Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung
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e. Die Zukunft des Menschen in moderner Perspektive
(1) Die Frage nach dem Ende: - Heute verbreitet sich das epochale Bewußtsein, an der
Wende zu stehen, nicht einer der bisherigen Geschichtsperioden, sondern der Ge-
schichte überhaupt.
Die Erweiterung historischen Wissens rückt Anfang und Ursprung nur weiter hin-
aus, ohne daß sie uns zugänglicher würden.
Die Zukunft steht nicht mehr wie bisher als ein Weiterleben gleicher Art vor Au-
gen, sondern als außerordentliche Möglichkeit, die begrenzt ist durch die Drohung
der totalen Zerstörung.
Ist die Geschichte ein merkwürdiger kurzer Zwischenaugenblick in der unermeß-
lichen Erd- und Lebensgeschichte? Ist sie ein zwar großartiger, aber vergeblicher Frei-
heitsprozeß, sich selber unendlich kostbar, aber zugleich ein sich selbst zerstörender
Prozeß hoher Schöp|fungen und Augenblicke? Ist die Geschichte von vornherein in
ständigem Abfall von dem, was geschehen sollte, und verläuft daher schließlich die-
ses Abfallen von der Chance der Freiheit in das Ende, in dem das Abfallen zugleich mit
dem Dasein des Menschen aufhört?
(2) Wie leben wir mit der Geschichte? - Das historische Wissen unserer Zeit und die
Möglichkeit der Information in breitesten Kreisen ist so groß wie noch nie. Was im-
mer von Menschen gedacht und getan wurde, kann, soweit sie sich mitteilten und die
Texte erhalten geblieben sind, von uns verstanden, aus der Vergessenheit wieder ge-
wonnen und zur Wirkung gebracht werden. Historisch sehen wir die Vielheit der
Selbst- und Weltauffassungen, die jeweiligen Selbstverständlichkeiten, in denen der
Mensch sich zu begreifen meinte.
Der moderne Mensch, der sich alle Möglichkeiten der Geschichte geistig zu eigen
macht, hat die Chance einer unerhörten Souveränität. Weil jede Auffassung, die Men-
schen einmal von sich hatten, dem modernen Menschen zur Verfügung steht, vermag
er leichter zu einem freien und wahren Wissen von sich zu gelangen.
Aber zweideutig ist wieder diese Befreiung. Der Umgang mit der Geschichte kann
allem seine Wahrheit lassen, kampflos genießend zuschauen und die eine ganze Wahr-
heit im Zusammennehmen aller Gehalte für die Menschheit und jeden Einzelnen su-
chen. Das ist existentiell unmöglich. Die sogenannte Kultursynthese ist entweder eine
ästhetische Vorstellung ohne Verbindlichkeit, oder nur die Gemeinsamkeit zivilisato-
rischer Technik, oder die nichtige Abstraktion eines Allgemeinen, das im Sichbegnü-
gen mit den Oberflächen nur die Nivellierung bewirkt.
Der existentielle Umgang mit der Geschichte setzt die Kämpfe fort, läßt sie im ei-
genen gegenwärtigen Bewußtsein sich steigern durch den Spiegel der Geschichte. Er
macht nun aber das Neue bewußt, für das der Spiegel ausbleibt. Er läßt unter den ge-
genwärtigen geistigen Voraussetzungen und materiellen Daseinsbedingungen die For-
derung spüren, die ewige Existenz in neuer Erscheinung zu gründen.
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e. Die Zukunft des Menschen in moderner Perspektive
(1) Die Frage nach dem Ende: - Heute verbreitet sich das epochale Bewußtsein, an der
Wende zu stehen, nicht einer der bisherigen Geschichtsperioden, sondern der Ge-
schichte überhaupt.
Die Erweiterung historischen Wissens rückt Anfang und Ursprung nur weiter hin-
aus, ohne daß sie uns zugänglicher würden.
Die Zukunft steht nicht mehr wie bisher als ein Weiterleben gleicher Art vor Au-
gen, sondern als außerordentliche Möglichkeit, die begrenzt ist durch die Drohung
der totalen Zerstörung.
Ist die Geschichte ein merkwürdiger kurzer Zwischenaugenblick in der unermeß-
lichen Erd- und Lebensgeschichte? Ist sie ein zwar großartiger, aber vergeblicher Frei-
heitsprozeß, sich selber unendlich kostbar, aber zugleich ein sich selbst zerstörender
Prozeß hoher Schöp|fungen und Augenblicke? Ist die Geschichte von vornherein in
ständigem Abfall von dem, was geschehen sollte, und verläuft daher schließlich die-
ses Abfallen von der Chance der Freiheit in das Ende, in dem das Abfallen zugleich mit
dem Dasein des Menschen aufhört?
(2) Wie leben wir mit der Geschichte? - Das historische Wissen unserer Zeit und die
Möglichkeit der Information in breitesten Kreisen ist so groß wie noch nie. Was im-
mer von Menschen gedacht und getan wurde, kann, soweit sie sich mitteilten und die
Texte erhalten geblieben sind, von uns verstanden, aus der Vergessenheit wieder ge-
wonnen und zur Wirkung gebracht werden. Historisch sehen wir die Vielheit der
Selbst- und Weltauffassungen, die jeweiligen Selbstverständlichkeiten, in denen der
Mensch sich zu begreifen meinte.
Der moderne Mensch, der sich alle Möglichkeiten der Geschichte geistig zu eigen
macht, hat die Chance einer unerhörten Souveränität. Weil jede Auffassung, die Men-
schen einmal von sich hatten, dem modernen Menschen zur Verfügung steht, vermag
er leichter zu einem freien und wahren Wissen von sich zu gelangen.
Aber zweideutig ist wieder diese Befreiung. Der Umgang mit der Geschichte kann
allem seine Wahrheit lassen, kampflos genießend zuschauen und die eine ganze Wahr-
heit im Zusammennehmen aller Gehalte für die Menschheit und jeden Einzelnen su-
chen. Das ist existentiell unmöglich. Die sogenannte Kultursynthese ist entweder eine
ästhetische Vorstellung ohne Verbindlichkeit, oder nur die Gemeinsamkeit zivilisato-
rischer Technik, oder die nichtige Abstraktion eines Allgemeinen, das im Sichbegnü-
gen mit den Oberflächen nur die Nivellierung bewirkt.
Der existentielle Umgang mit der Geschichte setzt die Kämpfe fort, läßt sie im ei-
genen gegenwärtigen Bewußtsein sich steigern durch den Spiegel der Geschichte. Er
macht nun aber das Neue bewußt, für das der Spiegel ausbleibt. Er läßt unter den ge-
genwärtigen geistigen Voraussetzungen und materiellen Daseinsbedingungen die For-
derung spüren, die ewige Existenz in neuer Erscheinung zu gründen.
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