Metadaten

Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 13): Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung — Basel: Schwabe Verlag, 2016

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.51323#0074
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Einleitung des Herausgebers

LXXIII

mern hilft.«344 Jaspers widersprach dem nicht, im Gegenteil, er schien Werner darin zu
bestätigen. »Dass ein Theologe sich sachlich so weitgehend mit dem Philosophieren
trifft, dem ich zu meinem bescheidenen Teil diene, ist wohl selten«, schrieb er ihm zu-
rück.345 Fünf Jahre später sah er sich ihm gegenüber sogar veranlasst, seine inzwischen
berühmt gewordene Äußerung über die misslingenden Gespräche mit Theologen zu
revidieren: »Mein hier in der Schweiz öfters citiertes Wort, mit den Theologen könne
man nicht reden, ist falsch geworden. [...] Sie wissen, wie wohl es einem Autor tut,
recht verstanden zu werden. Das gilt vor allem, wenn ein Mann wie Sie, dessen Ton in
der Sprache schon ich als gesinnungsverwandt spüre, und der durch bedeutende For-
schungen auf Gebieten, auf denen ich vollkommen Laie bin, ausgezeichnet ist, mei-
nem Denken einen Sinn abgewinnt.«346 Als dann 1962 Der philosophische Glaube an-
gesichts der Offenbarung erschien, war Werner überrascht und enttäuscht zugleich. Er
musste lesen, dass Jaspers den philosophischen Glauben ganz ohne Bezug zur Offen-
barung begründete, nachdem er bisher immer davon ausgegangen war, dass Jaspers’
Kritik nur bestimmte Aspekte davon, nicht aber die Sache als solche betraf. Von dieser
Position wollte Werner auch weiterhin nicht abrücken: Zwar teile er mit ihm die »Ab-
lehnung des traditionell-kirchlichen Begriffs der Offenbarung, den wir in der Theo-
logie [als] den >supranaturalistischen< zu bezeichnen pflegen«, doch komme er nicht
darum herum, die Chiffernlehre, die Jaspers an die Stelle des supranaturalistischen
Offenbarungsbegriffs gesetzt habe, als »eine andere, besondere, nun aber von der Ver-
nunft her zu rechtfertigende Auffassung von Offenbarung zu verstehen«.347 Im Übri-
gen wisse doch auch der philosophische Glaube von einem Vernehmlichwerden der
Stimme Gottes, erfahre doch auch der philosophisch Glaubende im Sichgeschenkt-
werden die göttliche Gnade. Werner konnte oder wollte nicht wahrhaben, dass Jaspers
ein Verständnis des Sichgeschenktwerdens als Offenbarung erstmals ausdrücklich und
in ungewohnt deutlichen Worten abgelehnt hatte.348
Die hier zum Ausdruck kommende Enttäuschung über das Buch blieb kein Einzel-
fall. Sie erfasste nicht nur Martin Werner, sondern die von ihm maßgeblich geprägte
Schweizer liberale Theologie insgesamt. Sein Schüler Fritz Buri, Münsterpfarrer und

344 M. Werner an K. Jaspers, 4. Juli 1948, ebd.
345 K. Jaspers an M. Werner, 19. August 1948, zit. n. K. Guggisberg: »Martin Werners Werk im Spie-
gel seines Briefwechsels«, in: F. Sciuto (Hg.): Weg und Werk Martin Werners. Studien und Erinnerun-
gen, Bern, Stuttgart 1968, 9-41, hier: 30.
346 K. Jaspers an M. Werner, 31. März 1953, ebd.
347 M. Werner an K. Jaspers, 25. Oktober 1962, DLA, A: Jaspers. Zu Werners Offenbarungsbegriff vgl.
P. Marti: »Das Leben Martin Werners«, in: F. Sciuto (Hg.): Weg und Werk Martin Werners, 139-160,
hier: 156.
348 Vgl. K. Jaspers: Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung, in diesem Band, S. 175. Im ent-
sprechenden Abschnitt des Festschriftbeitrags fehlte diese klare Absage noch. Vgl. K. Jaspers: »Der
philosophische Glaube angesichts der christlichen Offenbarung«, in diesem Band, S. 10.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften