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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 13): Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51323#0117
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i6 Der philosophische Glaube angesichts der christlichen Offenbarung
Mensch lebt. Das heißt dann, wenn Philosophie abgleitet in bloße Sachlichkeit gegen-
ständlichen, vermeintlichen Wissens, in das endlose Diskutieren ohne erfüllenden
Gehalt, in eine Mattigkeit und in ein Gleichgültigwerden, in ein Denken ohne die Kraft
i2 des mit | ihm vollzogenen inneren Handelns, ohne den Ursprung in der totalen Ergrif-
fenheit.
So war es schon einmal in der Spätantike, im Zeitalter Augustins. Dem Ernste Au-
gustins konnte die Philosophie damals in ihren bequemen rationalen Geläufigkeiten,
in der Endlosigkeit der Gedanken, in Dogmatismus und Skepsis sich wiederholend,
verfallen an bloße Formulierungen schulmäßiger Lehren und Lernbarkeiten, nicht
mehr genug tun, trotz der von ihm hoch geachteten neuplatonischen Spekulation. In
Augustin fand das philosophische Denken, mit dem sein Werk, trotz aller im Laufe der
Jahre ihn immer mehr beherrschenden christlichen Dogmatik, erfüllt ist, in seiner
neuen, ursprünglichen Philosophie gleichsam die Blutauffrischung durch den christ-
lichen Glauben, der damals noch in der Lebendigkeit des Werdens war. Das Denken
wurde wieder ernst, weil es nun ausging von der biblischen Offenbarung und dem gan-
zen Umfang der biblischen Texte.
Damals wurden nicht Philosophie und Theologie - nicht einmal Natur und Über-
natur - so wie später getrennt: Philosophie und Theologie waren eins nicht nur bei Au-
gustin, auch bei Scotus Eriugena, bei Anselm. Ist die Offenbarung nicht selber natür-
lich? Ist das Natürliche nicht selber übernatürlich? Die natürliche Einsicht (das lumen
naturale) hat selber einen übernatürlichen Grund.
Die radikale Unterscheidung von natürlicher Erkenntnis und Offenbarung wurde
erst seit dem 13. Jahrhundert endgültig vollzogen. Damals ging die Philosophie lang-
sam verloren einerseits an Verstandeserkenntnis, andrerseits an das Mysterium.
Nun mußte die Philosophie ihrerseits sich wieder besinnen, daß das innere Zeug-
nis des Geistes, der Vernunft, des Verstandes - in allen Stufen und Weisen des Erken-
nens - für Menschen der alleinige Ursprung und die in der Zeit letzte Instanz von Ein-
sicht und Entscheidung sein kann. Das »von außen« durch Gott, der in der Welt an
bestimmtem Ort zu bestimmter Zeit sich geoffenbart hat, ist für den Offenbarungs-
gläubigen, nicht für den Menschen als Menschen entscheidend. Die Philosophie
mußte angesichts des Offenbarungsglaubens und seiner Urteile nun sich klar werden,
daß sie mit ihm nicht eins werden kann, wie sie es einmal war.
5. Wenn jetzt die Philosophie und ihre Sache »natürlich« genannt wird, so ist sol-
che Natürlichkeit nicht in einem unterscheidenden Begriff zu fassen. Die Philosophie
darf nicht in falscher Enge einer unterschiedenen Natürlichkeit absterben. Was der na-
türliche Mensch sei, ist offen. Die natürliche Vernunft ist nicht erschöpft mit dem blo-
ßen Verstand als Punkt des Bewußtseins überhaupt, das in den Formen endlicher den-
kender Sinneswesen zu richtiger zwingender Erkenntnis partikularen Charakters fähig
ist. Die »Natur« des Menschen ist nicht schon das, was er als Gegenstand physiologi-
 
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