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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 13): Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung — Basel: Schwabe Verlag, 2016

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.51323#0240
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Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung

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Zustand davon kaum wesentlich unterschieden. Die ganze menschliche Geschichte
gilt als eine Reihe der Akte menschlichen Hochmuts und Eigenwillens. Eine Führung
in der Welt kann es nicht geben außer dem Glauben, der, unabhängig von der Welt,
in der Welt den Menschen zwar weltlich da sein, aber über sie hinaus anderswo sein
Leben haben läßt. Die Vernunft ist selber verdorben. Wahr ist nur das weltlos einsame
oder gemeinsam betende Bezogensein auf Gottes Ewigkeit.
Solche Verantwortungslosigkeit gegenüber der Welt, die im Namen Gottes auftritt,
war unerträglich. Darum kehrten auch in der protestantischen Welt die Versuche wie-
der, die Welt als Welt zu bejahen. Darum lebt Thomas so kräftig bis heute. Darum war
man immer wieder angesprochen von philosophischen Denkungsarten, die, wie Aris-
toteles den Nus, die Stoiker den Logos, so das eine göttliche Prinzip dachten, das die
Welt in sich schließt. Die größten harmonisierenden Versuche waren die von Leibniz
und Hegel, der Hegels um so eindrucksvoller, als er alle Negativitäten, alle Schrecken
sieht und deutend hineinnimmt. Er läßt die Offenbarung, für die Vernunft durchsich-
tig geworden und begriffen, aufgehen in dem vernünftigen Gang des Geistes durch
die Geschichte. Gott ist der Geist, die Vernunft, die im Grund aller Dinge liegt. Dieser
Geist ist einer und kommt, sich selbst entfaltend, in Natur, Mensch und Geschichte
zur Erscheinung. Auch der Glaube hat seinen Ort in der Stufenreihe der Wahrheits-
momente, die sämtlich in dem einen spekulativen Denken der Philosophie zur durch-
sichtigen Gegenwärtigkeit kommen. Alles ist versöhnt. Was immer es gibt, es hat sei-
nen Ort und sein Recht, seine Grenze und seine Aufhebung. Vernunft ist nicht ein
verderbtes, widergöttlich gewordenes Denken, nicht Auflehnung gegen Offenbarung,
sondern der eine allumfassende Ursprung. -
Alle historisch gegebenen Weisen, in denen das Verhältnis von Vernunft und
Glaube zuerst aufgestellt, dann durchgedacht und gelöst oder als unlösbar begriffen
wird, können nicht befriedigen. Kann man hier zu besserer Einsicht gelangen? Die ge-
waltige Leistung der Theologie kann entmutigen. Sie hat ein außerordentlich reiches,
geistig intensives, verstandesscharfes und systematisches Denken entwickelt und als
Glaubenserkenntnis eine bewunderungswürdige Literatur erzeugt. Obgleich dies nur
geschehen konnte unter Aneignung der griechischen und weiterhin aller für sie
brauchbaren | späteren Philosophie, hat sie doch eigene Topoi und Bahnen des Den-
kens hervorgebracht, die ihren Sinn behalten, auch wenn der Offenbarungsglaube ver-
schwunden ist.
Im zweiten Teil (über Theologie, Wissenschaft, Philosophie) wird versucht, ein Mo-
ment der besseren Einsicht zu zeigen, die die Geschichte schon gezeitigt hat. Das ent-
scheidende Ereignis, das das frühere Denken nicht kennen konnte, und dessen Kunde -
so wunderlich das klingen mag - die moderne Theologie und manche Philosophie
noch nicht erreicht hat, ist die Verwirklichung und das Bewußtsein der spezifisch mo-
dernen Wissenschaften. Die Einsicht in Methoden und Grenzen dieser eigentlichen
Wissenschaften [läßt]63 die im Kampf von Glaube und Vernunft erfahrenen Schwie-

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