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Der philosophische Glaube angesichts der christlichen Offenbarung
Und diese Philosophie ist dazu ausdrücklich abhängig. Sie will grundsätzlich nie in Gegen-
satz zum formulierten Glauben der Kirche treten, unterwirft sich, wo ein Konflikt auftritt, be-
hauptet aber, daß sie kein sacrificium intellectus vollziehe, da philosophische Wahrheit und
Glaubenswahrheit sich, weil beide von Gott stammen, nicht widersprechen können.
Diese Philosophie, wenn sie in ihrer Abhängigkeit noch so heißen soll, obgleich sie weder
Philosophie im ewigen Sinn noch Wissenschaft im modernen Sinne ist, wird notwendig be-
schränkt. Sie ist traditionsgebunden, nimmt im Sinne des Typus der großen »Summa« des Mit-
telalters die Philosophie als wesentlich abgeschlossen, ihr System als Lehrbuch. Aber sie bleibt
unvollständig, weil sie erst mit der Theologie ein Ganzes ist.
Sie ist darum als Philosophie nicht ernst. Die unabhängige Philosophie, das Denken des phi-
losophischen Glaubens aus drei Jahrtausenden, nennt sie Religionsersatz.12 Als abhängige Philo-
sophie ist sie eine intellektuelle Bemühung des Zurechtrückens, hinter der als Ernst allein die Kir-
che und der von ihr bezeugte Offenbarungsglaube steht.
3. Philosophie kann christliche Philosophie heißen, weil sie dem Raum des Abendlandes an-
gehört. Sehen wir sie von der griechischen oder gar von der indischen und chinesischen Philo-
sophie her, so spüren wir die alldurchdringende Atmosphäre, die noch bis zu den Skeptikern
und Materialisten fühlbar ist. Diese Benennung als christliche Philosophie ist daher von unbe-
stimmt weitem Sinn und trifft eine historische Lokalisation.
Im Unterschied zu diesen drei Weisen, von »christlicher Philosophie« zu sprechen, hat es kei-
nen Sinn, wenn diese Bezeichnung etwa besagen soll: in solcher Philosophie begründe die Phi-
losophie den Offenbarungsglauben (das ist unmöglich und vergeblich von Apologeten ver-
sucht) oder: der Offenbarungsglaube begründe in ihr die Philosophie (das ist ebenso unmöglich;
der Schein in dem philosophisch großen Denken Augustins, Anselms, des Cusanus trügt).
e. Wissenschaft, Philosophie, Theologie
Philosophie ist ein selbständiger Ursprung zwischen Wissenschaft und Offenbarungs-
glauben. Die Wahrheit dieses Satzes ist entscheidend für unsere Frage.
21 | 1. In den letzten Jahrhunderten sind folgende Schritte getan: Die moderne Wis-
senschaft stellte sich auf sich selbst, und zwar am auffälligsten als mathematische Na-
turwissenschaft (der Repräsentant ist Galilei). Der tiefe Eindruck dieser neuen, durch
mathematische Denkentwürfe, Experiment und Erfahrung vorgehenden Erkenntnis-
weise hatte die der Sache nach keineswegs notwendige Folge ihrer Verabsolutierung
zur einzigen Wissenschaft oder zum Vorbild für alle anderen.
Aber der Sinn der modernen Wissenschaft war von Anfang an umfassender: die
Idee des mit jeweils spezifischen Methoden vorgehenden, zwingenden und allgemein-
gültigen Erkennens, das universal auf alles gerichtet ist, was uns in der Realität vor-
kommt, gegenständlich wird und denkbar ist, aber stets partikular auf Dinge in der
Welt gerichtet bleibt und ins Unendliche fortschreitet. Was auf diese Weise erkannt
wurde, setzte sich, im Unterschied von den meisten früheren Wahrheitsbehauptun-
gen, auch faktisch als richtig allgemein durch. Nicht nur mathematische Naturwis-
senschaft, auch Biologie und Geisteswissenschaften gelangten auf diese Wege.
Der philosophische Glaube angesichts der christlichen Offenbarung
Und diese Philosophie ist dazu ausdrücklich abhängig. Sie will grundsätzlich nie in Gegen-
satz zum formulierten Glauben der Kirche treten, unterwirft sich, wo ein Konflikt auftritt, be-
hauptet aber, daß sie kein sacrificium intellectus vollziehe, da philosophische Wahrheit und
Glaubenswahrheit sich, weil beide von Gott stammen, nicht widersprechen können.
Diese Philosophie, wenn sie in ihrer Abhängigkeit noch so heißen soll, obgleich sie weder
Philosophie im ewigen Sinn noch Wissenschaft im modernen Sinne ist, wird notwendig be-
schränkt. Sie ist traditionsgebunden, nimmt im Sinne des Typus der großen »Summa« des Mit-
telalters die Philosophie als wesentlich abgeschlossen, ihr System als Lehrbuch. Aber sie bleibt
unvollständig, weil sie erst mit der Theologie ein Ganzes ist.
Sie ist darum als Philosophie nicht ernst. Die unabhängige Philosophie, das Denken des phi-
losophischen Glaubens aus drei Jahrtausenden, nennt sie Religionsersatz.12 Als abhängige Philo-
sophie ist sie eine intellektuelle Bemühung des Zurechtrückens, hinter der als Ernst allein die Kir-
che und der von ihr bezeugte Offenbarungsglaube steht.
3. Philosophie kann christliche Philosophie heißen, weil sie dem Raum des Abendlandes an-
gehört. Sehen wir sie von der griechischen oder gar von der indischen und chinesischen Philo-
sophie her, so spüren wir die alldurchdringende Atmosphäre, die noch bis zu den Skeptikern
und Materialisten fühlbar ist. Diese Benennung als christliche Philosophie ist daher von unbe-
stimmt weitem Sinn und trifft eine historische Lokalisation.
Im Unterschied zu diesen drei Weisen, von »christlicher Philosophie« zu sprechen, hat es kei-
nen Sinn, wenn diese Bezeichnung etwa besagen soll: in solcher Philosophie begründe die Phi-
losophie den Offenbarungsglauben (das ist unmöglich und vergeblich von Apologeten ver-
sucht) oder: der Offenbarungsglaube begründe in ihr die Philosophie (das ist ebenso unmöglich;
der Schein in dem philosophisch großen Denken Augustins, Anselms, des Cusanus trügt).
e. Wissenschaft, Philosophie, Theologie
Philosophie ist ein selbständiger Ursprung zwischen Wissenschaft und Offenbarungs-
glauben. Die Wahrheit dieses Satzes ist entscheidend für unsere Frage.
21 | 1. In den letzten Jahrhunderten sind folgende Schritte getan: Die moderne Wis-
senschaft stellte sich auf sich selbst, und zwar am auffälligsten als mathematische Na-
turwissenschaft (der Repräsentant ist Galilei). Der tiefe Eindruck dieser neuen, durch
mathematische Denkentwürfe, Experiment und Erfahrung vorgehenden Erkenntnis-
weise hatte die der Sache nach keineswegs notwendige Folge ihrer Verabsolutierung
zur einzigen Wissenschaft oder zum Vorbild für alle anderen.
Aber der Sinn der modernen Wissenschaft war von Anfang an umfassender: die
Idee des mit jeweils spezifischen Methoden vorgehenden, zwingenden und allgemein-
gültigen Erkennens, das universal auf alles gerichtet ist, was uns in der Realität vor-
kommt, gegenständlich wird und denkbar ist, aber stets partikular auf Dinge in der
Welt gerichtet bleibt und ins Unendliche fortschreitet. Was auf diese Weise erkannt
wurde, setzte sich, im Unterschied von den meisten früheren Wahrheitsbehauptun-
gen, auch faktisch als richtig allgemein durch. Nicht nur mathematische Naturwis-
senschaft, auch Biologie und Geisteswissenschaften gelangten auf diese Wege.