Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung
461
(3) Der Mensch, ständig auf das Ganzwerden gerichtet, wird kein Ganzes:
Kein Mensch ist alles. Keine in einem Menschen wirklich gewordene Wahrheit ist
die ganze und eine Wahrheit.
In der Selbstbesinnung suchen wir Klarheit darüber, wofür und aus welchem Ur-
sprung wir leben, ohne die vollendete Klarheit schon zu erreichen, wenn wir unseres
konkreten, geschichtlichen Entschlusses gewiß sind.
Kein Moment der Weisen des Umgreifenden, das wir sind, ist entbehrlich, vielmehr
jede Weise unumgänglich. Keines darf zum Losgelösten (Absoluten) werden, das sich
nur auf sich selber stellt.
Das Ganze aber ist nicht als der Organismus einer harmonischen Einheit wirklich.
Man kann es als solche Einheit nicht begreifen, es sei denn um den Preis der Blindheit
vor anderen Faktizitäten und Möglichkeiten.
Wenn aber die Einheit eines Ganzen nicht ist, so doch das Streben zu ihr hin (Ver-
nunft) und die Zugkraft von dem Einen (der Transzendenz) her. Die Vernunft als das
umgreifende Band in ständiger Bewegung und das Eine der Transzendenz in unfaßli-
cher Ruhe begegnen sich, beide gegenstandslos, beide jenseits der Subjekt-Objekt-Spal-
tung.
(4) Im Wissen vom Menschen erfahren wir unlösbare Unstimmigkeiten:
Die erkennbare Naturnotwendigkeit unseres Daseins und die unerkennbare Macht
unserer Freiheit; unseren Drang zur Einsenkung in die Welt und unseren Drang zur
Loslösung von der Welt in den Grund unserer Freiheit; die Geschichtlichkeit unserer
Existenz, ohne die wir nicht wären, und unsere Überlegenheit über die Geschichte mit
der Neigung zur Entgeschichtlichung unseres menschlichen Wesens.
| Die Paradoxie des Menschseins zeigt sich in dem vernichtenden Umschlagen auf 465
dem Weg zur Freiheit:
die Befreiung von der Leibhaftigkeit der Transzendenz schlägt um in den totalen
Unernst,
die Freiheit in der Schwebe der Chiffern schlägt um in die Bodenlosigkeit des
Nichts,
die Freiheit des Wissens schlägt um in die Unfreiheit des Wissenschaftsaberglau-
bens,
das, was Einzelnen gelungen ist, schlägt um, durch Übersetzung, Verwandlung bei
Anderen, in das Gegenteil des einmal Wirklichen und Gemeinten,
die Freiheit des technischen Erfindens schlägt um in die Versklavung durch den
Betrieb der Maschinenarbeit,
das politische Freiwerden schlägt um in die äußere und innere Unfreiheit der tota-
len Herrschaft.
Keineswegs sind alle diese Verkehrungen unentrinnbar. Der Freiheit des Menschen
ist es aufgetragen, sich zu bezeugen in der Kraft des Herrwerdens über die selbst erzeug-
ten Unfreiheiten.
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(3) Der Mensch, ständig auf das Ganzwerden gerichtet, wird kein Ganzes:
Kein Mensch ist alles. Keine in einem Menschen wirklich gewordene Wahrheit ist
die ganze und eine Wahrheit.
In der Selbstbesinnung suchen wir Klarheit darüber, wofür und aus welchem Ur-
sprung wir leben, ohne die vollendete Klarheit schon zu erreichen, wenn wir unseres
konkreten, geschichtlichen Entschlusses gewiß sind.
Kein Moment der Weisen des Umgreifenden, das wir sind, ist entbehrlich, vielmehr
jede Weise unumgänglich. Keines darf zum Losgelösten (Absoluten) werden, das sich
nur auf sich selber stellt.
Das Ganze aber ist nicht als der Organismus einer harmonischen Einheit wirklich.
Man kann es als solche Einheit nicht begreifen, es sei denn um den Preis der Blindheit
vor anderen Faktizitäten und Möglichkeiten.
Wenn aber die Einheit eines Ganzen nicht ist, so doch das Streben zu ihr hin (Ver-
nunft) und die Zugkraft von dem Einen (der Transzendenz) her. Die Vernunft als das
umgreifende Band in ständiger Bewegung und das Eine der Transzendenz in unfaßli-
cher Ruhe begegnen sich, beide gegenstandslos, beide jenseits der Subjekt-Objekt-Spal-
tung.
(4) Im Wissen vom Menschen erfahren wir unlösbare Unstimmigkeiten:
Die erkennbare Naturnotwendigkeit unseres Daseins und die unerkennbare Macht
unserer Freiheit; unseren Drang zur Einsenkung in die Welt und unseren Drang zur
Loslösung von der Welt in den Grund unserer Freiheit; die Geschichtlichkeit unserer
Existenz, ohne die wir nicht wären, und unsere Überlegenheit über die Geschichte mit
der Neigung zur Entgeschichtlichung unseres menschlichen Wesens.
| Die Paradoxie des Menschseins zeigt sich in dem vernichtenden Umschlagen auf 465
dem Weg zur Freiheit:
die Befreiung von der Leibhaftigkeit der Transzendenz schlägt um in den totalen
Unernst,
die Freiheit in der Schwebe der Chiffern schlägt um in die Bodenlosigkeit des
Nichts,
die Freiheit des Wissens schlägt um in die Unfreiheit des Wissenschaftsaberglau-
bens,
das, was Einzelnen gelungen ist, schlägt um, durch Übersetzung, Verwandlung bei
Anderen, in das Gegenteil des einmal Wirklichen und Gemeinten,
die Freiheit des technischen Erfindens schlägt um in die Versklavung durch den
Betrieb der Maschinenarbeit,
das politische Freiwerden schlägt um in die äußere und innere Unfreiheit der tota-
len Herrschaft.
Keineswegs sind alle diese Verkehrungen unentrinnbar. Der Freiheit des Menschen
ist es aufgetragen, sich zu bezeugen in der Kraft des Herrwerdens über die selbst erzeug-
ten Unfreiheiten.