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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 13): Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51323#0163
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Der philosophische Glaube angesichts der christlichen Offenbarung

hat. Aber er wird in der Welt von außen angegriffen; er ist selber wegen dieser Realisie-
rung betroffen, von Zweifel angefochten. Nun möchte er den Boden festhalten, aber
ihn zugleich gegen den Vorwurf dieser gegenständlichen Realisierung einer Chiffer
zum handgreiflichen Sein Gottes schützen.
Die Dialektik scheint die beste Methode, dies Unmögliche zu leisten. Der Theologe
sagt: Die Offenbarung selber ist eine Form der Verhüllung, der sich offenbarende Gott
ist der in der Offenbarung verborgene Gott. Seine direkte Mitteilung ist indirekte Mit-
teilung. Der Philosoph sagt: Der verborgene Gott spricht in den Chiffern, aber so, daß
an keiner Stelle die Chiffer dadurch, daß sie eindeutig direktes Wort in der Zeit wird,
den Charakter der Realität in einem anderen Sinn als dem des vieldeutig Schweben-
den der Chiffern sonst gewinnt. Ihm ist die Frage: wird etwa die Dialektik als Aussage-
form vom theologischen Denken mißbraucht, um das ganz Undialektische der leib-
haftigen Realität doch als den festen Punkt zu retten? Es handelt sich doch um Realität,
nicht um vieldeutige Chiffer. Wird der Theologe dieses möglichen Mißbrauchs aus der
Kraft seines redlichen Denkens sich bewußt, so bleibt ihm der großartig klärende Ver-
such, den möglichen Mißbrauch aufzuheben durch die Offenheit seiner Aussage, die
den Inhalt der Offenbarung, ihre Sprache und Deutung für paradox und darüber hin-
aus für absurd erklärt, und die Behauptung, gerade diese Absurdität sei die angemes-
sene Aussageweise für das, worum es sich hier handelt. So Kierkegaard.121
Hier zunächst eine kurze Bemerkung über Dialektik überhaupt:161
Wo immer ein Widerspruch für das Denken auftritt, soll er aufgehoben werden. Das Denken
erträgt ihn nicht. Wo er nicht in einer Alternative zugunsten der einen Seite, der richtigen ge-
gen die falsche aufgehoben werden kann, da wird er in einer Bewegung ergriffen, die dialektisch
heißt. Diese will ihn zugleich bewahren und überwinden: entweder durch eine Synthesis des
Widersprechenden, um dessen »Versöhnung« zu finden, oder durch Aufreißen und Steigerung
des Widerspruchs über die Paradoxie in die Absurdität, um gerade mit dieser die Wahrheit und
Wirklichkeit zu treffen.
Alles Denken, ob philosophisch oder theologisch, tritt von Anfang an in die Dialektik, auch
ohne es methodologisch zu wissen. Dialektisches Denken aber kann nicht nur tiefe Einsicht
hervorbringen, sondern ungemein leicht zu einer spezifischen Sophistik werden.
Dialektik als die Methode der Behandlung bestehender Widersprüche nicht dadurch, daß die
eine Seite der Alternative für wahr, die andere für falsch erkannt wird, sondern dadurch, daß
beide Gegensätze bewahrt werden, ist ein bis heute noch nicht übersehbares Reich von Formen
der Gedankenbewegung. Es ist noch immer die große, ungelöste Aufgabe, die Ursprünge der dia-
lektischen Gebilde und damit die Art ihrer Evidenz in ihrer Mannigfaltigkeit zu zeigen, damit
61 ihren jeweiligen Sinn zu | begrenzen und ihre Anwendung sauber zu gestalten. Die Erhellung
der Weisen und der Gebiete der Dialektik, bei Hegel am reichsten entwickelt, ist auch bei ihm
gerade nicht methodisch geklärt, sondern in der ganzen Vielfachheit von tiefen Bewegungen
bis zu lächerlichen Tricks vollzogen.162 Marx und Kierkegaard haben aus dem Hegelschen Den-
ken sich genährt, mit ihm sich geschult. Aber beide haben etwas anderes daraus gemacht, beide
ergiebig und erstaunlich und hinreißend.
 
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