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Der philosophische Glaube angesichts der christlichen Offenbarung
drei Umgreifenden, wenn sie nichts als diese sind, verschwunden. Diesen Grund aber,
diese Freiheit, dies, daß ich ich selbst sein, für anderes Selbst als Selbst in Kommunika-
tion werden kann, nennen wir mögliche Existenz.
Existenz ist in keiner Anschaulichkeit als solche zu beobachten. Während Dasein
ist als Realität der biologischen Erscheinung, das Bewußtsein überhaupt sich zeigt in
den aufzeigbaren Kategorien und Methoden des Denkens durch das Werk der Wissen-
schaften, der Geist sichtbar ist in seinen Schöpfungen, hat Existenz keine zu ihr ge-
hörende faßbare Objektivität. Sie ist auf die drei Weisen des Umgreifenden als ihr Me-
dium der Erscheinung angewiesen. Existenz kann nicht Objekt werden, daher nicht
Gegenstand einer Wissenschaft (wie Leben, Denken, Geist).
In den drei Weisen gibt es eindeutige Mitteilbarkeit. Existenz kann sich in diesen drei
Medien nur indirekt mitteilen. Daher gibt es die unbestimmbare Grenze der Mitteilung
und die unbegreifliche Kommunikation. Zur existentiellen Mitteilung gehört das unbe-
29 absichtigte Schweigen als erfülltes Schweigen, in dem in der Tat die verläßlichste Kom-
munikation erfolgt. Darum gibt es in ihr auch durch Unoffenheit und absichtliches
Schweigen den Verrat, der jedoch niemals objektiv nachweisbar ist und niemals vorge-
worfen werden kann. Im Augenblick, in dem man ihn beim Partner feststellen möchte,
begeht man selbst den Verrat, der darin liegt, daß man nicht offen bleibt, nicht bereit,
daß man aus der Situation in der Zeit ein Endgültiges macht. Etwas ganz anderes als ab-
sichtliches Schweigen (als absichtliche, auf das Schweigen und bloße Andeuten ein Ver-
stehen und Antwort erwartende, daher fälschliche indirekte Mitteilung) ist die stumme
Weise des Nichtmitteilenkönnens, die sich selbst wie dem anderen nicht sagen kann,
was ist, sehnsüchtig und ratlos ohne Sprache bleibt. Aber dies Schweigen kann eine Tiefe
gegenwärtig werden lassen, die durch direkte Mitteilung, weil sie nicht möglich ist, auch
nicht bestätigt zu werden braucht. Sie ist beschränkt auf die intimste Gemeinschaft. In
der Welt gewinnt Erscheinung nur das, was mitteilbar ist, was Sprache wird. Sonst ist es
in der Welt wie nichts, bleibt außer der Welt auch dann, wenn es in seinen Folgen aus der
Intimität der Kommunikation heraus vielleicht außerordentlich, aber unnachweisbar
sich zeigt. Was in indirekter Mitteilung geschieht, kann bei objektiver Erörterung geleug-
net werden. Es darf nicht erwartet werden. Aus ihr kann nichts gerechtfertigt werden.
Dasein, Bewußtsein überhaupt und Geist zeigen sich ohne weiteres, wir brauchen
uns in ihnen nur dessen zu vergewissern, was wir schon sind. Die Vergewisserung der
möglichen Existenz aber ist selber schon ein Moment des Erscheinens eines Anders-
gewordenseins, einer Umkehr. Jener Weisen inne zu werden, brauchen wir nicht an-
ders zu werden. Existenz aber ist nicht von gleicher zwingender Gegenwärtigkeit wie
jene. Existenz kann ausbleiben, aber bezeugt sich auch dann noch durch eine Unruhe,
die aus der Verlorenheit zurückdrängt.
Wir vergewissern uns jedes Umgreifenden nur dadurch, daß wir es sind, der Exis-
tenz aber dadurch, daß wir sie sein können. Sie muß der Möglichkeit nach in uns wach
sein, wenn wir von ihr, sie umkreisend, sprechen. Umkreisen wir, was Existenz sei:
Der philosophische Glaube angesichts der christlichen Offenbarung
drei Umgreifenden, wenn sie nichts als diese sind, verschwunden. Diesen Grund aber,
diese Freiheit, dies, daß ich ich selbst sein, für anderes Selbst als Selbst in Kommunika-
tion werden kann, nennen wir mögliche Existenz.
Existenz ist in keiner Anschaulichkeit als solche zu beobachten. Während Dasein
ist als Realität der biologischen Erscheinung, das Bewußtsein überhaupt sich zeigt in
den aufzeigbaren Kategorien und Methoden des Denkens durch das Werk der Wissen-
schaften, der Geist sichtbar ist in seinen Schöpfungen, hat Existenz keine zu ihr ge-
hörende faßbare Objektivität. Sie ist auf die drei Weisen des Umgreifenden als ihr Me-
dium der Erscheinung angewiesen. Existenz kann nicht Objekt werden, daher nicht
Gegenstand einer Wissenschaft (wie Leben, Denken, Geist).
In den drei Weisen gibt es eindeutige Mitteilbarkeit. Existenz kann sich in diesen drei
Medien nur indirekt mitteilen. Daher gibt es die unbestimmbare Grenze der Mitteilung
und die unbegreifliche Kommunikation. Zur existentiellen Mitteilung gehört das unbe-
29 absichtigte Schweigen als erfülltes Schweigen, in dem in der Tat die verläßlichste Kom-
munikation erfolgt. Darum gibt es in ihr auch durch Unoffenheit und absichtliches
Schweigen den Verrat, der jedoch niemals objektiv nachweisbar ist und niemals vorge-
worfen werden kann. Im Augenblick, in dem man ihn beim Partner feststellen möchte,
begeht man selbst den Verrat, der darin liegt, daß man nicht offen bleibt, nicht bereit,
daß man aus der Situation in der Zeit ein Endgültiges macht. Etwas ganz anderes als ab-
sichtliches Schweigen (als absichtliche, auf das Schweigen und bloße Andeuten ein Ver-
stehen und Antwort erwartende, daher fälschliche indirekte Mitteilung) ist die stumme
Weise des Nichtmitteilenkönnens, die sich selbst wie dem anderen nicht sagen kann,
was ist, sehnsüchtig und ratlos ohne Sprache bleibt. Aber dies Schweigen kann eine Tiefe
gegenwärtig werden lassen, die durch direkte Mitteilung, weil sie nicht möglich ist, auch
nicht bestätigt zu werden braucht. Sie ist beschränkt auf die intimste Gemeinschaft. In
der Welt gewinnt Erscheinung nur das, was mitteilbar ist, was Sprache wird. Sonst ist es
in der Welt wie nichts, bleibt außer der Welt auch dann, wenn es in seinen Folgen aus der
Intimität der Kommunikation heraus vielleicht außerordentlich, aber unnachweisbar
sich zeigt. Was in indirekter Mitteilung geschieht, kann bei objektiver Erörterung geleug-
net werden. Es darf nicht erwartet werden. Aus ihr kann nichts gerechtfertigt werden.
Dasein, Bewußtsein überhaupt und Geist zeigen sich ohne weiteres, wir brauchen
uns in ihnen nur dessen zu vergewissern, was wir schon sind. Die Vergewisserung der
möglichen Existenz aber ist selber schon ein Moment des Erscheinens eines Anders-
gewordenseins, einer Umkehr. Jener Weisen inne zu werden, brauchen wir nicht an-
ders zu werden. Existenz aber ist nicht von gleicher zwingender Gegenwärtigkeit wie
jene. Existenz kann ausbleiben, aber bezeugt sich auch dann noch durch eine Unruhe,
die aus der Verlorenheit zurückdrängt.
Wir vergewissern uns jedes Umgreifenden nur dadurch, daß wir es sind, der Exis-
tenz aber dadurch, daß wir sie sein können. Sie muß der Möglichkeit nach in uns wach
sein, wenn wir von ihr, sie umkreisend, sprechen. Umkreisen wir, was Existenz sei: