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Heeßel, Nils P.; Maul, Stefan M. [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Keilschrifttexte aus Assur literarischen Inhalts (Band 1): Divinatorische Texte: I. Terrestrische, teratologische, physiognomische und oneiromantische Omina — Wiesbaden: Harrassowitz, 2007

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https://doi.org/10.11588/diglit.32126#0025
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den physiognomischen Omina nicht eine erste Kanonisierung,
sondern vielmehr eine „Gegenserialisierung“ darstellt, wird jetzt
durch VAT 10493+ (Nr. 51) zur Gewißheit, da dieser Text über-
raschend explizit von der „älteren alamdimmü-Serie“ spricht,
„die Esagil-kln-apli nicht abgelöst“ habe (III 6-7). 90 Zwei weite-
re, frühneuassyrisch zu datierende Tafelfragmente (Nr. 49-50)
bieten Omina wie sie auch in den alamdimmü-Senen erscheinen:
einerseits die Beobachtung des menschlichen Nackens und ande-
rerseits Vergleiche zwischen einem Körperteil und verschiede-
nen Gegenständen. Omina, die das Verhalten, besonders jedoch
die Sprache eines Menschen ausdeuten, wie sie in den Serien nig-
dimdimmü und kataduggü versammelt sind, wurden bislang in
Assur nicht gefunden. Zwei größere Tafelfragmente, VAT 9980+
(KAR 206+466) und VAT 9973 (KAR 472), bieten Omina
anhand der Beobachtung des weiblichen Körpers und weisen
Parallelen zur Serie summa sinnistu qaqqada rabät auf. 91 Drei
Texte (Nr. 52-54), jeweils aus der mittel-, frühneu- und neuassy-
rischen Zeit, behandeln Körpermal-Omina, insbesondere das
umsatu genannte Hautmal. Alle drei Fragmente weisen Ähnlich-
keiten zu den umsatu-Ominn der Serie summa liptu auf, ohne
jedoch selbst zur Serie zu gehören 92

Die oneiromantischen Omina aus Assur

Obwohl die Deutung von Träumen im Alten Orient zu den
ältesten Divinationspraktiken gehört 93 sind erste Sammlungen
von oneiromantischen Texten bislang nicht vor der Mitte des 2.

90 Aufgrund der für die Traditionsgeschichte der altorientalischen Texte großen
Bedeutung dieses Textes wird er vom Verfasser ausführlich in „Neues von
Esagil-kin-apli. Die ältere Version der Serie alamdimmü“, (im Druck) bear-
beitet.

91 Die beiden Texte sind von B. Böck, Morphoskopie, 152-171 bearbeitet wor-
den. Obwohl die Texte von Böck als Duplikate zu Texten aus Ninive und
Uruk bearbeitet wurden (vgl. auch ebd. S. 7), machen viele Auslassungen
und Hinzufügungen deutlich, daß es sich bei den Assur-Texten um Omina
handelt, die Parallelen zu den Ninive- und Uruk-Texten aufweisen, aber
keine Duplikate sind.

9- Die beiden Tafelfragmente KAR 391 und KAR 401 weisen Beobachtungen
am menschlichen Körpers auf und sind als physiognomische Omina bezeich-
net worden. B. Böck, Morphoskopie, 7 hat ihre Zugehörigkeit zum physio-
gnomischen Korpus bezweifelt und sie statt dessen den medizinisch-diagno-
stischen oder, im Falle von KAR 401, auch den therapeutischen Texten
zugeordnet. Jedoch weisen die beiden Fragmente für medizinisch-diagnosti-
sche Texte so untypische Symptombeschreibungen auf, daß sie sich schwer-
lich dieser Textgruppe zuordnen lassen.

93 Allgemein zur Traumdeutung im Alten Orient siehe die ausführliche
Einführung von A.F. Oppenheim, Dream-book und weiterhin S.A.F. Butler,
Dreams; A. Zgoll, WO 32 (2002) 74-101 und W. Sommerfeld, in: Heilkunde
I, 201-219. Einen kurzen, konzisen Überblick bietet S.M. Maul, in: RIA 10,
68f.

Jt. v. Chr. belegt. Vereinzelte Texte aus der zweiten Hälfte des
zweiten vorchristlichen Jahrtausends fanden sich in Babylon,
Susa und Hattusa 94 doch die meisten Traum-Omina stammen
aus dem 7. Jh. v. Chr. und wurden in Ninive gefunden. Sie
gehören zu einer nach dem babylonisch-assyrischen Traumgott
AZaqiqu benannten, aus elf Tafeln bestehenden Serie, die den
Traum-Omina acht Tafeln und den zugehörigen Ritualen drei
Tafeln widmet. 95 Die Serie wird auch „Das assyrische
Traumbuch“ genannt, da sich bisher keine babylonischen
Textzeugnisse dafür fanden.

In Assur sind mehrere Tafeln mit Ritualtexten zur
Traumdeutung gefunden wurden 96 jedoch mit VAT 14180 +
VAT 14279 (Nr. 55) nur ein einziges Tafelfragment mit Traum-
Omina 97 Der Text dieses neuassyrischen, im „Haus des
Beschwörungspriesters“ (ALA, N 4) gefundenen Tafelbruch-
stücks dupliziert Teile der „Tafel B“ der Serie c[ZaqIqu 98
Allerdings ist VAT 14180+ kein direktes Duplikat zur Serie, son-
dern bietet drei Abschnitte der Tafel B in veränderter
Reihenfolge 99 Dennoch hat A. Leo Oppenheim vermutet, dieser
Assur-Text sei ein kanonischer Textvertreter der Serie
AZaqiqu. 10° Leider ist weder eine Stichzeile noch ein Kolophon
auf VAT 14180+ erhalten, so daß nicht geklärt werden kann, ob
der Text tatsächlich der Serie zugehörig war, oder ob er - in einer
anderen Tradition stehend - „Textbausteine“ enthielt, die vom
Kompilator der Serie AZaqiqu in anderer Reihenfolge verwendet
wurden.

94 Zu den beiden Texten aus Babylon und Susa siehe A.F. Oppenheim, Dream-
book, 256-260, zu den hethitischen oneiromantischen Omina siehe K.K.
Riemschneider, DBH 12, 8 und 153f.

95 Die Serie wurde von A.F. Oppenheim erstmals in Dream-book bearbeitet
und in Iraq 31 (1969) 153-165 um weitere Fragmente ergänzt. J. MacGinnis,
SAAB VI/I (1992) 6-11 hat einen weiteren Text aus Ninive mit Traum-
Omina publiziert. Andere Traum-Omina aus dem 1. Jt. v. Chr. fanden sich in
einer babylonischen Stadt, siehe dazu A.F. Oppenheim, Iraq 31 (1969) 159-
164 (Nr. 5: BM 45527) und in Assur, siehe dazu unten.

9^ Zu den in Assur gefundenen Traumritualen siehe A.L Oppenheim, Dream-
book, 295-307 und S.A.L. Butler, Dreams, 249-377.

97 VAT 14279 hat bereits A.L Oppenheim, Dream-book, Taf. X in Fotografie
publiziert und auf S. 324 bearbeitet. S.M. Maul konnte das Fragment VAT
14180 mit VAT 14279 zusammenschließen, wodurch ein weiterer Abschnitt
der „Tafel B“ des „assyrischen Traumbuches“ in dem Assur-Text gewonnen
wird.

9^ Zur Tafel „B“ und ihrem Platz in der Serie siehe A.L. Oppenheim, Dream-
book,276-281.

99 Siehe dazu im Einzelnen die nachgewiesenen Parallelen zu Nr. 55.

1°°A.L. Oppenheim, Dream-book, 260: „The arrangement of the lines within
the individual tablets was somewhat different, but in any other respect the
series Ziqiqu was already “canonified“ in Assur.“

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