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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 13): Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51323#0577
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476

Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung

fern lebendig erfahren. Daher bleibt alles Nahe schwebend. Durch das Nahe aber er-
folgt auch erst die geschichtliche Einsenkung des Glaubens hier und jetzt.
Wenn der philosophische Glaube für sich die ausschließende Offenbarung ver-
wehrt, sie selber und ihre Gehalte in Chiffern übersetzt, so ist zwar ein Nebengrund
die Aufklärung, die auf ihrem Wege weiß, was sie weiß und nicht weiß. Wesentlich
aber ist die vom philosophischen Glauben erfahrene Wirklichkeit der Transzendenz
selber in ihrer Verborgenheit. Am Maßstab des ihr entsprechenden Gottesgedankens,
wie er in den Höhepunkten der biblischen Schriften und in der Philosophie da ist,
müßte, wenn eine von Offenbarungsgläubigen gebrauchte Ausdrucksweise von der
Philosophie angewendet werden dürfte und könnte, die Behauptung von der Mensch-
werdung Gottes als Gotteslästerung erscheinen, wie sie dem Menschen Jesus, soweit
wir von ihm wissen, erschienen wäre.
Die Wirklichkeit Gottes ist dort am stärksten fühlbar, wo sie durch keine Leibhaf-
tigkeit, kein menschliches Sichnäherbringen verschleiert ist, wo es vielmehr ganz ernst
ist mit den biblischen Sätzen: Du sollst dir kein Bildnis und Gleichnis machen589 -
deine Gedanken sind nicht Gottes Gedanken590 - und wo diese Sätze an der Grenze für
die glaubende Existenz noch im Scheitern gelten. Denn Existenz liest zwar die schwe-
benden und vieldeutigen Chiffern, aber macht sich kein Gottesbild.
484 | Erster Exkurs:
Wenn Philosophie und Offenbarungsglaube miteinander sprechen, sollten sie gegenseitig ihre
substantielle Mitte zu erreichen suchen, nicht in den Abgleitungen des Anderen dessen Wesen
sehen. Wäre das zu erreichen - es ist auf beiden Seiten so ungeheuer schwierig -, so wäre der
Bund der Gegner in einer noch nicht vorstellbaren Weise erreicht. Philosophie und Theologie,
beide gleiten auf eine ihnen zugehörige Weise ab:
Die Philosophie gleitet ab in das nur noch rationale Sprechen vom höchsten Wesen, das leer,
weil ohne existentiellen Grund ist. Sie gleitet ab in die unwirksame formale Gottgläubigkeit -
in die agnostische Indifferenz, für die das Nichtwissen Gleichgültigkeit bedeutet, nicht zum
Aufschwung bringt - in das Zulassen von Glauben ohne anzuerkennen oder in sein Beiseite-
schieben, um dadurch die Freiheit als Willkür in der Welt zu haben.
Die Theologie gleitet ab in die Anpassung der Offenbarung an Plausibilität. Ein Beispiel: Die
Propheten »sind der Philosophie darin vergleichbar, daß ihr Geist auf die höchsten Dinge gerich-
tet ist, darin aber verschieden, daß, was dort auf dem Weg logischer Abstraktion erstrebt (was für
eine ahnungslose Auffassung von Philosophie!), hier auf dem Wege der inneren Anschauung
(wie bequem!) gefunden und unmittelbar gewiß wird ... dort Denken über Gott, theoretisches
Verhalten - hier lebendiges Verbundensein mit dem Objekt der Erkenntnis«.591 In der Gestalt Jesu
»mit ihrer unvergleichlichen Mischung von Hoheit und Demut, höchstem Selbstbewußtsein
und selbstverleugnender Barmherzigkeit« (was für ein ungefährlicher, sentimental gesehener Je-
sus!) sahen die Jünger »das verborgene Antlitz Gottes selbst«, so daß »sie Gott hatten, wenn sie
ihn hatten«592 ... so »setzte sich sein Glaube bei ihnen um in den Glauben an ihn«?593

Hans von Schubert, Kirchengeschichte S. 20 ff.
 
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