170 Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung
allen Gebieten, also universal, erstrebt und auf vielen erreicht, wenn auch noch kei-
neswegs allgemein verwirklicht.
Mit dieser Verwirklichung aber wurde offenbar, daß die Frage nach dem Sinn der
Wissenschaften (warum sie sein sollen, was dazu treibt, ihnen zu dienen) nicht durch
die Wissenschaft selber beantwortet werden konnte. Die Antwort, sie sei Selbstzweck,
genügte nicht gegen die Angriffe auf die Wissenschaft: sie ergehe sich in überflüssigen
Mühen, sei Wissen vom Nichtwissenswerten, sie erzeuge für das Leben verderbliche
Denkungsweisen, sie höhle die menschliche Substanz aus, und schließlich: sie sei der
Weg zur Zerstörung des Daseins der Menschheit überhaupt.
99 | Die Rede von der Wissenschaft als Selbstzweck war in der Tat der Hinweis auf ei-
nen Glaubensgrund, der in der Philosophie liegt.
(2) Die neue Erfahrung der Eigenständigkeit der Philosophie: Durch ihre Selbstkritik er-
fuhren die Wissenschaften ihre Grenzen, zeigte sich aber auch auf neue Weise die Ei-
genständigkeit der Philosophie. Diese ist nicht Wissenschaft im Sinne der modernen
Wissenschaften. Was zu diesen gehört, scheidet vielmehr aus der Philosophie aus. Was
der Philosophie bleibt und was von jeher ihre Substanz war, ist Erkennen nicht im
Sinne der Allgemeingültigkeit für jeden Verstand, sondern ist Denkbewegung der Er-
hellung philosophischen Glaubens.
Historisch hat Philosophie bis in die neueren Jahrhunderte die Wissenschaften in
sich getragen, als ob Philosophie und Wissenschaft dasselbe seien. Solange beide in
ihrer Betätigung »natürlicher Vernunft« als Einheit galten, gab es die Frage nach der
Eigenständigkeit der Philosophie und der Unterscheidung von Philosophie und Wis-
senschaft nicht.
Nach ihrer Trennung durch Einsicht in den ganz verschiedenen Ursprung ihrer
Wahrheit und der daraus entspringenden Trennung der Methoden ihres Erkennens
gehören sie in der Tat unlösbar zusammen. Daß Wissenschaft überhaupt sein soll, der
Ernst und die Gefahr des Wissenwollens (das sapere aude),117 die Unbedingtheit des
Dabeiseins sind nur philosophisch zu erhellen und entspringen dem Glauben.
Der selbständige Ursprung der Philosophie ist durch die Jahrtausende seit den
Anfängen der griechischen Philosophie da. Er wurde in das Denken des Offenba-
rungsglaubens hineingenommen, dann aber als selbständiger Glaubensursprung
von diesem geleugnet. Die Philosophie hat ihre große Überlieferung auf Grund ih-
rer Schriften, die wie ein Analogon der heiligen Bücher sind, und sie fließt innerhalb
des Offenbarungsdenkens als Strom aus eigener Quelle trotz des Offenbarungsgedan-
kens weiter.
Gegen die Tendenzen, die Philosophie verschwinden zu lassen einerseits zuguns-
ten der exakten und zwingenden eigentlichen Wissenschaften, andererseits zuguns-
ten von Glaubensgehorsam und Glaubenserkenntnis, stützen philosophierende Men-
schen sich vermöge eigener Einsicht auf diese ihre große und einzige Überlieferung,
aus der auch fast das ganze theologische Denken als Denken lebt.
allen Gebieten, also universal, erstrebt und auf vielen erreicht, wenn auch noch kei-
neswegs allgemein verwirklicht.
Mit dieser Verwirklichung aber wurde offenbar, daß die Frage nach dem Sinn der
Wissenschaften (warum sie sein sollen, was dazu treibt, ihnen zu dienen) nicht durch
die Wissenschaft selber beantwortet werden konnte. Die Antwort, sie sei Selbstzweck,
genügte nicht gegen die Angriffe auf die Wissenschaft: sie ergehe sich in überflüssigen
Mühen, sei Wissen vom Nichtwissenswerten, sie erzeuge für das Leben verderbliche
Denkungsweisen, sie höhle die menschliche Substanz aus, und schließlich: sie sei der
Weg zur Zerstörung des Daseins der Menschheit überhaupt.
99 | Die Rede von der Wissenschaft als Selbstzweck war in der Tat der Hinweis auf ei-
nen Glaubensgrund, der in der Philosophie liegt.
(2) Die neue Erfahrung der Eigenständigkeit der Philosophie: Durch ihre Selbstkritik er-
fuhren die Wissenschaften ihre Grenzen, zeigte sich aber auch auf neue Weise die Ei-
genständigkeit der Philosophie. Diese ist nicht Wissenschaft im Sinne der modernen
Wissenschaften. Was zu diesen gehört, scheidet vielmehr aus der Philosophie aus. Was
der Philosophie bleibt und was von jeher ihre Substanz war, ist Erkennen nicht im
Sinne der Allgemeingültigkeit für jeden Verstand, sondern ist Denkbewegung der Er-
hellung philosophischen Glaubens.
Historisch hat Philosophie bis in die neueren Jahrhunderte die Wissenschaften in
sich getragen, als ob Philosophie und Wissenschaft dasselbe seien. Solange beide in
ihrer Betätigung »natürlicher Vernunft« als Einheit galten, gab es die Frage nach der
Eigenständigkeit der Philosophie und der Unterscheidung von Philosophie und Wis-
senschaft nicht.
Nach ihrer Trennung durch Einsicht in den ganz verschiedenen Ursprung ihrer
Wahrheit und der daraus entspringenden Trennung der Methoden ihres Erkennens
gehören sie in der Tat unlösbar zusammen. Daß Wissenschaft überhaupt sein soll, der
Ernst und die Gefahr des Wissenwollens (das sapere aude),117 die Unbedingtheit des
Dabeiseins sind nur philosophisch zu erhellen und entspringen dem Glauben.
Der selbständige Ursprung der Philosophie ist durch die Jahrtausende seit den
Anfängen der griechischen Philosophie da. Er wurde in das Denken des Offenba-
rungsglaubens hineingenommen, dann aber als selbständiger Glaubensursprung
von diesem geleugnet. Die Philosophie hat ihre große Überlieferung auf Grund ih-
rer Schriften, die wie ein Analogon der heiligen Bücher sind, und sie fließt innerhalb
des Offenbarungsdenkens als Strom aus eigener Quelle trotz des Offenbarungsgedan-
kens weiter.
Gegen die Tendenzen, die Philosophie verschwinden zu lassen einerseits zuguns-
ten der exakten und zwingenden eigentlichen Wissenschaften, andererseits zuguns-
ten von Glaubensgehorsam und Glaubenserkenntnis, stützen philosophierende Men-
schen sich vermöge eigener Einsicht auf diese ihre große und einzige Überlieferung,
aus der auch fast das ganze theologische Denken als Denken lebt.