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Maul, Stefan M.; Maul, Stefan M. [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]
Keilschrifttexte aus Assur literarischen Inhalts (Band 10, Teilband 1): Einleitung, Katalog und Textbearbeitungen — Wiesbaden: Harrassowitz Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.57036#0295
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Bannlösung (nam-erim-bür-ru-da)

dem Zusatz saqlütu (wörtlich: Abgewogene) darauf hinweisen wollten, daß es ihnen im Fall der vorliegenden
Rezepte dringend geboten erschien, die Ingredienzien ganz genau abzuwiegen (siehe dazu auch CAD S/II 15
s. v. saqhi). Hierzu paßt, daß in der vorliegenden Rezeptsammlung - anders als in den meisten vergleichbaren
Texten - tatsächlich Mengenangaben gemacht werden (siehe Z. 14-16) bzw. auf das Abwiegen der Pharmaka
(siehe Z. 28; Z. 44; vgl. Z. 40) ausdrücklich Bezug genommen wird.
Jeder einzelnen Anweisung zur Medikamentenherstellung ist die Beschreibung eines zugehörigen
Krankheitsbildes vorangestellt. Dabei scheint vom ersten bis zum vierten Abschnitt der Rezeptsammlung die
Schwere der Krankheit zuzunehmen. Im Mittelpunkt stehen stets Magen-Darm-Beschwerden. Die ersten drei
Medikamente (Z. 1-8; Z. 9-20; Z. 21-31) sind Abführmittel. Das erste wurde peroral auf nüchternen Magen, die
beiden anderen rektal als Einläufe verabreicht, der eine davon in kaltem, der andere in warmem Zustand. Das
vierte Heilmittel (Z. 32-44) wurde vermutlich heiß oder zumindest temperiert auf einen Wickel (markastw, siehe
Z. 39) aufgetragen.
Es bleibt unklar, ob der Textvertreter C zu der in den beiden anderen Textzeugen vorliegenden Rezeptsammlung
oder aber zu einer anderen Zusammenstellung gehört, in der lediglich eines der aus den anderen Textvertretem
bekannten Rezepte niedergeschrieben ist.
Umschrift und Übersetzung der Zeilen 1-6 Enden sich, wenngleich mit starken Abweichungen von dem hier
vorgelegten Text, in J. Scurlock. B. R. Andersen. Diagnoses. 24 unter 2.38 und 509 unter 19.317.
In Textvertreter A ist die erste Zeile stark beschädigt. Auch wenn F. Köcher in BAM 49. 1 die Zeichen
SÄ-sü als unbeschädigt angibt, bleibt die Lesung unsicher. Es könnte dort ebenso gut SÄ.MES-«/ gestanden
haben. J. Scurlock und B. R. Andersen (s. o.) haben die Verbalform am Ende der Zeile nicht ergänzt. Zwei
Ergänzungsmöglichkeiten, mit ähnlicher Bedeutung kommen in Betracht. Entweder ist qerbüsu itte\nenmirü\,
"seine Eingeweide blähen sich immer wieder auf' (emeru(m) II. Ntn [siehe auch Text Nr. 80. 23’]). oder aber
qerbüsu itte\nenbitü\, “seine Eingeweide schwellen immer wieder an” (ebetutpi) I. Ntn) zu lesen.
Das mit der logographischen Schreibung A.GA.ZI bezeichnete Leiden ist aus mehreren medizinischen Texten
bekannt, die in Assur gefunden wurden (siehe BAM 72-76 und ferner BAM 176. 8 ’). Darin sind Anleitungen zur
Herstellung von Arzneien zusammengestellt, die die von A.GA.ZI verursachten Beschwerden bekämpfen sollten.
In BAM 75. 5-9 Endet sich darüber hinaus eine Beschreibung des zugehörigen Krankheitsbildes (siehe dazu auch
J. Scurlock. B. R. Andersen. Diagnoses. 135 unter 6.103). Die akkadische Entsprechung zu der logographischen
Schreibung A.GA.ZI ist immer noch unbekannt. Scurlock und Andersen vermuten aufgrund der ähnlichen
Krankheitsbilder, daß “the Sumerian term A.GA.ZI and the Akkadian term tugänu ... are interchangeable.”
Darüber hinaus fehlen allerdings jegliche Hinweise darauf, daß die Schreibung A.GA.ZI für die akkadische
Krankheitsbezeichnung dugänultugänu Verwendung fand.
Abweichend von J. Scurlock. B. R. Andersen. Diagnoses. 24 unter 2.38 und 509 unter 19.317 ist statt
GABA.MES-.s7/ wohl DUx.MES-.s7/ zu lesen (siehe dazu auch CAD P 450 s. v. pitru). In Anlehnung an AHw 870b
s. v. pitridjri), ebd.. 953 s. v. ramütpi) III. Gtn und CAD R 128 s. v. ramü wurde hierpitrü gelesen.
Wörtlich bedeutet nihis narkabti “Zurückrollen des Wagens” o. ä. Doch aus BAM 397 (Ni 2267). 3 geht eindeutig
hervor, daß die mesopotamischen Heiler mit dem Begriff nihis narkabti eine Krankheit bezeichneten, die mit
Magen-Darmproblemen verbunden war. Daher ist die in J. Scurlock. B. R. Andersen. Diagnoses. 24 unter 2.38
und 509 unter 19.317 vorgeschlagene Übersetzung “he is unable to bear being jostled in a chariof' nicht haltbar.
Die Lesung der logographischen Schreibung "eäGI ,ZÜ LUM. M A kann noch nicht sicher besümmt werden. Neben
küru (so R. Borger. MZL. 280) kommen auch die Pflanzennamen businnu (siehe CAD B 348a) und kursiptu
(siehe CAD K 568b) in Betracht.
Ähnliche Rezepte finden sich in BAM 574 (K 191+). Kol. I. 26-30 (Brech- und Abführmittel) und BAM 575
(K71+).Kol. IV. 48-53.
Umschrift und Übersetzung der Zeilen 9-14 finden sich in J. Scurlock. B. R. Andersen. Diagnoses. 130 unter
6.77. 181-182 unter 8.87 und 509 unter 19.318.
Der nicht erhaltene Anfang der Zeile Text C. 2’ war entweder unbeschrieben, oder dort stand (abweichend von
den beiden Duplikaten) ein u bzw. ein ü. das die beiden Verbalformen issanahur und ilebbu verband.
In Text A steht gegen F. Köchers Autographie in BAM 49 eb-tu (und nicht eb-tü).
Nach den von M. Stol vorgelegten Untersuchungen ist kasü nicht etwa der “Senf’ (so AHw 455a). sondern
die schlingende, im Deutschen ‘Teufelszwirn’ genannte Schmarotzerpflanze Cuscuta (siehe M. Stol. in:
L. Milano (Hrsg.). Drinking in ancient societies. 175-179; weiter Literatur zu der A’aw?-Pflanze hat A. Kleinerman
in ihrem Buch Education in early 2nd millennium BC Babylonia. 157 zusammengestellt).
Um einen wirksamen Pflanzenauszug zu erhalten, sollte die Mazeration in den Nachtstunden durchgeführt
werden. Die Wirksamkeit der Lösung entstand nach der Vorstellung der mesopotamischen Heiler aber nicht
zuletzt dadurch, daß man das Mazerat dem Sternenlicht aussetzte (hierzu siehe E. Reiner. Astral magic. 48-53
und zuletzt J. Z. Wee. JNES 73.23-42). Dem “Ziegengesüm” genannten Sternbild Lyra kam dabei eine besondere
Stellung zu. da man es mit der Heilgöttin Gula verband. In BAM 579 (K 5834+). Kol. IV. 38 ist dieses Sternbild
“Hof der Gula” genannt (siehe unten den Kommentar zu den Zeilen 37-38).
In Text Nr. 78. 36-37 ist in ähnlichem Kontext die Hinwendung zu der Heilgöttin Gula vorgeschrieben.
 
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