388 | VERANSTALTUNGEN
Während uns beim Betrachten von Bildern unserer Vorverständnis eine rasche
Analyse ermöglicht, fehlt den meisten unter uns bei komplexen wirtschaftlichen
oder finanziellen Sachverhalten die Fachkenntnis. Die Instanzen, die dies leisten
könnten oder sollten, etwa die Wirtschafts-Seiten von großen Tageszeitungen, sind,
wie Stürner abschließend ausfiihrte, meist in einem starken Interessenkonflikt, der
objektive, kritische Information enorm erschwert. Interessant ist dabei freilich auch,
dass es offenbar nationale Traditionsunterschiede gibt: Italienische Banken (in Italien
wurde bekanntlich das Bankwesen erfunden) haben nicht mit den Finanztiteln spe-
kuliert, durch die deutsche Banken sich ‘entreichert’ haben.
Das Symposion hat gezeigt, dass von den sieben Disziplinen, die beteiligt
waren, im Grunde nur die Jurisprudenz mit dem Informationsbegriff arbeitet, der
sich in der Allgemeinsprache eingebürgert hat. Sowohl für die drei Disziplinen, die
sich unmittelbar auf die Informationstheorie bezogen haben (Biologie, Physik und
Informatik) wie auch für die Biochemie und die Physiologie, hat sich dagegen die
Informationstheorie als entscheidend wichtig erwiesen: es geht um eine berechen-
bare, messbare Informationsmenge, um die Betrachtung der Mechanismen von
Kodierung, Geschehen im Kommunikationskanal und Dekodierung, um die (schon
bei Aristoteles mögliche) Trennung des Prozesses der Wahrnehmung vom Wahrge-
nommenem (die Kodierung ist unabhängig von der Botschaft — eine Serie von elek-
trischen Impulsen hat mit der übertragenen Botschaft unmittelbar nichts zu tun).
Was noch stärker in den Mittelpunkt der Überlegungen rücken könnte, großenteils
aber auch von den Möglichkeiten der Forschung abhängt, ist die Einführung des
Hierarchie-Gedankens, wie er in der Informatik schon Gestalt angenommen hat
(diskrete Einheit, Gruppen von diskreten Einheiten, Zuordnung von — im klassi-
schen Sinn — semantischer Information zu solchen Gruppen, Gruppierung solcher
Gruppen zu noch höheren Einheiten usw.).
Es ist einerseits so, dass mit den viereinhalb Stunden, die das Symposion insge-
samt gedauert hat, das Maximum der möglichen Aufmerksamkeitsspanne erreicht
wurde. Gleichzeitig ist es aber auch schade, dass Vertreter der Geschichtswissenschaft
sich nicht an dem Projekt beteiligt haben: Der Ausblick, den Hans Burkhardt am
Ende seiner Ausführungen bot, ist mit dem Problem verwandt, das heutzutage jeder
Historiker hat. Die Fülle der Dokumente, die er berücksichtigen könnte, ist nämlich
so groß, dass er die Information „verdichten” muss. Es geht ja, etwas polemisch mit
einem Titel von Theodor Lessing gesagt, darum, im Sinnlosen einen Sinn sichtbar zu
machen (“Geschichte als Sinngebung des Sinnlosen“, erstmals publiziert 1919). Dies
ist ein Prozess, der notwendigerweise „verlustbehaftet“ sein muss, der zugleich aber
auch eine deutliche Strukturierung erfordert, also etwas, was im ersten Beitrag über
die Geschichte des Informationsbegriffs als charakteristisch für informativ im aristo-
telischen Sinn herausgearbeitet wurde. Im Übrigen hat sich gezeigt, dass die Einbet-
tung in einen wissenschaftsgeschichtlichen Kontext, hier speziell auch die Phase nach
dem zweiten Weltkrieg, dem Thema durchaus forderlich ist.
WOLFGANG RAIBLE
Während uns beim Betrachten von Bildern unserer Vorverständnis eine rasche
Analyse ermöglicht, fehlt den meisten unter uns bei komplexen wirtschaftlichen
oder finanziellen Sachverhalten die Fachkenntnis. Die Instanzen, die dies leisten
könnten oder sollten, etwa die Wirtschafts-Seiten von großen Tageszeitungen, sind,
wie Stürner abschließend ausfiihrte, meist in einem starken Interessenkonflikt, der
objektive, kritische Information enorm erschwert. Interessant ist dabei freilich auch,
dass es offenbar nationale Traditionsunterschiede gibt: Italienische Banken (in Italien
wurde bekanntlich das Bankwesen erfunden) haben nicht mit den Finanztiteln spe-
kuliert, durch die deutsche Banken sich ‘entreichert’ haben.
Das Symposion hat gezeigt, dass von den sieben Disziplinen, die beteiligt
waren, im Grunde nur die Jurisprudenz mit dem Informationsbegriff arbeitet, der
sich in der Allgemeinsprache eingebürgert hat. Sowohl für die drei Disziplinen, die
sich unmittelbar auf die Informationstheorie bezogen haben (Biologie, Physik und
Informatik) wie auch für die Biochemie und die Physiologie, hat sich dagegen die
Informationstheorie als entscheidend wichtig erwiesen: es geht um eine berechen-
bare, messbare Informationsmenge, um die Betrachtung der Mechanismen von
Kodierung, Geschehen im Kommunikationskanal und Dekodierung, um die (schon
bei Aristoteles mögliche) Trennung des Prozesses der Wahrnehmung vom Wahrge-
nommenem (die Kodierung ist unabhängig von der Botschaft — eine Serie von elek-
trischen Impulsen hat mit der übertragenen Botschaft unmittelbar nichts zu tun).
Was noch stärker in den Mittelpunkt der Überlegungen rücken könnte, großenteils
aber auch von den Möglichkeiten der Forschung abhängt, ist die Einführung des
Hierarchie-Gedankens, wie er in der Informatik schon Gestalt angenommen hat
(diskrete Einheit, Gruppen von diskreten Einheiten, Zuordnung von — im klassi-
schen Sinn — semantischer Information zu solchen Gruppen, Gruppierung solcher
Gruppen zu noch höheren Einheiten usw.).
Es ist einerseits so, dass mit den viereinhalb Stunden, die das Symposion insge-
samt gedauert hat, das Maximum der möglichen Aufmerksamkeitsspanne erreicht
wurde. Gleichzeitig ist es aber auch schade, dass Vertreter der Geschichtswissenschaft
sich nicht an dem Projekt beteiligt haben: Der Ausblick, den Hans Burkhardt am
Ende seiner Ausführungen bot, ist mit dem Problem verwandt, das heutzutage jeder
Historiker hat. Die Fülle der Dokumente, die er berücksichtigen könnte, ist nämlich
so groß, dass er die Information „verdichten” muss. Es geht ja, etwas polemisch mit
einem Titel von Theodor Lessing gesagt, darum, im Sinnlosen einen Sinn sichtbar zu
machen (“Geschichte als Sinngebung des Sinnlosen“, erstmals publiziert 1919). Dies
ist ein Prozess, der notwendigerweise „verlustbehaftet“ sein muss, der zugleich aber
auch eine deutliche Strukturierung erfordert, also etwas, was im ersten Beitrag über
die Geschichte des Informationsbegriffs als charakteristisch für informativ im aristo-
telischen Sinn herausgearbeitet wurde. Im Übrigen hat sich gezeigt, dass die Einbet-
tung in einen wissenschaftsgeschichtlichen Kontext, hier speziell auch die Phase nach
dem zweiten Weltkrieg, dem Thema durchaus forderlich ist.
WOLFGANG RAIBLE