Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung
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anderen ins Gesicht. Der Zustand im ganzen war das Leben der freiesten Ursprünglich-
keit. Als dann die allumfassenden philosophischen Systeme entstanden, die alles ver-
gangene Denken, soweit es in den rationalen Figuren von seinem Ursprung ablösbar
war, in sich aufnahmen, da blieben zwar auch sie zum Teil noch beweglich, wie das
stoische Denken. Aber die Grundstimmung war ganz anders. Die Chiffern verloren
ihre Reinheit. Wie sie in der Leibhaftigkeit versinken, so auch im Gewände des wissen-
schaftlichen absoluten Wissens von Sachen und Sachverhalten, vom Ganzen und Ein-
zelnen, vom Allgemeinen und Besonderen. Nun konnte man lernen, was doch Wahr-
heit nur hat für Existenz. Nun sollte als Erkenntnis durch Gründe erzwingbar sein, was
seinen Ernst nur hat in der Schwebe für die Freiheit.
(8) Das Reich der Chiffern ist keine Reihe nebeneinander stehender Zeichen. Es gibt
Weisen der Chiffern. Gemeinsam ist nur eines, daß sie mehr als Zeichen sind. Denn
Zeichen bezeichnen ein Anderes, das auch direkt gesagt, gesehen, gekannt werden
kann. Chiffern bedeuten eine Sprache, die nur in ihnen selbst, nicht durch Bezug auf
ein Anderes hörbar ist, und deren sprechendes Subjekt selber ungekannt und unkenn-
bar und unerschließbar ist. Aber die Chiffern lassen sich deuten, doch so, daß ihr Sinn
unerschöpfbar ist und die Deutung im Grunde durch andere Chiffern geschieht.
| Was kann Chiffer sein? Alles, was ist, und was von Menschen hervorgebracht wird,
Reales, Vorgestelltes, Gedachtes. Man findet sie in der mythischen, religiös kultischen,
sakralen, in der dichterischen und künstlerischen Überlieferung, in der Philosophie.
Hier nur ein Wort über Dichtung und Kunst. Sie bringen in der Anschauung die reinste und herr-
lichste Chiffernsprache hervor. Sie heben aus der Barbarei heraus und lassen uns menschlich
werden. Am reinsten vermochten es die großen Dichter, Aeschylus, Dante, Shakespeare. Sie ste-
hen jenseits der Frage nach Realisierung. Sie sprechen durch ihre Chiffern ergreifend an, weil sie
nicht die Leibhaftigkeit meinen wie der dogmatisch fixierte Kult in seinem Glaubensgegenstand.
Wie zu jedem menschlichen Tun gehört auch zur Dichtung und Kunst eine Gefahr. Wahr-
heit für immer bleibt Platos Kampf gegen die Dichter, der schon bei Hesiod begann, sich von
Augustin bis zu Kierkegaard und Nietzsche fortsetzte und analog bei Konfuzius war. Dieser
Kampf bedeutet nie die Verneinung der Dichtung, sondern verlangt ihre Lenkung. Warum?
Erstens weil sie verführen kann, schlimmen Antrieben zu folgen, die durch manche Weisen
von Dichtung und Musik erregt und gesteigert werden - weil Unwahrheit sich in die anschau-
ende Seele senkt -, weil die Faszination durch die Anschauung als solche erfolgt.
Zweitens weil sie verführt zu »ästhetischer« Haltung, das heißt zum unverbindlichen Anschauen
aller Dinge, zum Genuß ihres Soseins, der Gestaltungen und Formungen. Es erwächst die Lust an
der Unverbindlichkeit, am Erscheinen aller Lebensmöglichkeiten, der guten wie der bösen.
Diese Unverbindlichkeit ist nur die Entartung der einzigartigen Freiheit im Spiel des »inter-
esselosen« Anschauens, wie sie durch Kunst und Dichtung gewährt wird. Ohne sie bleibt der
Mensch im finsteren Ernst, in der Abgeschlossenheit des Dumpfen und der Zwecke, in der Un-
offenheit seines Wesens überhaupt.
Das Spiel der Anschauung ist wahr in dem Maße, als das Gesehene zur Chiffer wird. Dann
wird alles, das Häßliche und Unheimliche der Natur und des Menschen, die Verbrecher für
Dostoj ewskij, das Dirnenleben für Toulouse-Lautrec zur wahren Chiffer. Das Spiel ist unwahr in
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anderen ins Gesicht. Der Zustand im ganzen war das Leben der freiesten Ursprünglich-
keit. Als dann die allumfassenden philosophischen Systeme entstanden, die alles ver-
gangene Denken, soweit es in den rationalen Figuren von seinem Ursprung ablösbar
war, in sich aufnahmen, da blieben zwar auch sie zum Teil noch beweglich, wie das
stoische Denken. Aber die Grundstimmung war ganz anders. Die Chiffern verloren
ihre Reinheit. Wie sie in der Leibhaftigkeit versinken, so auch im Gewände des wissen-
schaftlichen absoluten Wissens von Sachen und Sachverhalten, vom Ganzen und Ein-
zelnen, vom Allgemeinen und Besonderen. Nun konnte man lernen, was doch Wahr-
heit nur hat für Existenz. Nun sollte als Erkenntnis durch Gründe erzwingbar sein, was
seinen Ernst nur hat in der Schwebe für die Freiheit.
(8) Das Reich der Chiffern ist keine Reihe nebeneinander stehender Zeichen. Es gibt
Weisen der Chiffern. Gemeinsam ist nur eines, daß sie mehr als Zeichen sind. Denn
Zeichen bezeichnen ein Anderes, das auch direkt gesagt, gesehen, gekannt werden
kann. Chiffern bedeuten eine Sprache, die nur in ihnen selbst, nicht durch Bezug auf
ein Anderes hörbar ist, und deren sprechendes Subjekt selber ungekannt und unkenn-
bar und unerschließbar ist. Aber die Chiffern lassen sich deuten, doch so, daß ihr Sinn
unerschöpfbar ist und die Deutung im Grunde durch andere Chiffern geschieht.
| Was kann Chiffer sein? Alles, was ist, und was von Menschen hervorgebracht wird,
Reales, Vorgestelltes, Gedachtes. Man findet sie in der mythischen, religiös kultischen,
sakralen, in der dichterischen und künstlerischen Überlieferung, in der Philosophie.
Hier nur ein Wort über Dichtung und Kunst. Sie bringen in der Anschauung die reinste und herr-
lichste Chiffernsprache hervor. Sie heben aus der Barbarei heraus und lassen uns menschlich
werden. Am reinsten vermochten es die großen Dichter, Aeschylus, Dante, Shakespeare. Sie ste-
hen jenseits der Frage nach Realisierung. Sie sprechen durch ihre Chiffern ergreifend an, weil sie
nicht die Leibhaftigkeit meinen wie der dogmatisch fixierte Kult in seinem Glaubensgegenstand.
Wie zu jedem menschlichen Tun gehört auch zur Dichtung und Kunst eine Gefahr. Wahr-
heit für immer bleibt Platos Kampf gegen die Dichter, der schon bei Hesiod begann, sich von
Augustin bis zu Kierkegaard und Nietzsche fortsetzte und analog bei Konfuzius war. Dieser
Kampf bedeutet nie die Verneinung der Dichtung, sondern verlangt ihre Lenkung. Warum?
Erstens weil sie verführen kann, schlimmen Antrieben zu folgen, die durch manche Weisen
von Dichtung und Musik erregt und gesteigert werden - weil Unwahrheit sich in die anschau-
ende Seele senkt -, weil die Faszination durch die Anschauung als solche erfolgt.
Zweitens weil sie verführt zu »ästhetischer« Haltung, das heißt zum unverbindlichen Anschauen
aller Dinge, zum Genuß ihres Soseins, der Gestaltungen und Formungen. Es erwächst die Lust an
der Unverbindlichkeit, am Erscheinen aller Lebensmöglichkeiten, der guten wie der bösen.
Diese Unverbindlichkeit ist nur die Entartung der einzigartigen Freiheit im Spiel des »inter-
esselosen« Anschauens, wie sie durch Kunst und Dichtung gewährt wird. Ohne sie bleibt der
Mensch im finsteren Ernst, in der Abgeschlossenheit des Dumpfen und der Zwecke, in der Un-
offenheit seines Wesens überhaupt.
Das Spiel der Anschauung ist wahr in dem Maße, als das Gesehene zur Chiffer wird. Dann
wird alles, das Häßliche und Unheimliche der Natur und des Menschen, die Verbrecher für
Dostoj ewskij, das Dirnenleben für Toulouse-Lautrec zur wahren Chiffer. Das Spiel ist unwahr in
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