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Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung
Für die wissenschaftliche Erkenntnis ist die Welt bodenlos. Diese Einsicht erst
schafft dem Denken den Raum für die Freiheit der Existenz, und der Existenz das Be-
wußtsein der Möglichkeit ihres Sprunges von der Welt zur Transzendenz.
Dieser Sprung hat außerordentliche Folgen: Wir werden zuerst frei für die Welt.
Denn erst wenn die Welt als Ganzes sich nicht schließt, brechen wir durch jedes Welt-
bild, jedes Weltgehäuse, das uns einfangen und die Welt beschränken möchte, hin-
durch, um voranzuschreiten zur unbeschränkten Erkenntnis dessen, was in der Welt
entgegenkommt, fortschreitend ins Unabsehbare.
139 | Damit werden wir zugleich frei für uns selbst in der Welt. Obgleich wir als Dasein in
unserer Realität ganz aus der Welt stammen, haben wir als mögliche Existenz einen
Ursprung außer der Welt. Von ihm her wirken wir in der Welt.
Wir werden schließlich frei für uns selbst in bezug auf Transzendenz. Zur Schwebe
gelangt in allem Weltsein, berühren wir den Boden in der Transzendenz. Hier ist die
Zuflucht. Von dorther in die Welt zurückkehrend, ergreifen wir die Aufgaben, die uns
auf dem Wege durch die Welt in unseren Situationen zuwachsen.
Die Welt lastet nicht mehr als das an sich Seiende. Alle Totalvorstellungen werden
als irrig durchschaut (ob Mechanismus, ob Biologismus, ob realdialektischer Weltpro-
zeß). Sie bewahren alle nur einen Charakter von Aspekten in bestimmten Perspekti-
ven. Für unsere Einsicht fällt jede beherrschende Totaltheorie fort, während viele The-
orien eine begrenzte Fruchtbarkeit für empirische Erkenntnis in der Welt haben. Es
entsteht eine Offenheit für alles, was in der Welt wirklich ist, eine von Vorentwürfen
des Ganzen freie Bereitschaft zu jeder neuen Erfahrung.
Wenn man in jeder Subjekt-Objekt-Spaltung das Objekt gegenüber dem Subjekt
transzendent nennt, so wird der Begriff der Transzendenz zur Gleichgültigkeit nivel-
liert. Wenn aber Transzendenz nur für Existenz, das heißt die Objektseite dessen ist,
dessen Subjektseite Existenz heißt, so ist diese Transzendenz weder für das Bewußtsein
überhaupt als Geltung noch ist sie im Dasein als reales Objekt.
Wo ich Transzendenz als wirklich erfahre, dort bin ich als ich selbst, als Existenz,
wirklich. Wenn ich aber als Dasein, Bewußtsein überhaupt, Geist die Transzendenz
als wirklich behaupte, so ist sie im Sinne der zu diesen Weisen des Umgreifenden
gehörenden Wirklichkeiten vielmehr eine Fiktion. Sie ist dort überflüssig oder eine
Illusion.
h. Abwehr der Verkehrungen zur einen Wahrheit
1. Der Sinn der Selbstvergewisserung des Umgreifenden im philosophischen Glauben. - Der
Versuch der Selbstvergewisserung dessen, worin und wie wir uns finden, ist nicht sel-
ber schon die Philosophie: denn er entwickelt noch nicht die Gehalte der Wahrheit,
sondern nur die Formen und die Richtungen, in denen Wahrheit uns gegenwärtig
T40 wird. Aber er ist ein wesentliches Moment der Philosophie: denn in | dem rückhalt-
Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung
Für die wissenschaftliche Erkenntnis ist die Welt bodenlos. Diese Einsicht erst
schafft dem Denken den Raum für die Freiheit der Existenz, und der Existenz das Be-
wußtsein der Möglichkeit ihres Sprunges von der Welt zur Transzendenz.
Dieser Sprung hat außerordentliche Folgen: Wir werden zuerst frei für die Welt.
Denn erst wenn die Welt als Ganzes sich nicht schließt, brechen wir durch jedes Welt-
bild, jedes Weltgehäuse, das uns einfangen und die Welt beschränken möchte, hin-
durch, um voranzuschreiten zur unbeschränkten Erkenntnis dessen, was in der Welt
entgegenkommt, fortschreitend ins Unabsehbare.
139 | Damit werden wir zugleich frei für uns selbst in der Welt. Obgleich wir als Dasein in
unserer Realität ganz aus der Welt stammen, haben wir als mögliche Existenz einen
Ursprung außer der Welt. Von ihm her wirken wir in der Welt.
Wir werden schließlich frei für uns selbst in bezug auf Transzendenz. Zur Schwebe
gelangt in allem Weltsein, berühren wir den Boden in der Transzendenz. Hier ist die
Zuflucht. Von dorther in die Welt zurückkehrend, ergreifen wir die Aufgaben, die uns
auf dem Wege durch die Welt in unseren Situationen zuwachsen.
Die Welt lastet nicht mehr als das an sich Seiende. Alle Totalvorstellungen werden
als irrig durchschaut (ob Mechanismus, ob Biologismus, ob realdialektischer Weltpro-
zeß). Sie bewahren alle nur einen Charakter von Aspekten in bestimmten Perspekti-
ven. Für unsere Einsicht fällt jede beherrschende Totaltheorie fort, während viele The-
orien eine begrenzte Fruchtbarkeit für empirische Erkenntnis in der Welt haben. Es
entsteht eine Offenheit für alles, was in der Welt wirklich ist, eine von Vorentwürfen
des Ganzen freie Bereitschaft zu jeder neuen Erfahrung.
Wenn man in jeder Subjekt-Objekt-Spaltung das Objekt gegenüber dem Subjekt
transzendent nennt, so wird der Begriff der Transzendenz zur Gleichgültigkeit nivel-
liert. Wenn aber Transzendenz nur für Existenz, das heißt die Objektseite dessen ist,
dessen Subjektseite Existenz heißt, so ist diese Transzendenz weder für das Bewußtsein
überhaupt als Geltung noch ist sie im Dasein als reales Objekt.
Wo ich Transzendenz als wirklich erfahre, dort bin ich als ich selbst, als Existenz,
wirklich. Wenn ich aber als Dasein, Bewußtsein überhaupt, Geist die Transzendenz
als wirklich behaupte, so ist sie im Sinne der zu diesen Weisen des Umgreifenden
gehörenden Wirklichkeiten vielmehr eine Fiktion. Sie ist dort überflüssig oder eine
Illusion.
h. Abwehr der Verkehrungen zur einen Wahrheit
1. Der Sinn der Selbstvergewisserung des Umgreifenden im philosophischen Glauben. - Der
Versuch der Selbstvergewisserung dessen, worin und wie wir uns finden, ist nicht sel-
ber schon die Philosophie: denn er entwickelt noch nicht die Gehalte der Wahrheit,
sondern nur die Formen und die Richtungen, in denen Wahrheit uns gegenwärtig
T40 wird. Aber er ist ein wesentliches Moment der Philosophie: denn in | dem rückhalt-