Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung
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möglich ist. Unser Urteil muß sich wieder bescheiden, denn wir wissen nicht, was al-
les, uns unbegreiflich, sein kann. Aber wir dürfen den, der diesen Weg der Verschlos-
senheit in seiner inkommunikablen Wesentlichkeit beschreitet, während er doch fak-
tisch in der Welt lebt, in seinen Erscheinungen, die er der Welt zeigt, und in der Weise
seines Umgangs mit uns den Fragen aussetzen.
| Bei der Bescheidung im Urteil über solche Möglichkeit denken wir doch für uns 163
selbst: Es gehört zum Menschen als Menschen die große Verführung, der wir ein Le-
ben lang mit unserem Philosophieren widerstehen möchten: als ob wir »metaphy-
sisch« in monadischer Vereinzelung leben könnten - als ob wir uns in unserem Inners-
ten entziehen und dort unausgesprochen die Kommunikation verweigern dürften - als
ob wir in einer Einsamkeit uns verschanzen könnten, die uns den Stolz der Qual in der
Unberührbarkeit ermöglichen würde - als ob wir, wenn wir in die Aufgeschlossenheit
des Liebenkönnens gelangen wollen, leben dürften ohne das Wagnis des Sichpreis-
gebens - als ob wir uns ohne Folgen täuschen könnten über die selbstverschuldete
Einsamkeit heimlicher Verzweiflung - als ob wir Deserteure aus der Welt sein könn-
ten, in der wir doch unser Dasein haben.
Wir werden wirklich nur in dem Maße, als wir in die Erscheinungswelt eintreten,
in der die Mitteilbarkeit Bedingung von Wahrheit ist. Auch was nur in indirekter Mit-
teilung zum Anderen und im Selbstverständnis zu uns selbst gelangt, ist dadurch schon
Erscheinung in der Welt geworden.
In einem Gleichnis ausgesprochen: Wie die moderne Physik ihre großartige theo-
retische Spekulation doch in der Welt der klassischen Physik durch Realität von Beob-
achtung und Experiment bewähren muß oder nichtig ist, so gewinnt jede Erfahrung
des Transzendierens über die Erscheinungswelt doch nur in dieser ihre Wirklichkeit
durch Mitteilbarkeit und kommunikative Bewährung.
Daher gilt für uns, alles in die Erscheinung zu bringen, deren Helligkeit selber uns
doch zugleich als eine Art von Gefangensein philosophisch bewußt wird. Diese Para-
doxie durchwaltet unsere Existenz. Sie wird im Hören der Chiffern zu der uns vergönn-
ten erfüllten Klarheit gebracht.
2. Chiffer und Leibhaftigkeit
(1) Chiffern sind geistige Realität in unserer Sprache, in Philosophie und Dichtung und
Kunstwerken, aber sie sind nie die Leibhaftigkeit der Transzendenz selber. Das Leib-
haftigwerden der Chifferninhalte ist daher die Grundverwechslung in unserem Um-
gang mit Transzendenz. Wird so die Wirklichkeit der Transzendenz eingefangen in die
Realität, dann geht sie selber uns verloren.
| (2) Offenbarung scheint die wirksamste Form jener Verwechslung zu sein. Im Rah- 164
men der Vergewisserung der Weisen des Umgreifenden hat Offenbarung keinen Ort.
Hier ist es nicht vorstellbar und nicht denkbar, daß Transzendenz eine spezifische In-
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möglich ist. Unser Urteil muß sich wieder bescheiden, denn wir wissen nicht, was al-
les, uns unbegreiflich, sein kann. Aber wir dürfen den, der diesen Weg der Verschlos-
senheit in seiner inkommunikablen Wesentlichkeit beschreitet, während er doch fak-
tisch in der Welt lebt, in seinen Erscheinungen, die er der Welt zeigt, und in der Weise
seines Umgangs mit uns den Fragen aussetzen.
| Bei der Bescheidung im Urteil über solche Möglichkeit denken wir doch für uns 163
selbst: Es gehört zum Menschen als Menschen die große Verführung, der wir ein Le-
ben lang mit unserem Philosophieren widerstehen möchten: als ob wir »metaphy-
sisch« in monadischer Vereinzelung leben könnten - als ob wir uns in unserem Inners-
ten entziehen und dort unausgesprochen die Kommunikation verweigern dürften - als
ob wir in einer Einsamkeit uns verschanzen könnten, die uns den Stolz der Qual in der
Unberührbarkeit ermöglichen würde - als ob wir, wenn wir in die Aufgeschlossenheit
des Liebenkönnens gelangen wollen, leben dürften ohne das Wagnis des Sichpreis-
gebens - als ob wir uns ohne Folgen täuschen könnten über die selbstverschuldete
Einsamkeit heimlicher Verzweiflung - als ob wir Deserteure aus der Welt sein könn-
ten, in der wir doch unser Dasein haben.
Wir werden wirklich nur in dem Maße, als wir in die Erscheinungswelt eintreten,
in der die Mitteilbarkeit Bedingung von Wahrheit ist. Auch was nur in indirekter Mit-
teilung zum Anderen und im Selbstverständnis zu uns selbst gelangt, ist dadurch schon
Erscheinung in der Welt geworden.
In einem Gleichnis ausgesprochen: Wie die moderne Physik ihre großartige theo-
retische Spekulation doch in der Welt der klassischen Physik durch Realität von Beob-
achtung und Experiment bewähren muß oder nichtig ist, so gewinnt jede Erfahrung
des Transzendierens über die Erscheinungswelt doch nur in dieser ihre Wirklichkeit
durch Mitteilbarkeit und kommunikative Bewährung.
Daher gilt für uns, alles in die Erscheinung zu bringen, deren Helligkeit selber uns
doch zugleich als eine Art von Gefangensein philosophisch bewußt wird. Diese Para-
doxie durchwaltet unsere Existenz. Sie wird im Hören der Chiffern zu der uns vergönn-
ten erfüllten Klarheit gebracht.
2. Chiffer und Leibhaftigkeit
(1) Chiffern sind geistige Realität in unserer Sprache, in Philosophie und Dichtung und
Kunstwerken, aber sie sind nie die Leibhaftigkeit der Transzendenz selber. Das Leib-
haftigwerden der Chifferninhalte ist daher die Grundverwechslung in unserem Um-
gang mit Transzendenz. Wird so die Wirklichkeit der Transzendenz eingefangen in die
Realität, dann geht sie selber uns verloren.
| (2) Offenbarung scheint die wirksamste Form jener Verwechslung zu sein. Im Rah- 164
men der Vergewisserung der Weisen des Umgreifenden hat Offenbarung keinen Ort.
Hier ist es nicht vorstellbar und nicht denkbar, daß Transzendenz eine spezifische In-