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Anzulewicz, Henryk; Breitenstein, Mirko [Editor]; Melville, Gert [Editor]
Die Wirkmacht klösterlichen Lebens: Modelle - Ordnungen - Kompetenzen - Konzepte — Klöster als Innovationslabore, Band 6: Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.54634#0155
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Theorie für die Praxis I 151

Grundsätzlich gilt diese Feststellung nicht weniger für das intellektuelle In-
novationspotential der Klosterkultur. Bezogen auf die Sichtbarkeit und Akzep-
tanz monastischer Legitimationsmuster wurde insbesondere über die Wirkung
klösterlicher Historiographie auf die Umwelt gehandelt. 2011 beschrieb Anne
Müller die Konstruktion von Tradition und die Suggestion der Stabilität in der
klösterlichen Geschichtsschreibung, die in der zeitgenössischen Gesellschaft des
Hochmittelalters den Impuls zur Ausformung von Modellen historischer Kon-
tinuität gegeben und zu einer Konjunktur von Eigengeschichte geführt habe.12
Amy Remensnyder sprach bereits 1995 davon, dass klösterliche Gründungs-
legenden nicht nur auf die Identität der Klöster selbst eingewirkt hätten, son-
dern auch auf den „nexus of social relations in which they were implicated“.13 In
seiner monographischen Synthese zu Geschichte und Lebensformen der Klöster
im Mittelalter resümierte Gert Melville 2012: „Den Impulsen, die das Kloster
seiner Umwelt gab, standen die sich zwangsläufig ergebenden Verwebungen in
die jeweiligen historischen Strukturen des gesellschaftlichen, politischen und
wirtschaftlichen Umfelds gegenüber.“14
Dass historiographische Impulse der Stiftskultur notwendig von der intellek-
tuellen und auch wissenschaftlichen Kapazität der Kanoniker geprägt waren,
hat Volkhard Huth 2004 anhand der hochmittelalterlichen Stiftshistoriogra-
phie aufgezeigt, die maßgeblich auf die Geschichtsschreibung und politische
Theorie ihrer Zeit eingewirkt hat.15 Er spricht schon im Titel seines Werkes von
einer „scholastischen Intellektualität“, die ungeachtet der institutionellen Un-
terschiede grundsätzlich auch für die Klosterkultur in Anspruch genommen
werden kann. Anders als im allgemeinen Sprachgebrauch üblich, wird es für
eine Untersuchung des intellektuellen Innovationspotentials der Klosterkultur
unvermeidlich sein, die Trennung von Monastik und Scholastik terminologisch
zu überbrücken. So paradox es klingen mag, empfiehlt es sich hier, nach dem
„scholastischen Wissen der monastischen Kultur“ zu fragen.
12 Anne Müller, Mechanismen künstlichen Alterns. Zur Raumpräsenz des Vergangenen in
englischen Benediktinerklöstern nach der normannischen Eroberung, in: Nicole Kurnap/
Marco Stoffella (Hgg.), Kontinuität und Diskontinuität in der Ordenslandschaft des Mit-
telalters (MittelalterStudien 25), München 2011, S. 61-77, hier S. 61f., S. 74; vgl. Stephan
Albrecht, Die Inszenierung der Vergangenheit im Mittelalter. Die Klöster von Glaston-
bury und Saint-Denis, Berlin 2003.
13 Amy G. Remensnyder, Remembering Kings Past. Monastic Foundation Legends in Medie-
val Southern France, Ithaca/London 1995, S. 4.
14 Gert Melville, Die Welt der mittelalterlichen Klöster. Geschichte und Lebensformen,
München 2012, S. 304f.
15 Volkhard Huth, Staufische „Reichshistoriographie“ und scholastische Intellektualität. Das
elsässische Augustinerchorherrenstift Marbach im Spannungsfeld von regionaler Überliefe-
rung und universalem Horizont (Mittelalter-Forschungen 14), Ostfildern 2004.
 
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