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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2009 — 2010

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IV. Veranstaltungen im Jubiläumsjahr
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Deutsch, Andreas: Interdisziplinäre Fachtagung "500 Jahre Tenglers Laienspiegel (1509) - Ein Rechtsbuch zwischen Humanismus und Hexenwahn"
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https://doi.org/10.11588/diglit.66333#0321
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4. bis 6. März 2009

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Franz Fuchs (Würzburg) übereinstimmend belegen konnten, starb Tengler keines-
wegs Anfang 1511 (so der bisherige Forschungsstand), sondern mehr als zehn Jahre
später, vermutlich 1522.Tengler selbst - und nicht sein Sohn Christoph, wie bislang
vermutet — dürfte somit für die Ergänzungen in der 1511 erschienenen zweiten offi-
ziellen Ausgabe des Laienspiegels („Neuer Laienspiegel“) verantwortlich sein.
Auf die enorme Bedeutung des Buchdrucks für die Verbreitung rechtlicher
Inhalte in der Zeit um 1500 wies Adolf Laufs (Heidelberg) bereits in seiner „Ouver-
türe“ zur Tagung hin. Insbesondere aufgrund seiner Vermarktung kann der Laien-
spiegel diesbezüglich als idealtypisch und herausragend zugleich gelten: Die wer-
benden Vorreden gehörten zum Instrumentarium der humanistischen Buchproduk-
tion, wie der Tübinger Germanist Joachim Knape anhand der ausgefeilten Rhetorik
Sebastian Brants illustrierte. Die lateinische Vorrede des Jacobus Locher und zwei
weitere Gedichte aus dessen Feder stellte Franz Fuchs vor. Der Kunsthistoriker
Christoph Metzger (Trier) wies darauf hin, dass der Laienspiegel mit seinen über
dreißig Holzschnitten das wohl schönste gedruckte Rechtsbuch sei; er unterstrich
den künstlerischen Wert der fünf von Hans Schäufelin für die Ausgabe von 1511
angefertigten Illustrationen. Verantwortlich für diese aufwendige Buchgestaltung
zeichnete der „namhaftigste“ deutsche „Buchführer“ der Zeit Johann Rynmann.
Dessen damals noch ganz außergewöhnliches Buchvertriebsnetz dürfte ein wichtiger
Grund für die weite Verbreitung des Laienspiegels gewesen sein, wie Buchexperte
Hans-Jörg Künast (Augsburg) vor Augen führte. Dies freilich schützte nicht vor
Nachahmern. Als Reaktion auf einen 1510 in Straßburg erschienenen unautorisier-
ten Nachdruck („Raubdruck“) des Laienspiegels setzte Rynmann auf das Titelblatt
der Neuausgabe von 1511 ein sog. Nachdruckprivileg. Buchwissenschaftler Stephan
Füssel (Mainz) wies darauf hin, dass dessen Echtheit aber durchaus nicht sicher ist.
Bei der Suche nach Tenglers Vorlagen zeigte sich, dass die deutsch-rechtlichen
Quellen offenbar eine viel geringere Rolle spielen als bislang vermutet. Der Frei-
burger Rechtshistoriker Bernd Kannowski widerlegte die seit über hundert Jahren
herrschende Meinung, Tengler habe für den Laienspiegel ausführlich auf die „Mag-
deburger Fragen“ und den „Schwabenspiegel“ zurückgegriffen. Demgegenüber illu-
strierte der Tübinger Kirchenrechtshistoriker Knut Wolfgang Nörr am Beispiel des
Zivilprozessrechts den großen Einfluss des römisch-kanonischen Rechts auf den Lai-
enspiegel. Insbesondere das berühmte „Speculum iudiciale“ des Guilelmus Durantis
(1237-1296) sei ausführlich genutzt worden. Auch in Bezug auf das Recht der Juden
hat sich Tengler aus diesem Buch bedient, erläuterte Christian Hattenhauer (Heidel-
berg). Einige aufgrund ihrer deutlich antisemitischen Haltung aus dem Rahmen fal-
lende, 1511 eingefügte Passagen stünden hingegen unter dem Einfluss von Johann
Pfefferkorns „Judenfeind“ (1509).
Ein freundlicheres Bild vom Laienspiegel konnte Friedrich-Christian Schroeder
(Regensburg) bei seiner Untersuchung zum Verhältnis von Laienspiegel und Carolina
zeichnen. Galten bislang die strafrechtlichen Ausführungen im Laienspiegel als Kopie
der Constitutio Criminalis Bambergensis (1507), der Vorlage für die Constitutio
Criminalis Carolina (1532), führte Schroeder demgegenüber vor, wie selbständig
Tengler den Stoff verarbeitet hat. Es sei sogar denkbar, dass der Laienspiegel stellen-
 
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