerpunkt Reformationsgeschichte).Wie man ordentlich
biblische Texte auslegt, habe ich unter anderem bei dem hier anwesenden Gerd
Theißen gelernt. Aufgrund einer Seminararbeit (über Dietrich Bonhoeffers Stellung
zur Weimarer Republik) bekam ich die Chance, bereits vor meinem Examen im
Rahmen eines von der Volkswagen-Stiftung geforderten und von Heinz Eduard
Tödt geleiteten Forschungsprojekts eine Dissertation zu schreiben. In dieser Arbeit
habe ich zu zeigen versucht, dass man zur Erklärung der frühen hellsichtigen Bewer-
tung des Nationalsozialismus durch den Theologen Bonhoeffer einen spezifischen
Gesprächskontext berücksichtigen muss. Bonhoeffer hatte in seinem Brüder- und
Schwagerkreis mehrere kompetente Juristen, von deren Einschätzungen er in erheb-
lichem Maße profitieren konnte. Neben dem als persönlichen Referenten des
Reichsjustizministers tätigen Hans von Dohnanyi ist hier vor allem der Staatsrecht-
ler und spätere Bundesverfassungsrichter Gerhard Leibholz zu nennen. Die Lektüre
von dessen Schriften aus der Weimarer Zeit hat mir Zugänge zu der faszinierenden
staatsrechtlichen Diskussion der zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts eröffnet. Und
auch für die spätere Arbeit an der Habilitationsschrift in einem ganz anderen Bereich
habe ich hier wertvolle Anregungen erhalten.
Viel gelernt, gerade auch im Blick auf das, was die Universität nicht bieten
kann, habe ich während meines zweieinhalbjährigen Vikariats in einem Eisen-
bahnerviertel hinter dem Würzburger Hauptbahnhof. Nach dieser Tätigkeit, die nur
wenig Muße zur konzentrierten Arbeit am Schreibtisch ließ, bot mir ein Stipendi-
um der Fritz-Thyssen-Stiftung die Chance, mich zu habilitieren. Ziel sollte sein,
einen Beitrag zur Beantwortung der von Ernst Troeltsch formulierten Frage nach
Unterschieden in den Soziallehren der Konfessionen zu leisten. Dazu habe ich -
unter anderem während eines einjährigen Forschungsaufenthaltes am Institut d’hi-
stoire de la Reformation der Universität Genf 1992/93 - die ethischen Schriften
und Traktate der Nachfolger Calvins in Genf und Frankreich untersucht und man-
che der von Max Weber und Ernst Troeltsch behaupteten Zusammenhänge infrage
stellen können. Der vielbeschriebene „Syllogismus practicus“ - die Schlussfolgerung
aus den Zeichen wirtschaftlichen Erfolgs auf das eigene Erwähltsein - spielt im
frühen Calvinismus keine besondere Rolle. Die Eigenart der calvinistischen Ethik
lässt sich außer aus bestimmten theologischen Grundentscheidungen aus der Rezep-
tion stoischer Ethik, einer verstärkten Krisenwahrnehmung am Ende des 16. Jahr-
hunderts und nicht zuletzt aus der Schulung am römischen Recht erklären, denn ein