12
Der philosophische Glaube angesichts der christlichen Offenbarung
dere, wenn sie auch für uns nicht besteht, wir sie weder erwarten noch erhoffen. Un-
sere Ergriffenheit von dem Faktum des Offenbarungsglaubens verwechseln wir nicht
mit diesem selber.
Die Grundtatsache unseres Daseins als Menschen miteinander bleibt: wir finden
uns nicht gemeinsam in der einen absoluten Wahrheit und nicht in dem einen einzi-
gen Offenbarungsglauben. Wir stehen im Kampf der Mächte, die wir als Mächte in ih-
rem Grunde nicht kennen und nicht von einem Standpunkt außerhalb überblicken.
Auch die Macht, die ohne Offenbarungsglauben, aber in Bezug auf Transzendenz
führt, kennen wir nicht wie ein Gewußtes. Wir können mit Hilfe der verborgenen Tran-
szendenz vielleicht erreichen, jeweils ohne Eigensinn, Blindheit und Fanatismus in
der Helligkeit des Hörens zu wissen, was wir wollen und wofür wir leben, ohne uns bei
Begründungen auf Transzendenz berufen zu dürfen. Was wir sind und was wir sollen,
an unserer Stelle im All, zeigt sich uns in der eigenen Geschichtlichkeit. Im Fortgang
8 dessen, was wir erfahren, was wir wählen, wozu | wir entschlossen sind, welche Ent-
schlüsse wir verwirklichen, können wir unserer geschichtlichen Mitte treu, dadurch
wir selbst und verläßlich sein. Wir wissen es nicht zureichend als ein Allgemeines, aus
dem wir für heute und hier deduzieren könnten, was wir wollen.
Das Wissen, im Kampf der Mächte zu stehen, genügt aber gar nicht. Als Menschen
leben wir mit Menschen, müssen mit allen Menschen in der Welt Zusammenleben.
Von Offenbarungsgläubigen hören wir den furchtbaren Anspruch für sich gegenüber
ihren Gegnern. Sie berufen sich auf Gottes Willen für ihr Tun und Meinen. »Gott will
es«, das gibt nicht nur ihrem Entschluß schweigende Kraft, ohne die nichts Wesent-
liches geschehen kann. Es wird vielmehr ausgesprochen als Rechtfertigung für das
Eigene und als Forderung an die Anderen.
Hier liegt ein unüberschreitbares Entweder-Oder. Zum Glück sehen wir, daß nur
ein Teil der Offenbarungsgläubigen sich so verhält. Wo es geschieht, da tut sich der
menschenwidrige Abgrund auf: »Mit Glaubenskämpfern läßt sich nicht reden.«1 Die-
ser Abgrund aber ist nicht faktisch (wir möchten zweifelnd hoffen: auch nicht grund-
sätzlich) ein solcher zwischen Offenbarungsglauben und philosophischem Glauben.
Er geht quer durch die Offenbarungsgläubigkeit wie durch andere Menschenverfas-
sungen hindurch.
Die menschliche Aufgabe ist im Dasein: zusammenzuleben, ohne sich gegenseitig
total auszurotten, - in der geistigen Wirklichkeit: sich zu begegnen, sich innerlich an-
gehen zu lassen, betroffen zu sein und - wie es biblisches Gebot ist2 - sich über alle
Fremdheiten hinweg lieben zu können. Wer diese Aufgaben anerkennt, muß zwischen
Offenbarungsgläubigen und philosophisch Gläubigen eine Gemeinschaft für möglich
halten. Sie brauchen sich gegenseitig nicht zu verwerfen.
Im philosophischen Glauben kann der Mensch etwa so zu sich sagen: In der Welt,
die ich nicht geschaffen habe, die für meine menschlichen Maßstäbe so durchaus
zweideutig ist, die ich im Ganzen nicht übersehe und nicht begreife, gewinne ich Ver-
Der philosophische Glaube angesichts der christlichen Offenbarung
dere, wenn sie auch für uns nicht besteht, wir sie weder erwarten noch erhoffen. Un-
sere Ergriffenheit von dem Faktum des Offenbarungsglaubens verwechseln wir nicht
mit diesem selber.
Die Grundtatsache unseres Daseins als Menschen miteinander bleibt: wir finden
uns nicht gemeinsam in der einen absoluten Wahrheit und nicht in dem einen einzi-
gen Offenbarungsglauben. Wir stehen im Kampf der Mächte, die wir als Mächte in ih-
rem Grunde nicht kennen und nicht von einem Standpunkt außerhalb überblicken.
Auch die Macht, die ohne Offenbarungsglauben, aber in Bezug auf Transzendenz
führt, kennen wir nicht wie ein Gewußtes. Wir können mit Hilfe der verborgenen Tran-
szendenz vielleicht erreichen, jeweils ohne Eigensinn, Blindheit und Fanatismus in
der Helligkeit des Hörens zu wissen, was wir wollen und wofür wir leben, ohne uns bei
Begründungen auf Transzendenz berufen zu dürfen. Was wir sind und was wir sollen,
an unserer Stelle im All, zeigt sich uns in der eigenen Geschichtlichkeit. Im Fortgang
8 dessen, was wir erfahren, was wir wählen, wozu | wir entschlossen sind, welche Ent-
schlüsse wir verwirklichen, können wir unserer geschichtlichen Mitte treu, dadurch
wir selbst und verläßlich sein. Wir wissen es nicht zureichend als ein Allgemeines, aus
dem wir für heute und hier deduzieren könnten, was wir wollen.
Das Wissen, im Kampf der Mächte zu stehen, genügt aber gar nicht. Als Menschen
leben wir mit Menschen, müssen mit allen Menschen in der Welt Zusammenleben.
Von Offenbarungsgläubigen hören wir den furchtbaren Anspruch für sich gegenüber
ihren Gegnern. Sie berufen sich auf Gottes Willen für ihr Tun und Meinen. »Gott will
es«, das gibt nicht nur ihrem Entschluß schweigende Kraft, ohne die nichts Wesent-
liches geschehen kann. Es wird vielmehr ausgesprochen als Rechtfertigung für das
Eigene und als Forderung an die Anderen.
Hier liegt ein unüberschreitbares Entweder-Oder. Zum Glück sehen wir, daß nur
ein Teil der Offenbarungsgläubigen sich so verhält. Wo es geschieht, da tut sich der
menschenwidrige Abgrund auf: »Mit Glaubenskämpfern läßt sich nicht reden.«1 Die-
ser Abgrund aber ist nicht faktisch (wir möchten zweifelnd hoffen: auch nicht grund-
sätzlich) ein solcher zwischen Offenbarungsglauben und philosophischem Glauben.
Er geht quer durch die Offenbarungsgläubigkeit wie durch andere Menschenverfas-
sungen hindurch.
Die menschliche Aufgabe ist im Dasein: zusammenzuleben, ohne sich gegenseitig
total auszurotten, - in der geistigen Wirklichkeit: sich zu begegnen, sich innerlich an-
gehen zu lassen, betroffen zu sein und - wie es biblisches Gebot ist2 - sich über alle
Fremdheiten hinweg lieben zu können. Wer diese Aufgaben anerkennt, muß zwischen
Offenbarungsgläubigen und philosophisch Gläubigen eine Gemeinschaft für möglich
halten. Sie brauchen sich gegenseitig nicht zu verwerfen.
Im philosophischen Glauben kann der Mensch etwa so zu sich sagen: In der Welt,
die ich nicht geschaffen habe, die für meine menschlichen Maßstäbe so durchaus
zweideutig ist, die ich im Ganzen nicht übersehe und nicht begreife, gewinne ich Ver-