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Jaspers, Karl; Weidmann, Bernd [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 13): Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung — Basel: Schwabe Verlag, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.51323#0590
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Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung

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Der Offenbarungsglaube kann bei Aneignung der Bibel ausbleiben. Eine offene Phi-
losophie erhebt den Anspruch an den Denkenden, daß dieses Ausbleiben ihn nicht
selbstzufrieden mache. Dagegen ist nicht anzuerkennen, daß bei wahrer Offenheit die
Offenbarung als Offenbarung gehört werden müsse.
Die Philosophie, die die Offenbarung als solche nicht hört, kann sich dem Offenba-
rungsgläubigen nicht unterwerfen. Ebensowenig | kann sie sich einer falschen Aufklä- 500
rung unterwerfen, die sich auf nichts anderes als auf Wissenschaft stützen will. Wenn
diese den Vorwurf erhebt, die Philosophie sei Säkularisierung der Theologie, sei ver-
kappte Theologie, so ist die Antwort: Die Philosophie ist zeitlich früher als biblische
Offenbarung, sie ist existentiell ursprünglicher, weil jedem Menschen als Menschen
zugänglich, sie ist fähig, auch in der Bibel Wahrheit zu hören und sich anzueignen.
(2) Hinweis auf einige Hauptmomente der möglichen Wandlung
Vorauszusagen, welche Glaubensgehalte in Zukunft unter den Menschen wirksam sein
werden, ist nicht möglich. Könnte man das in Wahrheit sagen, so wäre es schon die Ver-
wirklichung. Der Einzelne kann nur die Denkungsart seines Glaubens aussprechen, wie
ich es in diesem Buche versuche. An dieser Stelle aber spreche ich von drei Verzichten.
Sie scheinen mir Bedingung für den kommenden Ernst eines Lebens der Gemeinschaft
im Glauben. Wir denken an Menschen, die in unserem Zeitalter geboren werden, daher
mit seinem Wissen und seinen Realitäten und seinen unerhörten Erfahrungen leben.
(a) Jesus ist nicht mehr für alle Glaubenden der Gottmensch Christus.
(1) Ich fasse noch einmal zusammen: Die historische Situation im Anfang des
Christentums als einer der Gestalten biblischen Glaubens war diese:
Juden haben in ihrer Gotteserfahrung den Grund gelegt. Ihre Bibel ist unsere Bi-
bel. Sie ist von Juden, die nach Jesu Hinrichtung in ihm den Christus glaubten, durch
einen Anhang, das Neue Testament, erweitert. Dieser enthält auch die Überlieferung
vom Menschen Jesus.
Jesus und seine ursprüngliche Verkündigung ist wahrnehmbar als historische Rea-
lität. Wie alle historische Realität, ist auch diese ungewiß in ihren Grenzen. Sie ist der
historischen Forschung mit deren Mitteln bis zu einem gewissen Grade zugänglich. In
diesen Daten aber ist Jesus für den, der zu blicken vermag und sich ansprechen lassen
kann, als einzigartige, unverkennbare Wirklichkeit mit einer über das objektiv ratio-
nal Nachweisbare hinausgehenden subjektiven Gewißheit vor Augen.
Negativ gewiß aber ist durch die historische Analyse: Jesus hat sich nicht zum Mes-
sias, nicht zum Christus erklärt (das »Messiasgeheimnis« ist eine unhaltbare Interpre-
tation).
| Jesus hat sich nicht selbst zum Sakrament gemacht.605 Das Abendmahl als Kult- 501
handlung ist eine Gründung der Apostel.
Jesus hat keine Kirche gestiftet, vielmehr das Weitende als in Kürze, noch für diese
Generation bevorstehend zur Voraussetzung seines Lebens und Verkündens gehabt.
 
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