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Anzulewicz, Henryk; Breitenstein, Mirko [Hrsg.]; Melville, Gert [Hrsg.]
Die Wirkmacht klösterlichen Lebens: Modelle - Ordnungen - Kompetenzen - Konzepte — Klöster als Innovationslabore, Band 6: Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.54634#0094
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90 I Jörg Sonntag

Wirkmacht derart, dass eine größere Gruppe an Laien beeinflusst würde von
denen, die nach ihr lebten - den Franziskanern. Ein Zisterzienser hätte diese
etwas verengten Ausführungen so wohl nicht unterschrieben, der Bologneser
Gelehrte der Eingangsgeschichte hingegen sofort.

5. Resümee
Offenkundig besaßen und versprühten Regeln Autorität, weil sie, von Autoritä-
ten verfasst, die Grundlagen spezifischer formae vitae zementierten und als
prospektiv ausgerichtete, „unveränderliche Basistexte“35, bisweilen päpstlich
approbiert, manchmal selbst die Mystik eines spezifischen Ordensursprungs
einfingen und konservierten. Die Verlesung der Regeln besaß fest institutionali-
sierte und rituell eingebundene Formen und Zeiten. So las man unter anderem
früh am Morgen in der Kapitelversammlung aus ihnen vor. Kein klösterlicher
Raum außerhalb der Kirche schien Mönchen und Nonnen heiliger als jener Ort
des allmorgendlichen, Gottes Endgericht präsentisch in Szene setzenden Schuld-
kapitels. Vor dem Text der Regel verneigte man sich, wenn man an ihm vorüber-
schritt, da er bald eine Heiligkeit aus sich selbst heraus besaß.36
Fest steht, dass Strahlkraft und Wirkmacht der Regeln innerhalb des Ordens-
wesens unterschiedlich gut erforscht, aber bekannt und empirisch belegbar sind.
Diese Potenz der Regeln beweisen allein schon die über 1000 lateinischen und
volkssprachlichen Handschriften, in denen die Regeln des Mittelalters überlie-
fert sind. Textliche Übernahmen - Textbausteine - von Regeln in andere oder
zumindest Bezugnahmen sind immer wieder offensichtlich und zeugen nicht
minder von Autorität und Strahlkraft. So rekurriert die Benediktsregel u. a. auf
die Regeln des Pachomius, des Basilius und vor allem des Magisters.37 38 Von der
dominikanischen Spiritualität beeinflusst, entlehnte Birgitta von Schweden
einige Passagen vorrangig aus der Augustinusregel.“ 8
Jeder, verheiratet oder unverheiratet, könne gerettet werden, wenn er nur
die Regel Gottes - das Evangelium - befolge, betonte Stephan von Muret.
35 Melville, Regeln (wie Anm. 3), S. 21.
36 Vgl. dazu u. a. Jörg Sonntag, Klosterleben im Spiegel des Zeichenhaften: Symbolisches Den-
ken und Handeln hochmittelalterlicher Mönche und Nonnen zwischen Dauer und Wandel,
Regel und Gewohnheit (Vita regularis. Abhandlungen 35), Berlin 2008, S. 68 u. 394.
37 Vgl. Basilius Steidle, Die Regel St. Benedikts, Eingeleitet, übersetzt und aus dem Alten
Mönchtum erklärt, Beuron 1952, S. 5-28; Michaela Puzicha (Hg.), Quellen und Texte zur
Benediktusregel, St. Ottilien 2007 und etwa für den Prolog Michaela Puzicha, Kommentar
zur Benediktusregel. Mit einer Einführung von Christian Schütz, St. Ottilien 2002, S. 44-66.
38 Vgl. u. a. Searby/Morris, The Revelations (wie Anm. 10), Bd. 4, bes. 113f.
 
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