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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 13): Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51323#0118
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Der philosophische Glaube angesichts der christlichen Offenbarung

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scher und psychologischer Erforschbarkeit | ist. Die »Natur« des Menschen ist vielmehr 13
sein Wesen, das im Sichgeschenktwerden als Existenz die Welt erblickt, von den Chif-
fern bewegt wird, einsieht, was ist, sich entscheidet im Entschluß.
Der vor dem Offenbarungsglauben staunende und ihn für sich nicht anerkennende
Mensch verweigert sich dem von dort erhobenen Anspruch nicht als aufgeklärter Ver-
stand, auch nicht als besondere Weise seines Nun-einmal-so-Seins, sondern aus sei-
nem existentiellen Bezug zur Transzendenz, die ihm so unfaßlich, unvorstellbar, all-
umgreifend ist, daß sie nur in Chiffern, immer ungemäß und auf vielfache, unendlich
abwandelbare Weise vorgestellt werden kann. Die Persönlichkeit eines Du, die Gott ge-
nannt wird, und mit der Gottheit der Transzendenz nicht identisch ist, ist eine solche
Chiffer, durch die die Gottheit gleichsam beschränkt, faßlich, nahegebracht wird. Die
Wahrheit der Chiffern darf nicht verwechselt werden mit der Wirklichkeit der Tran-
szendenz. Denn der Bezug dessen, was wir als mögliche Existenz sind, auf Transzen-
denz, ist das, woraus wir leben, wenn wir auf dem rechten Weg uns fühlen oder ihn su-
chen und Vertrauen gewinnen. Diese Transzendenz scheint durch ihre Wirklichkeit
dem so Glaubenden zu verwehren, die persönliche Offenbarung Gottes an Ort und
Zeit als etwas anderes denn als Chiffer anzunehmen. Eine spezifische, von Gott ausge-
hende Offenbarung als Realität scheint ihm gegen die Gottheit selbst zu stehen. Sich
dem Offenbarungsglauben zu versagen, ist nicht die Folge der Gottlosigkeit, sondern
des philosophischen Glaubens. Dieser, folgend der ihm zugänglichen Wahrheit und
der erhabenen Ferne der allen Menschen zugewandten Transzendenz, verzichtet auf
die tröstliche reale Offenbarung zugunsten der Chiffern in der Bewegung ihrer Viel-
deutigkeit. Dieser philosophische Glaube tritt in vielen Gestalten auf, wird nicht Au-
torität in einem Dogma, bleibt angewiesen auf Kommunikation unter Menschen, die
notwendig miteinander reden, aber nicht notwendig miteinander beten.

c. Die Frage, was Christentum sei
1. Es ist zu unterscheiden: erstens der Offenbarungsglaube, der den Menschen eignet,
die selbst eine Offenbarung empfangen zu haben meinen (was auch heute der Fall
sein kann), zweitens der durch kirchliche Autorität bestätigte und garantierte Offen-
barungsglaube (alle Offenbarung liegt in der Vergangenheit), drittens der biblische
Glaube, der gegründet auf biblische Überlieferung, die Offenbarung nicht als Realität
spezifischer Handlungen Gottes, sondern nur als Chiffern glaubt.
Die erste Form des Glaubens ist nicht nur christlich, sondern ein universales, psy-
chologisches und historisches Phänomen als ein unscharf heraustretendes Moment
aller kultischen und priesterlichen Religionen. Die zweite Form des Glaubens hat den
Offenbarungsgedanken herausgearbeitet und in einer Ausschließlichkeit so klar be-
stimmt, daß es nur | christliche Offenbarung gibt. Die dritte Form des Glaubens bedarf 14
der Offenbarung nicht und kann sich doch geschichtlich auf die Bibel gründen.
 
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