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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 13): Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51323#0291
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Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung

hingen, der Gebärden und des Benehmens; - in der Existenz das kommunikative lie-
bende Kämpfen oder die kämpfende Liebe zwischen Menschen, die unvertretbar jeder
als sie selbst da und mit dem anderen in der Ewigkeit verbunden sind.
In jeder Weise des Umgreifenden entscheidet eine andere Wahrheit. Haben sie ei-
nen gemeinsamen Grund? Wenn ja, dann im Umgreifenden aller Umgreifenden, in
der Transzendenz.
4. Sinn des Grundwissens: Das Grundwissen dessen, wie wir uns in der Welt finden,
verzichtet auf ein Totalwissen, das es nicht gibt.
Daher dient solches Grundwissen nicht zum Ausgangspunkt einer Deduktion
zwecks Ableitung aller Dinge. Es dient vielmehr als Werkzeug zu Unterscheidungen in
der je besonderen Situation theoretischer Forschung oder lebendiger Praxis.
Das Grundwissen vermag seinen Sinn zu erfüllen nicht durch eine lernbare Me-
124 thode, sondern durch die Kraft der Fragestellung, die | jedesmal zu einem neuen Fin-
den des je Besonderen führen muß. Es lehrt Verwechslungen und Verwirrungen mei-
den in der Ursprünglichkeit selber, die wir sind und sein können. Das Grundwissen
erhellt durch kritische Unterscheidung dort, wohin zulänglich definierte Begriffe
nicht reichen. Es fördert die Klarheit unseres Lebens. Es vollzieht eine Auflockerung
in unserem Bewußtsein und erzeugt Offenheit.
5. Die Unangemessenheit der unvermeidlichen Objektivierung im Sprechen vom Umgrei-
fenden. - Alles, was objektiv wird, liegt im Umgreifenden, das selber nicht Objekt ist.
Das Umgreifende, das Subjekt und Objekt in sich faßt, also weder Subjekt noch Objekt
ist, wird aber, wenn wir von ihm sprechen, selber zum Objekt unseres Denkens. Im
Denken des Umgreifenden müssen wir es unausweichlich einen Augenblick zum Ob-
jekt machen, weil wir aus der Subjekt-Objekt-Spaltung nicht heraus können. Indem
wir denken, sind wir immer schon wieder in ihr darin.
Ein sachlich gegenständliches Meinen soll mit sich selber über sich hinaus sein in
dem, worin es gegründet ist. Wir sprechen von etwas, das als Gegenstand nicht das
zeigt, was durch ihn gegenwärtig werden soll.
Wir können nur in Gegenständlichkeiten sprechen. Ungegenständliches Sprechen
und Denken gibt es nicht. Aber im Gegenständlichen und im Subjekt schwingt mit
ein Übergegenständliches und Übersubjektives. Haften wir am Gegenständlichen als
solchem, so geht unser Denken alsbald sinnlose Bahnen ins Endlose, Gehaltlose.
Wir denken daher das Umgreifende mit der Absicht, dieses Objektivierte, Verge-
genständlichte rückgängig zu machen. Durch das zwar fälschende, aber unumgäng-
liche Verfahren selber möchten wir uns des Umgreifenden vergewissern. Versuchen
wir, das Umgreifende zu vergegenwärtigen, das wir sind, das aber als Gegenstand der
Erkenntnis nicht erreichbar ist, das vielmehr auch im Medium des Gegenständlichen
für uns, die wir alles übergreifen, vorkommt, so vollziehen wir ein Denken, das uns
ständig zugleich nimmt, was es zu geben scheint. Wir müssen es denken im Gegen-
ständlichen, aber als Gegenstand verschwindet es.
 
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