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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 13): Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51323#0276
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Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung

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der Geschichte (ist getragen vom eschatologischen Bewußtsein) und macht den Gläu-
bigen heimisch in dem ewigen Reich, das nicht von dieser Welt ist.119 Es wird herein-
brechen als Weitende und Weltgericht. Aber es ist auch schon da in der sinnlichen
Wirklichkeit von Gemeinschaft, Verkündigung, Tempel, heiligen Handlungen.
Im Philosophieren müssen wir uns hüten, durch eine Abschwächung des Offen-
barungsbegriffs eine vorzeitige, falsche Einmütigkeit zu erzeugen. Der Begriff der Of-
fenbarung, wie er uns von Glaubenden mitgeteilt wird, darf nicht nahegebracht, im
Scheinverständnis zugänglich gemacht werden. Eine Abschwächung bis zur Nivellie-
rung der christlichen Offenbarung ist die Gleichsetzung mit dem »Offenbarwerden«
aller Dinge in der Einsicht, in der dichterischen und künstlerischen Schöpfung - ist
ferner die Gleichsetzung mit den großen Schritten des menschlichen Geistes in der
Geschichte, mit diesem unvoraussehbaren und auch im Rückblick nicht begreifbaren
Neuauftreten menschlicher Grundhaltungen.
Eine Abschwächung ist es auch, Offenbarung im Sinne des Offenbarungsglau-
bens gleichzusetzen mit Erfahrungen, die dem Menschen als Menschen eigen sind,
zum Beispiel: Ich erfahre das »Wunder«, wenn ich mir in meiner Freiheit geschenkt
werde. Wenn ich nach allen Orientierungen, Reflexionen, Argumenten in einer Si-
tuation zu dem Entschluß komme, der selber doch nicht rational genügend abzulei-
ten ist, so geschieht etwas, das ich von mir aus nicht erzwingen kann. Meinem Den-
ken geht das Gewisse und Unbegreifliche vorher, das erst im Denken heller wird und
sogar der wissenschaftlichen Forschung erst ihren Sinn gibt. Meine Liebe ist nicht
mehr nur, kommend und gehend, vitale Bewegung, sondern in ihr liegt der Ursprung
des Entschlusses, der geschichtlich, nicht begreiflich, selber kein Fall, in keinem an-
dern Fall wiederholbar, sondern nur in sich selbst die eigene Wiederholung ihrer Ur-
sprünglichkeit ist. Mag der Sprachgebrauch sagen: es ist mir eine Offenbarung oder
wie eine Offenbarung: der Sprachgebrauch ist schlecht, wenn er an christliche Offen-
barung erinnert. Es ist eine Selbsttäuschung und wider den guten Geschmack, wenn
man von Offenbarung, Gnade redet, ohne daß der spezifische Charakter des Offen-
barungsglaubens gemeint ist.
Die Abschwächung verwirrt. Hier liegt ein Entweder-Oder: Wahrhaftigkeit fordert
das Eingeständnis, daß ich nicht an Offenbarung glaube. Dies ist zwar bedingt durch
den nie vollendeten Prozeß der | echten Aufklärung, hat aber seinen wesentlichen Ur-
sprung in der Wirklichkeit der Gottheit selbst. Wie diese erfahren werden kann, das
ist durch die Bibel, die selber Menschenwerk und daher auch voll von Irrungen ist, das
ist durch Plato und Spinoza und Kant bewußt geworden. An deren Maßstab, entschei-
dend am Maßstab der in der Substanz verstandenen Bibel, habe ich nicht den Antrieb,
an Offenbarung glauben zu wollen, nicht den Drang, die Offenbarung in irgendeiner
der dargebotenen Formen als Wirklichkeit zu erfahren und dann zu bekennen, daß ich
an sie glaube. Wohl aber ist der Antrieb, dies erstaunliche Phänomen des Offenba-
rungsglaubens immer wieder zu sehen, zu befragen und - vergeblich - zu verstehen.

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