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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2009 — 2010

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IV. Veranstaltungen im Jubiläumsjahr
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Wolgast, Eike: Die Heidelberger Akademie der Wissenschaften - Gründung und Auftrag
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https://doi.org/10.11588/diglit.66333#0336
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352 | VERANSTALTUNGEN

sondern die modisch gewordene Disziplin Volkskunde und den Leiter der Hoch-
schulabteilung im Karlsruher Ministerium, der gerade erst zum ordentlichen Profes-
sor in Heidelberg aufgestiegen war. Fehrle wurde von dem Germanisten Friedrich
Panzer vorgeschlagen — die Wahl fand in Abwesenheit von drei angesehenen Mit-
gliedern der Klasse statt, die durch ihr Fernbleiben vermutlich ihren Protest aus-
drücken wollten: der Theologe Martin Dibelius, der Historiker Karl Hampe und der
Jurist Ernst Levy.
Bei weiteren Zuwahlen wurden 1935 in der Mathematisch-naturwissenschaft-
lichen Klasse mehrfach überzeugte Nationalsozialisten gewählt. Da die Lehrstühle
zunehmend mit Professoren besetzt wurden, die Regimeanhänger waren, rückten
diese, wenn ihr Fach akademiefähig war, nahezu automatisch in die Plätze ihrer weg-
berufenen, emeritierten oder gestorbenen Vorgänger ein — die Fachdisziplin wog
stärker als die individuelle wissenschaftliche Leistung. So beerbte der Geologe Julius
Wilser Salomon-Calvi, der Astronom Heinrich Vogt Max Wolf, der Physiologe
Johann Daniel Achelis Philipp Broemser. Neben diesen qualitativ zweifelhaften
Wahlen stand immer auch die Wahl völlig integrer Persönlichkeiten, so des regime-
kritischen Industriellen und Nobelpreisträgers Carl Bosch und des Alttestamentlers
Gustav Hölscher, der von Bonn nach Heidelberg strafversetzt worden war.
Im Februar 1936 begann der offene Angriff auf die jüdischen Mitglieder, als
am Vorabend einer Gesamtsitzung Fehrle, Achelis, Vogt und Wilser erklärten, an der
Sitzung nicht teilzunehmen, „weil sie als Angehörige der NSDAP sich nicht der
Möglichkeit aussetzen könnten, hier mit Juden zusammenzutreffen“. Der vorgese-
hene Referent, der Pharmakologe Fritz Eichholtz, solidarisierte sich, obwohl nicht
Parteigenosse, mit dieser Haltung und sagte seinen Vortrag ab. Da die inkriminier-
ten Kollegen, der Mathematiker Artur Rosenthal, der Physiologe und Nobel-
preisträger Otto Meyerhof und der Jurist Ernst Levy, sich weigerten, die Akademie
zu verlassen, fing ein monatelanger Konflikt an, der zur Lähmung der Akademie-
arbeit, insbesondere der Mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse, führte. Eine
besonders klägliche Rolle spielten dabei die Sekretäre Friedrich Panzer und der
Mineraloge Otto Erdmannsdörffer. Ihr Hauptziel bestand darin, die Institution zu
retten und wieder funktionsfähig zu machen - ein damals weithin typisches Verhal-
ten. Hinter diesem Ziel trat aber die Solidarität mit den angegriffenen Kollegen
weit zurück, ja bestand, jedenfalls nach Ausweis der Akten, eigentlich gar nicht.
Panzer bat ausgerechnet das Karlsruher Ministerium um Weisungen, ohne aber eine
eindeutige Antwort zu erhalten. Auch in dem interakademischen Gremium, dem
sogenannten Kartell der deutschen Akademien, übernahm Heidelberg ab 1937 eine
Vorreiterrolle, um die sogenannte Judenfrage ministeriell regeln zu lassen. Der Kon-
flikt eskalierte, als Erdmannsdörffer am 7. April 1937 in einer Klassensitzung, an der
außer ihm nur der Physiker Walter Bothe und der Mediziner Viktor von Weizsäcker
teilnahmen, zum Sommersemester 1937 sein Amt niederlegte. Statt in einer
regulären Sitzung wurde im Umlaufverfahren Achelis zu seinem Nachfolger
gewählt. Meyerhof und Rosenthal waren von der Abstimmung ausgeschlossen
worden und erhielten auch keine Benachrichtigung über die Verschiebung der
Jahresfeier. Aus Protest gegen diesen Satzungsverstoß traten beide im Juli aus der
 
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