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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 13): Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51323#0343
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Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung

Bewußtsein, aber mit Hilfe seiner selbst, das sich des Bewußtseins gleichsam bedient.
Es bestätigt sich in Erneuerung und Wiederholung seiner Ursprünglichkeit.
Fragen wir: Woher das Wissen unseres Glaubens? Woher die Bewegung unseres
glaubenden Chiffern-Denkens? Woher die Prüfung seiner Wahrheit? so weisen die
Antworten stets auf das, was erst in der Bewegung des Denkens hell wird, nur dadurch,
nicht geradezu als es selber zu uns spricht. Wir reden von innerer Erleuchtung, vom
Pneuma, von Umkehr, von Eingebung des Entschlusses, von plötzlich sich einstellen-
der Gewißheit.
189 Es ist eine Analogie zwischen philosophischem und Offenbarungs|glauben. Beide
kennen den Ursprung, der sich durch Gründe nicht widerlegen oder beweisen, son-
dern nur entfalten läßt. Der Grund der Wahrheit läßt sich nicht noch einmal begrün-
den. Aber es ist eine Differenz: Der philosophische Glaube setzt sich ohne Grenze und
Abschluß in jeder seiner Bestimmtheiten des Aussprechens der Infragestellung aus
(während der existentielle Entschluß zwar in seiner Erscheinung ebenfalls befragbar
bleibt, aber als unerschütterliche Gewißheit, als Identität meiner selbst mit mir selbst
mich trägt). Der Offenbarungsglaube dagegen wird durch Hören der Worte und der
Verkündigung der Heiligen Schrift begründet, hat seinen festen objektiven Wirklich-
keitsgehalt, Gott selbst (der Gläubige ist erst dadurch unbeirrbar, nicht schon durch
den eigenen Entschluß und die Freiheit seines Wagnisses).
Weder philosophischer Glaube noch Offenbarungsglaube haben eine Analogie zu
der Grundform gegenständlichen Erkennens. Dieses gründet sich in Voraussetzungen,
die es sich bewußt macht. Dadurch relativiert es die Erkenntnis auf diese bestimmba-
ren Voraussetzungen hin (die »Hypothesen«, die griechische Sprachform für die glei-
che Sache). Diese Voraussetzungen können sich wandeln. Sie können jeweils anders
angesetzt werden. Sie sind ihrem Sinne nach niemals Glaubensgehalt. Ihre Erkennt-
nisse gelten zwingend unter diesen Voraussetzungen. Dagegen ist die »Voraussetzung«
des philosophischen und des Offenbarungsglaubens die Erfahrung des Ursprungs.
Diese kann nicht formulierbare Voraussetzung werden, aus der dann das übrige ratio-
nal abgeleitet würde. Das Denken des Glaubens ist in der Schwebe von Bestimmbar-
keiten, er selber unbedingt ohne Bestimmbarkeit. Er erscheint immer im Denken und
in der Lebenspraxis, im Denken der »Sache« und in der sie denkenden Persönlichkeit.
Das dem Denken des Glaubens Vorhergehende kennzeichnet Tertullian (in der klei-
nen Abhandlung »Das Zeugnis der Seele«)173 als das, was dem Menschen als Menschen
eigen ist. Die Seele kommt aus der Natur. Nach der Erhabenheit der Natur ist die Auto-
rität der Seele abzuschätzen. Alles ist von Gott gekommen, auch die Natur. Die Seele
ist Schülerin, Lehrerin ist die Natur, Lehrmeister der Lehrerin ist Gott.174 Der Grund
des Zeugnisses der Seele geht allem vorher. »Jedenfalls war die Seele vor der Schrift da,
die Sprache vor dem Buche ... der Mensch an sich vor dem Philosophen und Dich-
ter«.175 Dieses erste Zeugnis ist wahr: »Glaube nur der Seele. So wird es geschehen, daß
du auch dir selbst glaubst.«176
 
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