Die terrestrischen Omina und die Serie summa alu
Die ersten Kompendien mit terrestrischen Omina stammen
aus der altbabylonischen Zeit und wurden im südbabylonischen
Ur sowie in der Grenzfestung Harädum am mittleren Euphrat
gefunden. Der Text aus Ur 9 behandelt ausschließlich das
Erscheinen von verschiedenen Vögeln im Bereich der Stadt, der
Text aus Harädum 10 hingegen bietet neben verschiedenen Tier-
Omina (Skorpion, Schlange, Maus, Groß- und Kleinvieh,
Spinne) auch Beobachtungen am Haus sowie eines Meteors und
nimmt damit schon die Zusammensetzung der späteren kanoni-
schen Serie summa älu vorweg. * 11 Aus der zweiten Hälfte des
zweiten Jahrtausends v. Chr. sind bisher kaum terrestrische
Omina aus Babylonien bekannt geworden, dafür finden sich eini-
ge Texte in Emar am oberen Euphrat und in der hethitischen
Hauptstadt Hattusa. Die zahlreichsten terrestrischen Omina aus
dieser Zeit stammen jedoch aus Assur (siehe dazu unten). Um die
Wende vom zweiten zum ersten vorchristlichen Jahrtausend wur-
den die terrestrischen Omina in der Serie summa älu ina mele
sakin kanonisiert. 12 Der genaue Zeitpunkt der Kanonisierung läßt
sich nicht feststellen, da die ältesten sicher zu datierenden
Textvertreter der Serie erst der Bibliothek des Assurbanipal in
Ninive und dem sog. „Haus des Beschwörungspriesters“ in Assur
aus dem 7. Jh. v. Chr. entstammen. 13 Die Serie summa älu
umfaßte sehr wahrscheinlich 120 Tafeln 14 mit mehr als 10.000
Omina. Der Titel der Serie „Wenn eine Stadt“ war gut gewählt,
da hierin Omina versammelt waren, die insbesondere die
Stadtbewohner betrafen. 15 Die Serie bietet folgende
Anordnung: 16
1.-2. Tafel: Stadt-Omina; Beobachtungen mit Bezug auf die
Lage der Stadt, ihrer Gebäude und topographischen Merkmale,
ihrer Müllhalden und Straßen, an ihren Einwohnern sowie an
übernatürlichen Erscheinungen und Pflanzen.
3.-21. Tafel: Haus-Omina; Beobachtungen im und am
9 D.B. Weisberg, HUCA 40-41 (1969-70) 87-108.
10 F. Joannes, in: Fs. De Meyer, 305-312.
11 S.M. Freedman, City I, S. 13 mit Anm. 61 erwähnt außerdem den noch
unpublizierten altbabylonischen Text BM 109228, der verschiedene Tier-
Omina versammelt.
12 Die Serie wurde erstmals, vor allem auf den Keilschriftautographien in CT
38-41 basierend, von F. Nötscher, Or 39-42 (1929) und Or. 51-54 (1930)
bearbeitet. 1998 legte S.M. Freedman in If a City is Situated on a Height I
eine neue Bearbeitung der Tafeln 1-21 der Serie vor.
13 S.M. Freedman, City I, S. 13 erwähnt den Text BM 108874 (CT 40/48-49)
als frühesten „Summa Alu-type“-Text, den man datieren kann, und zwar auf
Melisipak (1186-1172 v. Chr.). Der Text hat ein Duplikat unter den Ninive-
Texten, gehört aber nicht zur Serie summa älu, sondern stellt einen
„Vorläufer“ dar, der mit einigen Änderungen und Omenumstellungen (siehe
dazu C J. Gadd, CT 40, Tafel 48-49 Anmerkungen) in die spätere Serie inte-
griert wurde.
14 Siehe dazu den bei W. Sallaberger, ZA 90 (2000) 227-262, edierten
Kolophon zur 120. Tafel von summa älu und die Bemerkungen bei N.P.
Heeßel, AfO 49/49 (2001-2002) 233f. zur Länge der Serie. Vgl. auch unten
unter Nr. 37 zu einem Kolophon aus Assur.
15 Siehe dazu schon S.M. Maul, in: RIA 10/1-2, 59a, sowie 60a-b, der die
Tatsache betont, daß auch an Feld und Garten sowie an Flußläufen beobach-
tete Zeichen sich auf Felder, Gärten und Flußläufe in der Stadt beziehen. Zu
einem anderen Verständnis des Aufbaus der Serie siehe A.K. Guinan,
Erotomancy, 186f.
16 Die Darstellung des Aufbaus der Serie orientiert sich mit einigen Änderun-
gen an der Rekonstruktion der Serie durch S.M. Freedman, City 1,19-23 und
329-343. Vgl. auch S.M. Maul, in: RIA 10/1-2, 59-60.
Haus, daranter: beim Errichten der Fundamente (3. Tafel); beim
Abreißen eines Hauses (4. Tafel); beim Bau eines Hauses (5.
Tafel); am äußeren Erscheinungsbild und am Gerach des Hauses
(6. Tafel); anhand der Bewohner und der Einrichtungs-
gegenstände eines Hauses (7. Tafel); am Riegel (?) der Tür (8.
Tafel); 17 am kupfernen Haken des Türriegels (9. Tafel);
Erweiterungen und Reparaturen am Haus, Geräusche des Hauses,
Verhalten und Gefühle von Bewohnern und Besuchern des
Hauses (10. Tafel); am Durchführen von Reparaturen und Riten
im Tempel durch den König, an der Reparatur von Kultstatuen
(11. Tafel); katarru-Schwamm im Haus (12. Tafel); kamünu-
Schwamm im Haus (13. Tafel); an Löchern im und am Haus (14.
Tafel); am Verschütten von Wasser in verschiedenen Teilen des
Hauses und am Aussehen des verschütteten Wassers (15. Tafel);
beim Bau einer Gruft und anhand von Geschehnissen darin (16.
Tafel); beim Anlegen eines Brunnens und der Beschaffenheit des
Wassers (17. Tafel); beim Verkauf von Häusern und anderem
Besitz (18. Tafel); 18 an Dämonen und Geistern im Haus (19.
Tafel); an Lichterscheinungen im Haus (20. Tafel); an Toten-
erscheinungen, Kranken und sexuell erregten Menschen und
Tieren im Haus, an den Geräuschen, die Tiere im Haus machen
(21. Tafel).
22.-49. Tafel: Tier-Omina; Beobachtungen von Tieren im
Haus, Tempel oder in der Stadt. Die Tier-Omina folgen der
Anordnung: Schlange (22.-26. Tafel), Skorpion (29. 19-31. Tafel),
Eidechse (32. Tafel), Skink, Gecko, Agame (33. Tafel und 33a),
Mungo (34. Tafel), Maus und andere Nagetiere (35.-36. Tafel),
Ameisen (37. Tafel), Insekten (38. Tafel), Spinne (39. Tafel), 20
Holzwurm (40. Tafel), Schaf (41. Tafel), Rind (42. Tafel), Esel
und Pferd (43. Tafel), Wildtiere (44. Tafel, daranter Wildkuh,
Elefant, Affe, Löwe, Wolf, Gazelle, Fuchs), Katze (45. Tafel),
Hund (46.-48. Tafel) und Schwein (49. Tafel und 49a).
50.-52. Tafel: Feuer-Omina; Beobachtungen von
Blitzeinschlägen und Feuersbrünsten (50.-51. Tafel), vom Feuer
in Öfen und Räucherständern (52. Tafel).
53. Tafel: Beobachtungen des sozialen Verhaltens des
Königs. Die Omina weisen Ähnlichkeiten zum sog. „babyloni-
schen Fürstenspiegel“ auf.
54. -60. Tafel: Feld- und Garten-Omina; Beobachtungen
beim Kauf von Brachland, beim Anlegen von Kanälen oder der
Aussaat auf Feldern (54. Tafel), Beobachtungen von Feldern (55.
Tafel), beim Pflanzen von Dattelpalmen (56. Tafel) und Gärten
(57. Tafel), des Wachstums und der ungewöhnlichen
Veränderungen von Dattelpalmen (58. Tafel) und anderen
Pflanzen (59. Tafel) sowie von Absonderungen der Erde und dem
Vorhandensein von Bäumen und Pflanzen in den Speichern der
Stadt (60. Tafel 21).
17 Zum Inhalt der 8. Tafel siehe unten S. 29f. die Anmerkungen zu Nr. 6 V 5’.
^ Zur 18. Tafel von summa älu siehe E. Reiner, NABU 2004/86.
19 Daß auch die 29. Tafel Skorpion-Omina enthält, läßt sich an K 1 (CT 41/26)
Vs. 1-8 ersehen, da hier Skorpion-Omina der „27. Tafel“ (= 29. Tafel der
Rekonstruktion von S.M. Freedman, City I, 19-23) kommentiert werden.
20 Siehe N.P. Heeßel, AfO 48/49 (2001-2002) 236.
21 Die Annahme, daß in dieser Tafel auch das „Brennen“ von verschiedenen
Dingen abgehandelt wurde (so S.M. Moren, summa alu 206, gefolgt von
S.M. Maul, in: RIA 10, 60a; anders CJ. Gadd, CT 39, S. 6), dürfte auf eine
Fehlübersetzung zurückgehen.
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Die ersten Kompendien mit terrestrischen Omina stammen
aus der altbabylonischen Zeit und wurden im südbabylonischen
Ur sowie in der Grenzfestung Harädum am mittleren Euphrat
gefunden. Der Text aus Ur 9 behandelt ausschließlich das
Erscheinen von verschiedenen Vögeln im Bereich der Stadt, der
Text aus Harädum 10 hingegen bietet neben verschiedenen Tier-
Omina (Skorpion, Schlange, Maus, Groß- und Kleinvieh,
Spinne) auch Beobachtungen am Haus sowie eines Meteors und
nimmt damit schon die Zusammensetzung der späteren kanoni-
schen Serie summa älu vorweg. * 11 Aus der zweiten Hälfte des
zweiten Jahrtausends v. Chr. sind bisher kaum terrestrische
Omina aus Babylonien bekannt geworden, dafür finden sich eini-
ge Texte in Emar am oberen Euphrat und in der hethitischen
Hauptstadt Hattusa. Die zahlreichsten terrestrischen Omina aus
dieser Zeit stammen jedoch aus Assur (siehe dazu unten). Um die
Wende vom zweiten zum ersten vorchristlichen Jahrtausend wur-
den die terrestrischen Omina in der Serie summa älu ina mele
sakin kanonisiert. 12 Der genaue Zeitpunkt der Kanonisierung läßt
sich nicht feststellen, da die ältesten sicher zu datierenden
Textvertreter der Serie erst der Bibliothek des Assurbanipal in
Ninive und dem sog. „Haus des Beschwörungspriesters“ in Assur
aus dem 7. Jh. v. Chr. entstammen. 13 Die Serie summa älu
umfaßte sehr wahrscheinlich 120 Tafeln 14 mit mehr als 10.000
Omina. Der Titel der Serie „Wenn eine Stadt“ war gut gewählt,
da hierin Omina versammelt waren, die insbesondere die
Stadtbewohner betrafen. 15 Die Serie bietet folgende
Anordnung: 16
1.-2. Tafel: Stadt-Omina; Beobachtungen mit Bezug auf die
Lage der Stadt, ihrer Gebäude und topographischen Merkmale,
ihrer Müllhalden und Straßen, an ihren Einwohnern sowie an
übernatürlichen Erscheinungen und Pflanzen.
3.-21. Tafel: Haus-Omina; Beobachtungen im und am
9 D.B. Weisberg, HUCA 40-41 (1969-70) 87-108.
10 F. Joannes, in: Fs. De Meyer, 305-312.
11 S.M. Freedman, City I, S. 13 mit Anm. 61 erwähnt außerdem den noch
unpublizierten altbabylonischen Text BM 109228, der verschiedene Tier-
Omina versammelt.
12 Die Serie wurde erstmals, vor allem auf den Keilschriftautographien in CT
38-41 basierend, von F. Nötscher, Or 39-42 (1929) und Or. 51-54 (1930)
bearbeitet. 1998 legte S.M. Freedman in If a City is Situated on a Height I
eine neue Bearbeitung der Tafeln 1-21 der Serie vor.
13 S.M. Freedman, City I, S. 13 erwähnt den Text BM 108874 (CT 40/48-49)
als frühesten „Summa Alu-type“-Text, den man datieren kann, und zwar auf
Melisipak (1186-1172 v. Chr.). Der Text hat ein Duplikat unter den Ninive-
Texten, gehört aber nicht zur Serie summa älu, sondern stellt einen
„Vorläufer“ dar, der mit einigen Änderungen und Omenumstellungen (siehe
dazu C J. Gadd, CT 40, Tafel 48-49 Anmerkungen) in die spätere Serie inte-
griert wurde.
14 Siehe dazu den bei W. Sallaberger, ZA 90 (2000) 227-262, edierten
Kolophon zur 120. Tafel von summa älu und die Bemerkungen bei N.P.
Heeßel, AfO 49/49 (2001-2002) 233f. zur Länge der Serie. Vgl. auch unten
unter Nr. 37 zu einem Kolophon aus Assur.
15 Siehe dazu schon S.M. Maul, in: RIA 10/1-2, 59a, sowie 60a-b, der die
Tatsache betont, daß auch an Feld und Garten sowie an Flußläufen beobach-
tete Zeichen sich auf Felder, Gärten und Flußläufe in der Stadt beziehen. Zu
einem anderen Verständnis des Aufbaus der Serie siehe A.K. Guinan,
Erotomancy, 186f.
16 Die Darstellung des Aufbaus der Serie orientiert sich mit einigen Änderun-
gen an der Rekonstruktion der Serie durch S.M. Freedman, City 1,19-23 und
329-343. Vgl. auch S.M. Maul, in: RIA 10/1-2, 59-60.
Haus, daranter: beim Errichten der Fundamente (3. Tafel); beim
Abreißen eines Hauses (4. Tafel); beim Bau eines Hauses (5.
Tafel); am äußeren Erscheinungsbild und am Gerach des Hauses
(6. Tafel); anhand der Bewohner und der Einrichtungs-
gegenstände eines Hauses (7. Tafel); am Riegel (?) der Tür (8.
Tafel); 17 am kupfernen Haken des Türriegels (9. Tafel);
Erweiterungen und Reparaturen am Haus, Geräusche des Hauses,
Verhalten und Gefühle von Bewohnern und Besuchern des
Hauses (10. Tafel); am Durchführen von Reparaturen und Riten
im Tempel durch den König, an der Reparatur von Kultstatuen
(11. Tafel); katarru-Schwamm im Haus (12. Tafel); kamünu-
Schwamm im Haus (13. Tafel); an Löchern im und am Haus (14.
Tafel); am Verschütten von Wasser in verschiedenen Teilen des
Hauses und am Aussehen des verschütteten Wassers (15. Tafel);
beim Bau einer Gruft und anhand von Geschehnissen darin (16.
Tafel); beim Anlegen eines Brunnens und der Beschaffenheit des
Wassers (17. Tafel); beim Verkauf von Häusern und anderem
Besitz (18. Tafel); 18 an Dämonen und Geistern im Haus (19.
Tafel); an Lichterscheinungen im Haus (20. Tafel); an Toten-
erscheinungen, Kranken und sexuell erregten Menschen und
Tieren im Haus, an den Geräuschen, die Tiere im Haus machen
(21. Tafel).
22.-49. Tafel: Tier-Omina; Beobachtungen von Tieren im
Haus, Tempel oder in der Stadt. Die Tier-Omina folgen der
Anordnung: Schlange (22.-26. Tafel), Skorpion (29. 19-31. Tafel),
Eidechse (32. Tafel), Skink, Gecko, Agame (33. Tafel und 33a),
Mungo (34. Tafel), Maus und andere Nagetiere (35.-36. Tafel),
Ameisen (37. Tafel), Insekten (38. Tafel), Spinne (39. Tafel), 20
Holzwurm (40. Tafel), Schaf (41. Tafel), Rind (42. Tafel), Esel
und Pferd (43. Tafel), Wildtiere (44. Tafel, daranter Wildkuh,
Elefant, Affe, Löwe, Wolf, Gazelle, Fuchs), Katze (45. Tafel),
Hund (46.-48. Tafel) und Schwein (49. Tafel und 49a).
50.-52. Tafel: Feuer-Omina; Beobachtungen von
Blitzeinschlägen und Feuersbrünsten (50.-51. Tafel), vom Feuer
in Öfen und Räucherständern (52. Tafel).
53. Tafel: Beobachtungen des sozialen Verhaltens des
Königs. Die Omina weisen Ähnlichkeiten zum sog. „babyloni-
schen Fürstenspiegel“ auf.
54. -60. Tafel: Feld- und Garten-Omina; Beobachtungen
beim Kauf von Brachland, beim Anlegen von Kanälen oder der
Aussaat auf Feldern (54. Tafel), Beobachtungen von Feldern (55.
Tafel), beim Pflanzen von Dattelpalmen (56. Tafel) und Gärten
(57. Tafel), des Wachstums und der ungewöhnlichen
Veränderungen von Dattelpalmen (58. Tafel) und anderen
Pflanzen (59. Tafel) sowie von Absonderungen der Erde und dem
Vorhandensein von Bäumen und Pflanzen in den Speichern der
Stadt (60. Tafel 21).
17 Zum Inhalt der 8. Tafel siehe unten S. 29f. die Anmerkungen zu Nr. 6 V 5’.
^ Zur 18. Tafel von summa älu siehe E. Reiner, NABU 2004/86.
19 Daß auch die 29. Tafel Skorpion-Omina enthält, läßt sich an K 1 (CT 41/26)
Vs. 1-8 ersehen, da hier Skorpion-Omina der „27. Tafel“ (= 29. Tafel der
Rekonstruktion von S.M. Freedman, City I, 19-23) kommentiert werden.
20 Siehe N.P. Heeßel, AfO 48/49 (2001-2002) 236.
21 Die Annahme, daß in dieser Tafel auch das „Brennen“ von verschiedenen
Dingen abgehandelt wurde (so S.M. Moren, summa alu 206, gefolgt von
S.M. Maul, in: RIA 10, 60a; anders CJ. Gadd, CT 39, S. 6), dürfte auf eine
Fehlübersetzung zurückgehen.
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