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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 13): Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51323#0149
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Der philosophische Glaube angesichts der christlichen Offenbarung

tenz im Existentialismus (der Nihilismus wird), die Welt im Materialismus, Naturalis-
mus, Idealismus, Pantheismus, die Transzendenz im Akosmismus.
Nur die Vernunft ist nicht zu verabsolutieren. Für sich allein ist sie nichts. In ih-
rer Bewegung durch alle Weisen des Umgreifenden ist sie nicht zu übertreiben. Sie
kann nie genug sein. Sie ist auch nicht zu überschreiten. Je weiter sie vordringt, desto
wahrer wird sie. Sie hat keine eigene zu ihr gehörende Objektivierung und Subjekti-
vierung.
5. Statt im Genuß der vollendeten Wahrheit zu stehen, sind wir Menschen, die in allen
Weisen des Umgreifenden leben, auf dem Weg zur Wahrheit Kämpfen ausgeliefert
Zwar geschehen überall die Verbindungen. Aber der Kampf erfolgt innerhalb der
Weisen des Umgreifenden zwischen der Vielfachheit der in ihnen auftretenden Er-
scheinungen. Und er erfolgt seitens der Weisen des Umgreifenden gegeneinander.
46 Wir sind in einer Welt kämpfender Mächte. Der Kampf um Selbstbe|hauptung im
Dasein durch List und Gewalt, der Kampf im Bewußtsein überhaupt durch Diskussion,
der Kampf im Raum des Geistes durch die Gestalten der Phantasie um Rang und Wir-
kung, der liebende Kampf der Existenzen um das gemeinschaftliche Selbstwerden, -
immer ist Kampf.
Wir überblicken nicht die Kampffronten. Wir stehen darin.
Kein Mensch ist alles! Keine in einem Menschen wirklich gewordene Wahrheit ist
die ganze und eine Wahrheit.
In der Selbstbesinnung suchen wir Klarheit darüber, wofür und aus welchem Ur-
sprung wir leben, ohne die vollendete Klarheit zu erreichen, wenn wir unseres konkre-
ten, geschichtlichen Entschlusses gewiß sind.
Wir sehen im Schema folgendes Bild des Ganzen: Die Leidenschaften unseres Da-
seins sind Bedingung der Lebendigkeit von allem, was wir tun, aber treiben uns stän-
dig in die Irre. Der Verstand des Bewußtseins überhaupt ist Bedingung aller Klarheit und
Richtigkeit im Relativen, aber verkehrt unseren Wahrheitssinn, wenn er die Wahrheit
im Ganzen als das Richtige bestimmen will. Der Zauber des Geistes ist unerläßlich für
den Raum, in dem unsere Phantasie waltet und die Sprachen aller Erscheinungen hör-
bar werden läßt, aber verführt in eine ästhetische Scheinwelt. Die Unbedingtheit des
Existentiellen, in ihrer Geschichtlichkeit immer schon berührt von dem Schimmer des
Ausnahmeseins, drängt in die Verlorenheit, in der sie an der Welt scheitert und ver-
schwindet.
Kein Moment dieser Weisen des Umgreifenden ist entbehrlich, jedes unerläßlich
und unumgänglich. Aber keines darf zum Losgelösten (Absoluten) werden, das sich
nur auf sich selber stellt.
Das Ganze aber ist nicht als der Organismus einer harmonischen Einheit wirklich.
Man kann es als solche Einheit auch nicht begreifen, ohne blind zu werden vor Fakti-
zitäten und Möglichkeiten.
 
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