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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2009 — 2010

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IV. Veranstaltungen im Jubiläumsjahr
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Graf Kielmannsegg, Peter: Vorträge an der Universität Mannheim "Zerfällt unsere Gesellschaft?"
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https://doi.org/10.11588/diglit.66333#0352
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368 | VERANSTALTUNGEN

und religiös heterogener geworden seien. Es stelle sich — offenbar immer dringen-
der — die Frage, welche Folgen das für die „Integration“ der jeweiligen Gesellschaft
habe. Es gebe dazu zwei Perspektiven. Die eine betone, dass es eher zu einer „Anpas-
sung“ der Migranten komme, die andere, dass eher die ethnische Pluralisierung
gefordert und „anerkannt“ werden müsse. Die Pflege von ethnischen Traditionen,
Gewohnheiten, Beziehungen und Orientierungen führe zu einer besseren Platzie-
rung der Migranten in Bildung und Arbeitsmarkt, etwa über die Erhöhung des eth-
nischen Selbstbewusstseins und die Nutzung ethnischer Netzwerke. Dem stehe die
Auffassung entgegen, dass die Bewahrung oder Förderung der „Multikulturalität“ im
Vergleich zur „Assimilation“ keine besonderen Effekte für den Bildungs- und
Arbeitsmarkterfolg habe. Prof. Esser stellte diese alte und auch aktuell sehr politisier-
te Kontroverse zunächst vor und beurteilte sie dann vor dem Hintergrund von
empirischen Ergebnissen zum Arbeitsmarkterfolg, zu Bildungsabschlüssen, schuli-
schen Leistungen und dem Zweitspracherwerb.
Prof. Alfred Kieser beantwortete die Frage „Sollen Fußballprofis, Manager und
Hochschullehrer nach Leistung vergütet werden?“ Die Überzeugung, dass eine an
die Leistung gekoppelte Vergütung die Motivation steigere, sei weit verbreitet und
für wenig komplexe Aufgabenstellungen auch belegbar. Auf ihr basierten jedoch
auch Entlohnungssysteme für Manager, Fußballprofis und, neuerdings, Hochschul-
lehrer. Wissenschaftliche Erkenntnisse ließen indes vermuten, dass Leistungsent-
lohnung bei komplexen Aufgabenstellungen intrinsische zugunsten extrinsischer
Motivation verdränge und damit Fehlsteuerungen verursache. Dennoch behaupte
sich Leistungsentlohnung auch bei komplexen Aufgabenstellungen, weil sie als „gute
Praxis“ gelte, Reformen signalisiere und Entgeltunterschiede legitimiere.
Den Schlusspunkt setzte Prof. Wolfgang Franz mit dem Thema „Mehr Chan-
cengleichheit auf dem Arbeitsmarkt — eine Herausforderung an die Wirtschaftspoli-
tik“. Er legte dar, dass die Belebung des Arbeitsmarktes zwischen 2006 und 2008
nicht allen Arbeitnehmern in gleicherweise zugute gekommen sei.Vielmehr sei eine
zunehmende Ausdifferenzierung in Kernbelegschaften und Randbelegschaften zu
beobachten gewesen. Die Flexibilität und die Anpassungslasten auf dem Arbeitsmarkt
seien in beachtlichem Umfang von atypischen Beschäftigungsverhältnissen getragen
worden, beispielweise in Form von Leiharbeit. Es müsse also darum gehen, zusätz-
lich zur Abfederung der aktuellen Krise auf dem Arbeitsmarkt die ungleiche Vertei-
lung von Chancen und Risiken auf dem Arbeitsmarkt zu vermindern. Dazu müsse
der nächste Konjunkturaufschwung genutzt werden.

PETER GRAF KIELMANSEGG
 
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