Einleitung des Herausgebers
In der Philosophie ist Jaspers zeitlebens ein Außenseiter gewesen und ist es bis heute
geblieben. Er selbst hat es so gesehen, und ein Blick in die Wirkungsgeschichte seines
Denkens bestätigt diese Sicht. Obwohl seine Bücher hohe Auflagen erzielten, hat Jas-
pers keine Denktradition begründet. Nicht einmal in der akademischen Fachphiloso-
phie hat er nennenswerte Spuren hinterlassen. Trotz seiner Gabe, komplexe Zusam-
menhänge einfach darzustellen, hat sein Denken keine Schule gemacht. Seine Lehre
vom Umgreifenden, die Periechontologie, deren Entfaltung im logischen Hauptwerk
Von der Wahrheit mehrere hundert Seiten in Anspruch nimmt, ist in den kleineren, an
ein breites Publikum adressierten systematischen Schriften wie Einführung in die Phi-
losophie oder Kleine Schule des philosophischen Denkens ohne Substanzverlust auf den
Umfang eines Vortrags oder einer Vorlesung heruntergebrochen, doch der damit ver-
knüpfte Appell, selbst periechontologisch zu denken, ist wirkungslos verpufft. Dem
widerspricht nicht, dass Jaspers mit Begriffen wie »Grenzsituation« oder »Achsenzeit«
in zahlreichen Diskursen als Stichwortgeber präsent ist. Vielmehr bestätigt es nur den
Befund: Jaspers wird selektiv und reduziert gelesen.
Die Gründe für diese Sonderstellung sind hausgemacht. Jaspers hat in bewunderns-
werter Klarheit und mit beeindruckender Konsequenz daran festgehalten, dass das tra-
gende Fundament seines Denkens der Glaube ist. Wer so vorgeht, setzt sich von phi-
losophischer Seite dem Verdacht aus, die Unabhängigkeit des Philosophierens
preiszugeben. Da nützt es wenig, dass Jaspers diesen Glauben einen philosophischen
nennt und ihn ausdrücklich vom religiösen Glauben abgrenzt, indem er gegenüber
der Offenbarung die Vernunft, gegenüber der Autorität die Freiheit und gegenüber
dem Gehorsam das Selbstsein betont. Der philosophische Glaube mag bestimmt sein,
wie er will: Als Glaube haftet ihm das Odium an, ab einem bestimmten Punkt das kri-
tische Fragen der Philosophie an die fertigen Antworten der Religion auszuliefern.
Stellvertretend für viele sei an dieser Stelle das Urteil Wilhelm Weischedels ge-
nannt, weil hier die Vorbehalte, mit denen sich der philosophische Glaube konfron-
tiert sieht, besonders deutlich zum Vorschein kommen. In seinem Entwurf einer phi-
losophischen Theologie, die schon durch ihren bloßen Namen eine auffallende Nähe
zum philosophischen Glauben verrät, geht Weischedel von denselben Voraussetzun-
gen wie Jaspers aus. Er teilt mit ihm die epochale Erfahrung der Fraglichkeit allen Seins
sowie die Überzeugung, dass dem zunehmenden Wirklichkeitsverlust allein durch phi-
losophisches Denken beizukommen sei, und zwar durch ein philosophisches Denken,
das in dem Bewusstsein, nicht unter das Reflexionsniveau seiner Geschichte fallen zu
In der Philosophie ist Jaspers zeitlebens ein Außenseiter gewesen und ist es bis heute
geblieben. Er selbst hat es so gesehen, und ein Blick in die Wirkungsgeschichte seines
Denkens bestätigt diese Sicht. Obwohl seine Bücher hohe Auflagen erzielten, hat Jas-
pers keine Denktradition begründet. Nicht einmal in der akademischen Fachphiloso-
phie hat er nennenswerte Spuren hinterlassen. Trotz seiner Gabe, komplexe Zusam-
menhänge einfach darzustellen, hat sein Denken keine Schule gemacht. Seine Lehre
vom Umgreifenden, die Periechontologie, deren Entfaltung im logischen Hauptwerk
Von der Wahrheit mehrere hundert Seiten in Anspruch nimmt, ist in den kleineren, an
ein breites Publikum adressierten systematischen Schriften wie Einführung in die Phi-
losophie oder Kleine Schule des philosophischen Denkens ohne Substanzverlust auf den
Umfang eines Vortrags oder einer Vorlesung heruntergebrochen, doch der damit ver-
knüpfte Appell, selbst periechontologisch zu denken, ist wirkungslos verpufft. Dem
widerspricht nicht, dass Jaspers mit Begriffen wie »Grenzsituation« oder »Achsenzeit«
in zahlreichen Diskursen als Stichwortgeber präsent ist. Vielmehr bestätigt es nur den
Befund: Jaspers wird selektiv und reduziert gelesen.
Die Gründe für diese Sonderstellung sind hausgemacht. Jaspers hat in bewunderns-
werter Klarheit und mit beeindruckender Konsequenz daran festgehalten, dass das tra-
gende Fundament seines Denkens der Glaube ist. Wer so vorgeht, setzt sich von phi-
losophischer Seite dem Verdacht aus, die Unabhängigkeit des Philosophierens
preiszugeben. Da nützt es wenig, dass Jaspers diesen Glauben einen philosophischen
nennt und ihn ausdrücklich vom religiösen Glauben abgrenzt, indem er gegenüber
der Offenbarung die Vernunft, gegenüber der Autorität die Freiheit und gegenüber
dem Gehorsam das Selbstsein betont. Der philosophische Glaube mag bestimmt sein,
wie er will: Als Glaube haftet ihm das Odium an, ab einem bestimmten Punkt das kri-
tische Fragen der Philosophie an die fertigen Antworten der Religion auszuliefern.
Stellvertretend für viele sei an dieser Stelle das Urteil Wilhelm Weischedels ge-
nannt, weil hier die Vorbehalte, mit denen sich der philosophische Glaube konfron-
tiert sieht, besonders deutlich zum Vorschein kommen. In seinem Entwurf einer phi-
losophischen Theologie, die schon durch ihren bloßen Namen eine auffallende Nähe
zum philosophischen Glauben verrät, geht Weischedel von denselben Voraussetzun-
gen wie Jaspers aus. Er teilt mit ihm die epochale Erfahrung der Fraglichkeit allen Seins
sowie die Überzeugung, dass dem zunehmenden Wirklichkeitsverlust allein durch phi-
losophisches Denken beizukommen sei, und zwar durch ein philosophisches Denken,
das in dem Bewusstsein, nicht unter das Reflexionsniveau seiner Geschichte fallen zu