Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung
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gen, er uns preisgibt an die Erforschbarkeiten, ist das, wovon wir philosophierend sprechen,
ihm unzugänglich.
Gegen den phantastischen Unsinn, der von den zum Aberglauben gewordenen Wissenschaf-
ten erzeugt wurde, stelle ich einen anderen, vom Standpunkt dieses realen Wissens gesehen,
phantastischen Unsinn: Die Erscheinungswelt wird durchbrochen durch das unmittelbare Er-
leben der Natur, in der blutwarmen Nähe des Wirklichen. Geschlecht und Rasse und alle jene
psychologischen Antriebe sind zwar als Erforschbarkeiten da, aber sie können Erscheinungen
eines nicht Erforschbaren sein, das in Forschungsbegriffen nicht eingefangen wird. Es ist gleich-
sam eine Inkarnation. Die Worte werden doppeldeutig. Natur, Geschlecht, Rasse, Triebe usw.
sind Tatbestände. Aber dieselben Worte werden anders, unbestimmbar, als Zeiger gebraucht:
»Natur« ist dann das umgreifende, unobjektivierbare Dasein. Geschlecht ist in der biologischen
Erscheinung des Geschlechts ein aus dem Ursprung der Natur übergreifendes, alldurchdringen-
des Lebenselement. Rasse ist Erscheinung eines je besonderen Daseins aus diesem Grunde der
Natur. Die Begriffe, die nur auf die Erscheinungswelt passen, dienen jetzt als Zeichen eines
Grundes dieser Welt, der nicht als ein Zugrundeliegendes erschließbar, aber im Durchbruch
durch die Erscheinungen existentiell erfahrbar scheint. Dieses Andere ist über alle Erscheinun-
gen hinaus die Wirklichkeit selber.
Wie aber verhält sich die Tiefe dieses Dunkels der Natur, das im Durchbruch durch die Er-
scheinungen, durch die Verstandeserkennbarkeit und durch die Vernunftwahrheit in sich hin-
einzieht und den Gezogenen so unendlich zweideutig befriedigt, zur Transzendenz? Kann die
Transzendenz | allem sich verbinden oder durch alles sprechen, was im Durchbruch durch Na-
turerscheinungen aus dem Grunde der Natur erfahren wird? Wer dürfte antworten! Die Tran-
szendenz als Sagbarkeit läßt nichts endgültig Bestand haben. Vor der Unermeßlichkeit der Tran-
szendenz müssen wir uns bescheiden, auch wenn wir den Bezug dorthin nicht anders als durch
Vernunft, Liebe, Helligkeit und die ihren Entschluß wiederholende Existenz zu gewinnen mei-
nen. Wir sehen das Andere. Die Wahrhaftigkeit verpflichtet uns, wenn auch mit Schrecken, es
in seiner unerbittlichen Radikalität zu erblicken. Was hier erfahren wird, wird Sprache in Chif-
fern, die es als »Mächte« und als »Leidenschaft zur Nacht«1 und wie immer sonst treffen und
nicht treffen.
Warum reden wir von dem, von dem nicht zu reden ist, weil dies in der Sprache von den Din-
gen der Erscheinungswelt doch falsch wird? Weil Erfahrungen des Daseins mitteilbar werden
sollen. Diese Erfahrungen sind selber keine »empirischen« Erfahrungen im Sinne eines Allge-
meinen. Wenn es sie gibt - als Durchbrüche durch die Erscheinungswelt im Gewände von leib-
haftigen Erscheinungen -, dann haben sie einen wunderlichen Charakter. Sie geraten ebenso
schnell außer Sicht, wie sie ergreifend gegenwärtig sein können. Diese »Erfahrungen«, wie sie
von sich aus sind, dürfen mit den biologisch und psychologisch gewußten Erscheinungen nicht
verwechselt werden. Lassen wir uns verleiten, unsere eigentlichen Erfahrungen des Dunkels un-
serer Natur zu identifizieren mit diesem Bereich der erkannten oder erkennbaren biologischen
und psychologischen Tatbestände, dann verlieren wir das, worin wir vielleicht vermöge einer
Anverwandlung wir selbst sein könnten. Wir entziehen uns der über die realen Erscheinungen
hinausgehenden, in ihr inkarnierten Wirklichkeit zugunsten eines vermeintlichen Wissens, das
hier in der Praxis zu einer blicklosen Brutalität führt.
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Meine »Philosophie« Band III, T02-TT5 (3. Aufl.).
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gen, er uns preisgibt an die Erforschbarkeiten, ist das, wovon wir philosophierend sprechen,
ihm unzugänglich.
Gegen den phantastischen Unsinn, der von den zum Aberglauben gewordenen Wissenschaf-
ten erzeugt wurde, stelle ich einen anderen, vom Standpunkt dieses realen Wissens gesehen,
phantastischen Unsinn: Die Erscheinungswelt wird durchbrochen durch das unmittelbare Er-
leben der Natur, in der blutwarmen Nähe des Wirklichen. Geschlecht und Rasse und alle jene
psychologischen Antriebe sind zwar als Erforschbarkeiten da, aber sie können Erscheinungen
eines nicht Erforschbaren sein, das in Forschungsbegriffen nicht eingefangen wird. Es ist gleich-
sam eine Inkarnation. Die Worte werden doppeldeutig. Natur, Geschlecht, Rasse, Triebe usw.
sind Tatbestände. Aber dieselben Worte werden anders, unbestimmbar, als Zeiger gebraucht:
»Natur« ist dann das umgreifende, unobjektivierbare Dasein. Geschlecht ist in der biologischen
Erscheinung des Geschlechts ein aus dem Ursprung der Natur übergreifendes, alldurchdringen-
des Lebenselement. Rasse ist Erscheinung eines je besonderen Daseins aus diesem Grunde der
Natur. Die Begriffe, die nur auf die Erscheinungswelt passen, dienen jetzt als Zeichen eines
Grundes dieser Welt, der nicht als ein Zugrundeliegendes erschließbar, aber im Durchbruch
durch die Erscheinungen existentiell erfahrbar scheint. Dieses Andere ist über alle Erscheinun-
gen hinaus die Wirklichkeit selber.
Wie aber verhält sich die Tiefe dieses Dunkels der Natur, das im Durchbruch durch die Er-
scheinungen, durch die Verstandeserkennbarkeit und durch die Vernunftwahrheit in sich hin-
einzieht und den Gezogenen so unendlich zweideutig befriedigt, zur Transzendenz? Kann die
Transzendenz | allem sich verbinden oder durch alles sprechen, was im Durchbruch durch Na-
turerscheinungen aus dem Grunde der Natur erfahren wird? Wer dürfte antworten! Die Tran-
szendenz als Sagbarkeit läßt nichts endgültig Bestand haben. Vor der Unermeßlichkeit der Tran-
szendenz müssen wir uns bescheiden, auch wenn wir den Bezug dorthin nicht anders als durch
Vernunft, Liebe, Helligkeit und die ihren Entschluß wiederholende Existenz zu gewinnen mei-
nen. Wir sehen das Andere. Die Wahrhaftigkeit verpflichtet uns, wenn auch mit Schrecken, es
in seiner unerbittlichen Radikalität zu erblicken. Was hier erfahren wird, wird Sprache in Chif-
fern, die es als »Mächte« und als »Leidenschaft zur Nacht«1 und wie immer sonst treffen und
nicht treffen.
Warum reden wir von dem, von dem nicht zu reden ist, weil dies in der Sprache von den Din-
gen der Erscheinungswelt doch falsch wird? Weil Erfahrungen des Daseins mitteilbar werden
sollen. Diese Erfahrungen sind selber keine »empirischen« Erfahrungen im Sinne eines Allge-
meinen. Wenn es sie gibt - als Durchbrüche durch die Erscheinungswelt im Gewände von leib-
haftigen Erscheinungen -, dann haben sie einen wunderlichen Charakter. Sie geraten ebenso
schnell außer Sicht, wie sie ergreifend gegenwärtig sein können. Diese »Erfahrungen«, wie sie
von sich aus sind, dürfen mit den biologisch und psychologisch gewußten Erscheinungen nicht
verwechselt werden. Lassen wir uns verleiten, unsere eigentlichen Erfahrungen des Dunkels un-
serer Natur zu identifizieren mit diesem Bereich der erkannten oder erkennbaren biologischen
und psychologischen Tatbestände, dann verlieren wir das, worin wir vielleicht vermöge einer
Anverwandlung wir selbst sein könnten. Wir entziehen uns der über die realen Erscheinungen
hinausgehenden, in ihr inkarnierten Wirklichkeit zugunsten eines vermeintlichen Wissens, das
hier in der Praxis zu einer blicklosen Brutalität führt.
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Meine »Philosophie« Band III, T02-TT5 (3. Aufl.).