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NACHRUFE
an selbst gewählte Verhaltensregeln. Überzeugt davon, dass eine solche Universität
hohe Achtung verdiene, habe ich der Idee der autonomen Universität dienen
dürfen. Diese Idee leitete mich, als ich mich 1944 in Halle habilitierte, als ich 1947
in Heidelberg Professor wurde, als ich 1961 Dekan war, als ich 1966 bis 1968 Rek-
tor der Ruperto Carola sein durfte. Für diesen Traum habe ich gearbeitet; um
ihm nicht untreu werden zu müssen, habe ich die Universität mit dem 1.4.1969
verlassen“.
Mit dem genannten Datum wurde Margot Becke Wissenschaftliches Mitglied
der Max-Planck-Gesellschaft und Direktorin des traditionsreichen Gmelin-Instituts
für Anorganische Chemie und Grenzgebiete in Frankfurt. Wertschätzung und Dank-
barkeit ihrer Universität kamen in der Verleihung eines persönlichen Ordinariats
zum Ausdruck. Die Aufgabenstellung des Gmelin-Instituts, die rasch zunehmenden
Kenntnisse in diesem Wissenschaftszweig kritisch zu sichten und in einer umfang-
reichen Serie von Handbüchern allgemein zugänglich zu machen, lag ihr persönlich
am Herzen. Sie widmete sich der neuen Aufgabe mit Hingabe und der ihr eigenen
Entschlusskraft, wobei sie bewusst die Möglichkeiten einer Forschungslenkung über
Information nutzte, indem sie Teilgebiete mit Priorität behandelte, abgeschlossene
oder scheinbar abgeschlossene Gebiete beleuchtete und unbeantwortete Fragen her-
ausarbeiten ließ. Mit diesem ihr eigenen strategischen Denken diente sie der Max-
Planck-Gesellschaft als erste Vorsitzende des Wissenschaftlichen Rates von 1973 bis
1976, der Politik als Mitglied des Wissenschaftsrates von 1969 bis 1972 und der Indu-
strie als Mitglied des Aufsichtsrates der Bayer AG seit 1975. Die Aufnahme in die
Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina im Jahre 1969, die Verleihung
der Ehrendoktorwürde durch die Technische Universität Stuttgart 1974 und die
Auszeichnung mit der Gmelin-Beilstein-Denkmünze der Gesellschaft Deutscher
Chemiker 1980 unterstreichen den Rang von Margot Becke als forschende und
gestaltende Wissenschaftlerin.
Nach der Emeritierung im Jahre 1979 beschäftigte sich Margot Becke ein-
gehend mit wissenschaftshistorischen und -theoretischen Zusammenhängen. Die
Herausgabe des umfangreichen Briefwechsels von Theodor Curtius und Carl
Duisberg beleuchtete die Rückkopplung zwischen Wissenschaft und Technik in
einer Aufbruchphase der chemischen Industrie. In „Erinnerungen — fast vom Winde
verweht“ berichtete sie gemeinsam mit einer Historikerin über die Zeit des Faschis-
mus an der Universität. Mit der Gründung der Margot- und Friedrich-Becke-Stif-
tung setzte sie ihr Anliegen in die Tat um, Natur- und Geisteswissenschaften zusam-
menzuführen und zu einem besseren gegenseitigen Verständnis zu bringen. Bei den
regelmäßig stattfindenden Vorträgen in ihrem Haus war sie bis zuletzt ein lebhafter
Diskussionspartner.
Margot Becke war eine bedeutende Frau, die viel bewegt hat.Verschiedentlich
klang an, dass ihr als erster Frau besondere Ämter und Ehrungen zukamen. Den
Wandel im Rollenverständnis der Geschlechter, den sie in ihrer Zeit erlebt hat,
konnte sie in Gesprächen nachdenklich und humorvoll kommentieren. Wie lautete
doch ihre Antwort an den Präsidenten anlässlich ihrer Aufnahme in die Heidelber-
ger Akademie?
NACHRUFE
an selbst gewählte Verhaltensregeln. Überzeugt davon, dass eine solche Universität
hohe Achtung verdiene, habe ich der Idee der autonomen Universität dienen
dürfen. Diese Idee leitete mich, als ich mich 1944 in Halle habilitierte, als ich 1947
in Heidelberg Professor wurde, als ich 1961 Dekan war, als ich 1966 bis 1968 Rek-
tor der Ruperto Carola sein durfte. Für diesen Traum habe ich gearbeitet; um
ihm nicht untreu werden zu müssen, habe ich die Universität mit dem 1.4.1969
verlassen“.
Mit dem genannten Datum wurde Margot Becke Wissenschaftliches Mitglied
der Max-Planck-Gesellschaft und Direktorin des traditionsreichen Gmelin-Instituts
für Anorganische Chemie und Grenzgebiete in Frankfurt. Wertschätzung und Dank-
barkeit ihrer Universität kamen in der Verleihung eines persönlichen Ordinariats
zum Ausdruck. Die Aufgabenstellung des Gmelin-Instituts, die rasch zunehmenden
Kenntnisse in diesem Wissenschaftszweig kritisch zu sichten und in einer umfang-
reichen Serie von Handbüchern allgemein zugänglich zu machen, lag ihr persönlich
am Herzen. Sie widmete sich der neuen Aufgabe mit Hingabe und der ihr eigenen
Entschlusskraft, wobei sie bewusst die Möglichkeiten einer Forschungslenkung über
Information nutzte, indem sie Teilgebiete mit Priorität behandelte, abgeschlossene
oder scheinbar abgeschlossene Gebiete beleuchtete und unbeantwortete Fragen her-
ausarbeiten ließ. Mit diesem ihr eigenen strategischen Denken diente sie der Max-
Planck-Gesellschaft als erste Vorsitzende des Wissenschaftlichen Rates von 1973 bis
1976, der Politik als Mitglied des Wissenschaftsrates von 1969 bis 1972 und der Indu-
strie als Mitglied des Aufsichtsrates der Bayer AG seit 1975. Die Aufnahme in die
Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina im Jahre 1969, die Verleihung
der Ehrendoktorwürde durch die Technische Universität Stuttgart 1974 und die
Auszeichnung mit der Gmelin-Beilstein-Denkmünze der Gesellschaft Deutscher
Chemiker 1980 unterstreichen den Rang von Margot Becke als forschende und
gestaltende Wissenschaftlerin.
Nach der Emeritierung im Jahre 1979 beschäftigte sich Margot Becke ein-
gehend mit wissenschaftshistorischen und -theoretischen Zusammenhängen. Die
Herausgabe des umfangreichen Briefwechsels von Theodor Curtius und Carl
Duisberg beleuchtete die Rückkopplung zwischen Wissenschaft und Technik in
einer Aufbruchphase der chemischen Industrie. In „Erinnerungen — fast vom Winde
verweht“ berichtete sie gemeinsam mit einer Historikerin über die Zeit des Faschis-
mus an der Universität. Mit der Gründung der Margot- und Friedrich-Becke-Stif-
tung setzte sie ihr Anliegen in die Tat um, Natur- und Geisteswissenschaften zusam-
menzuführen und zu einem besseren gegenseitigen Verständnis zu bringen. Bei den
regelmäßig stattfindenden Vorträgen in ihrem Haus war sie bis zuletzt ein lebhafter
Diskussionspartner.
Margot Becke war eine bedeutende Frau, die viel bewegt hat.Verschiedentlich
klang an, dass ihr als erster Frau besondere Ämter und Ehrungen zukamen. Den
Wandel im Rollenverständnis der Geschlechter, den sie in ihrer Zeit erlebt hat,
konnte sie in Gesprächen nachdenklich und humorvoll kommentieren. Wie lautete
doch ihre Antwort an den Präsidenten anlässlich ihrer Aufnahme in die Heidelber-
ger Akademie?