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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 13): Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51323#0109
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Der philosophische Glaube angesichts der christlichen Offenbarung

I. Der alte Gegensatz von
Vernunft und Glaube trifft nicht mehr
das Wesentliche
a. Die Situation im Denken des Offenbarungsglaubens
Der Glaube an Offenbarung ist als Tatsache in der Welt. Was aber Offenbarung sei, ver-
steht nur der Glaubende. Philosophie kann Offenbarung nicht verstehen. Philosophie
aber läßt seit Sokrates den philosophisch denkenden Menschen unterscheiden, was
er versteht und was er nicht versteht. Was er nicht versteht, verleugnet er darum nicht
und braucht er nicht als gleichgültig beiseite liegen zu lassen.
i. Der Begriff der Offenbarung. - Kann er wenigstens das Nichtverstandene von au-
ßen wiedererkennen als etwas, das für andere da ist? Was ist Offenbarung in diesem
Sinne, nach dem auch der Nichtglaubende fragen kann? Von außen sieht ihre Reali-
tät so aus:
Offenbarung ist eine direkte Mitteilung Gottes in Raum und Zeit, an bestimmten
Orten historisch lokalisiert. Offenbarung ist eine Wirklichkeit, deren eine Seite der
profanen Geschichte angehört, während sie selber heilige Geschichte ist. Dem Glau-
benden fallen heilige und profane Geschichte in eins. Daher will er aus der geschicht-
4 liehen Überlieferung | wissen, wie es war, meint die Realität, aber zugleich meint er
darin etwas ganz anderes, das als Wirklichkeit bleibt, auch wenn das Historische un-
gewiß und unklar wird. Daher das große Interesse für das historisch Faktische, in dem
die Offenbarung vorliegen soll, und zugleich die Unwichtigkeit dieses Faktischen,
wenn es sich um die Offenbarung selbst handelt. Denn diese wird geglaubt und nicht
durch historischen Erweis gewußt.
Wenn die direkte Mitteilung Gottes in der Offenbarung als Realität da wäre, so wie
eine Mitteilung von Menschen an Menschen, dann könnte sie wie andere historische
Tatsachen mehr oder weniger sicher dokumentarisch bewiesen werden. Da sie aber
nur für den Glauben da ist, muß die direkte Mitteilung Gottes von vornherein einen
grundsätzlich anderen Charakter haben als direkte menschliche Mitteilung. Sie ist
eine Wirklichkeit, die so wenig gewiß da ist, daß es das »Verdienstliche« des Glaubens
ist, sie zu glauben (obgleich dieses Glaubenkönnen nicht frei, sondern selber von dem
sich offenbarenden Gotte gegeben wird). Aber die Offenbarungswirklichkeit ist doch
in dem Maße auch als Realität da, daß es »Schuld« des Menschen ist, sie nicht zu glau-
 
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