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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 13): Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung — Basel: Schwabe Verlag, 2016

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.51323#0589
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Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung

dann gibt es keine Instanz, die ihn unter Bedingungen stellen könnte; es bleibt nur Ge-
horsam. Der Offenbarungsglaube dagegen ist eine Realität unter Menschen; er steht
unter Bedingungen.
Wenn die philosophische Erfahrung der Transzendenz sich Gehalte biblischen
Glaubens zu eigen macht, dann muß sie die Form des Offenbartseins preisgeben. Kann
im Philosophieren biblischer Glaube überhaupt angeeignet werden?
Der philosophisch Glaubende kann den Sätzen Heinrich Barths zustimmen, die
dieser gegen ihn zu richten meint: »Welches Gebot der Wissenschaft oder irgendei-
ner Wahrheitsverpflichtung fordert von einem kritischen Denker, der Erschließung
der Wahrheit in dem Sinne Grenzen zu setzen, daß er die Möglichkeiten der Erkennt-
nis und der >Erhellung< unserer Existenz auf Philosophie, Dichtung, Weisheitslehre
aller Art beschränkt, in Ausschluß derjenigen einzigartigen Möglichkeit, die als >Of-
499 fenbarung< ihre gnoseologische Auszeichnung | erfahren hat? Welche Vernunft, wel-
che Strenge der Erkenntnis verbietet dem Philosophen, sich nicht nur aus den Doku-
menten der Philosophiegeschichte, der Weltliteratur, der Mystik, der fernöstlichen
Religionen seine Belehrung zu schöpfen, sondern auch aus der biblischen Überliefe-
rung, zumal er im Hinblick auf sie die Wahrnehmung macht, daß in ihr die zentralen
Probleme der Existenz mit unvergleichlichem Nachdruck zur Sprache kommen? Sa-
che eines freien und offenen Geistes ist es, den Möglichkeiten des Logos keine will-
kürlichen Grenzen zu setzen und sich demzufolge für das Vernehmen des >Wortes< of-
fenzuhalten, von welcher Ordnung und von welcher Provenienz es immer sein
mag«.i6°3
Nur ist hinzuzufügen: Sich offen halten bedeutet nicht schon Hören in Gehor-
sam.604 Es bedeutet Hören im Sinne des Zuhörens mit dem ganzen eigenen Wesen.
Aber ausbleiben kann die Weise des Hörens, die Gott selbst zu hören meint in einer
Offenbarung. Das Hören der Offenbarung als Offenbarung ist als solches nicht zu be-
gründen. Im Rahmen gnoseologischer Klärung ist sie absolut unbegründbar. Denn sie
begründet allein sich selbst. Sie steht nicht in der Reihe der Möglichkeiten von Wahr-
heitserfahrung. Sie ist daher nicht gnoseologisch ausgezeichnet, sondern kommt im
Raum dessen, was gnoseologisch geklärt werden kann, nicht vor. Wo Offenbarung als
Offenbarung gehört wird, da beginnt etwas völlig Anderes.
Dieses Andere ist jedoch nicht »verboten«. Verboten ist nur, es durch irgendeinen
Logos zu begründen oder zur allgemeingültigen Erkenntnis zu bringen. Wo das ver-
sucht wird, wird der Sinn von Offenbarung verletzt, die als solche nur von dem gehört
werden kann, dem die Gnade zuteil wird. Und zugleich wird die Möglichkeit des Lo-
gos unklar. Philosophisch denken wir in der Wahrhaftigkeit, die das Ungeheure, Un-
begreifliche, Alogische und Widerlogische nicht dessen berauben will, was ihm zu-
kommt.

Heinrich Barth, Theologische Zeitschrift Bd. 9 (1953), Seite 114.
 
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