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Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung
Wenn aber der Ernst außerhalb der Kirchen nur in der persönlichen Freiheit des
52p Einzelnen gewonnen wird, so ist er heute noch, trotz der | Kraft für den Einzelnen, zur
Unwirksamkeit in der großen Gemeinschaft aller verurteilt. Seine Erscheinung in der
Welt verweht, als ob sie nichts sei. Der philosophische Glaube wird noch nicht zur
sichtbaren, mächtigen, öffentlichen Erscheinung. Er bleibt bisher in der Verborgen-
heit persönlicher Kommunikation.
Der Gang der Dinge wird immer noch auch durch die Formung der Glaubenskräfte
seitens der Kirchen und ihrer Dogmatik mitbestimmt. Versagen diese, wie es heute aus-
sehen kann, dann verfällt die Welt zunächst an den Wissenschaftsaberglauben, damit
an den Unglauben überhaupt und an die Unfreiheit. Daher soll die Philosophie leis-
ten, was sie vermag, damit ihre Vernunft in das Glaubensdenken der Kirchen ein-
dringe, damit dieses selber glaubwürdig für alle und zu der Stätte werde, an der die wis-
senden Menschenmassen, jeder Einzelne in ihnen, die innere Zustimmung aus ihrem
menschlichen Wesen finden und ihre Antriebe für Lebensführung und Entschlüsse
gewinnen.
Warum unsere Unruhe wegen der philosophischen Beschwörung und der theolo-
gischen Verkündigung? Weil die Chiffern zu uns sprechen, aber auch stumm bleiben
können, so daß wir vor der Leere außer uns und in uns erschrecken - oder weil be-
stimmte Chiffern übermächtig werden und alle anderen verdunkeln - vor allem aber,
weil erst im Kampf der Chiffern die Tiefen des Grundes sich zeigen, in denen Existenz
auf Transzendenz bezogen ist und die Führung des Lebens gefunden wird.
(c) Der verschiedene Sinn von Freiheit und Autorität:
Ich gehe aus von einer extremen Deutung. Alles Dasein und jede Existenz ist gefähr-
lich. Ist die Gefahr etwa größer auf dem Wege des Philosophierens als auf dem des Of-
fenbarungsglaubens? Ja, antwortet der Großinquisitor bei Dostojewskij: die Menschen
können nicht frei sein. Jesus, der einst die Freiheit brachte und jetzt wieder erscheint,
wird von ihm verhaftet. Gegen Jesus sagt der Inquisitor: Die Menschen, diese armen,
von Leidenschaften gejagten, an ihre Willkür verfallenen, sich selbst zerstörenden
Wesen können sich nicht helfen. Die Menschen brauchen das Gängelband. Wer sie der
totalen Herrschaft unterwirft, bringt ihnen ihr Glück auf dem einzig möglichen Weg.
Sie sind von ihrer Freiheit befreit, von der Verantwortung, vom Zweifel, vom Denken.650
Dies Herrschaftsprinzip als Bedingung des Menschenglücks hat einen allgemeinen
Sinn. Ob es der Offenbarungsglaube ist, der die Gestalt des Dogmas angenommen hat,
530 oder eine Ideologie, wie die | des Marxismus, ist unter diesem Gesichtspunkt gleich-
gültig. Würde Marx heute in Rußland oder China erscheinen, auch er würde verhaftet.
Nur die Unterworfenen müssen an die Wahrheit glauben, nicht die Herrschenden.
Diese üben ihre Herrschaft, sich selbst verleugnend, im Namen Gottes oder der Ge-
schichtsnotwendigkeit oder der Naturnotwendigkeit.
Wo immer aber solche Herrschaft zur Erzeugung des Glücks aller (außer für die wis-
senden Herrschenden, die auf Glück und Glauben verzichten müssen) stattfinden
Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung
Wenn aber der Ernst außerhalb der Kirchen nur in der persönlichen Freiheit des
52p Einzelnen gewonnen wird, so ist er heute noch, trotz der | Kraft für den Einzelnen, zur
Unwirksamkeit in der großen Gemeinschaft aller verurteilt. Seine Erscheinung in der
Welt verweht, als ob sie nichts sei. Der philosophische Glaube wird noch nicht zur
sichtbaren, mächtigen, öffentlichen Erscheinung. Er bleibt bisher in der Verborgen-
heit persönlicher Kommunikation.
Der Gang der Dinge wird immer noch auch durch die Formung der Glaubenskräfte
seitens der Kirchen und ihrer Dogmatik mitbestimmt. Versagen diese, wie es heute aus-
sehen kann, dann verfällt die Welt zunächst an den Wissenschaftsaberglauben, damit
an den Unglauben überhaupt und an die Unfreiheit. Daher soll die Philosophie leis-
ten, was sie vermag, damit ihre Vernunft in das Glaubensdenken der Kirchen ein-
dringe, damit dieses selber glaubwürdig für alle und zu der Stätte werde, an der die wis-
senden Menschenmassen, jeder Einzelne in ihnen, die innere Zustimmung aus ihrem
menschlichen Wesen finden und ihre Antriebe für Lebensführung und Entschlüsse
gewinnen.
Warum unsere Unruhe wegen der philosophischen Beschwörung und der theolo-
gischen Verkündigung? Weil die Chiffern zu uns sprechen, aber auch stumm bleiben
können, so daß wir vor der Leere außer uns und in uns erschrecken - oder weil be-
stimmte Chiffern übermächtig werden und alle anderen verdunkeln - vor allem aber,
weil erst im Kampf der Chiffern die Tiefen des Grundes sich zeigen, in denen Existenz
auf Transzendenz bezogen ist und die Führung des Lebens gefunden wird.
(c) Der verschiedene Sinn von Freiheit und Autorität:
Ich gehe aus von einer extremen Deutung. Alles Dasein und jede Existenz ist gefähr-
lich. Ist die Gefahr etwa größer auf dem Wege des Philosophierens als auf dem des Of-
fenbarungsglaubens? Ja, antwortet der Großinquisitor bei Dostojewskij: die Menschen
können nicht frei sein. Jesus, der einst die Freiheit brachte und jetzt wieder erscheint,
wird von ihm verhaftet. Gegen Jesus sagt der Inquisitor: Die Menschen, diese armen,
von Leidenschaften gejagten, an ihre Willkür verfallenen, sich selbst zerstörenden
Wesen können sich nicht helfen. Die Menschen brauchen das Gängelband. Wer sie der
totalen Herrschaft unterwirft, bringt ihnen ihr Glück auf dem einzig möglichen Weg.
Sie sind von ihrer Freiheit befreit, von der Verantwortung, vom Zweifel, vom Denken.650
Dies Herrschaftsprinzip als Bedingung des Menschenglücks hat einen allgemeinen
Sinn. Ob es der Offenbarungsglaube ist, der die Gestalt des Dogmas angenommen hat,
530 oder eine Ideologie, wie die | des Marxismus, ist unter diesem Gesichtspunkt gleich-
gültig. Würde Marx heute in Rußland oder China erscheinen, auch er würde verhaftet.
Nur die Unterworfenen müssen an die Wahrheit glauben, nicht die Herrschenden.
Diese üben ihre Herrschaft, sich selbst verleugnend, im Namen Gottes oder der Ge-
schichtsnotwendigkeit oder der Naturnotwendigkeit.
Wo immer aber solche Herrschaft zur Erzeugung des Glücks aller (außer für die wis-
senden Herrschenden, die auf Glück und Glauben verzichten müssen) stattfinden